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Der Organist Thomas findet nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis eine neue Stelle in einer Osloer Kirchengemeinde. Trotz seiner zurückhaltenden Art kommen er und die junge Pfarrerin sich schnell näher, und er tut alles dafür, zurück in ein gewöhnliches Leben zu finden. Doch die Geister seiner schrecklichen Vergangenheit lassen ihn nicht so schnell los...

Das norwegische Psycho-Drama „Troubled Water“ erkundet in ruhigen, poetischen Bildern die seelischen Wunden, unter denen Menschen leiden, wenn sie verhängnisvolle Fehler begehen. Die geradlinige Geschichte wird dabei von Anfang an durch kurze Rückblenden unterbrochen, die nach und nach das Bild einer jugendlich-unüberlegten Straftat entstehen lassen, die zu einer menschlichen Tragödie geführt hat. Wie diese noch Jahre später das Leben und psychische Gleichgewicht verschiedener Beteiligter beeinträchtigen kann, erzählt der Film einfühlsam und dank eines starken Perspektivwechsels etwa nach der Hälfte der Laufzeit vielschichtig nach: Dem Ringen des ehemaligen Täters um Vergessen und Rückkehr in ein gutes Leben wird das anhaltende seelische Leid der Betroffenen gegenübergestellt – ohne zu verurteilen, aber auch ohne allzu leichtfertig zu vergeben. So entsteht ein komplexes Bild psychischer Mechanismen und Probleme, die zu gefährlichen Kurzschlussreaktionen führen können und immer wieder neues Leid und neue Herausforderungen entstehen lassen.

Getragen wird das zum einen von den starken Darstellenden. Alle Beteiligten geben ihre Charaktere lebensnah, authentisch und überaus überzeugend. Mit feiner Mimik, intensivem Spiel und vor allem in den emotional aufwühlenden Momenten sehr starker Leistung erwecken sie ihre vielschichtigen Charaktere zum glaubwürdigen Leben. Besonders Hauptdarsteller Pal Sverre Valheim Hagen gibt seine tragische Figur mit starker Ausdrucksfähigkeit, lässt hinter seiner verschlossenen Mimik immer wieder den Schmerz und den Kampf mit der eigenen Vergangenheit durchscheinen. Aber auch Trine Dyrholm als traumatisierte Mutter, die in ihrer Unfähigkeit, das Geschehene zu bewältigen, in immer ekstatischeres Verhalten abgleitet, ist durchgehend überzeugend und fesselnd intensiv. Das Duell zwischen den beiden, das sich immer mehr herauskristallisiert, führt zu einigen atemberaubend spannenden Momenten.

Auch formal überzeugt „Troubled Water“ durchgehend. Die Kamera bleibt nah an den Figuren, fängt sie in unaufgeregten Bildern ein und vermittelt ein Gefühl des schwierigen Alltags, bricht aber auch immer wieder in poetische, leicht experimentelle Momente aus. Das Motiv des Wassers ist dabei allgegenwärtig: Ob eine auf der Seite gefilmte Flussoberfläche oder kopfüber gefilmte Aufnahme einer tauchenden Schwimmerin – immer wieder findet der Film kurze faszinierende Perspektiven, die den Alltag durchbrechen und visuelle Poesie durchscheinen lassen. Das wird auch durch den gefühlvollen Score untermauert, der viele Szenen gelungen untermalt, aber nie aufdringlich oder kitschig wird.

Einzig inhaltlich leistet sich der Film mitunter die eine oder andere kleine Schwäche. So wird das Thema von Schuld und Vergebung zwar meistens vielschichtig und mit Rücksicht auf verschiedene Perspektiven angegangen, doch bleibt die kirchliche Argumentationsweise der Beteiligten doch die meiste Zeit etwas platt und eindimensional – die Sicht, dass Gott alles vergibt, wenn man nur ehrlich bereut, macht es Tätern dann doch etwas zu leicht, mit sich selbst ins Reine zu kommen, und setzt die Leidtragenden arg unter moralischen Druck. Auch scheint eine zentrale Fehlentscheidung von Thomas, die zur finalen Gefahr führt, etwas unglaubwürdig, handelt er doch auf eine Art und Weise, von der er aus seiner eigenen Vergangenheit genau wissen sollte, wie gefährlich und fahrlässig sie ist. Und nicht zuletzt irritiert der Schluss dann doch ein wenig, wenn das Finale, das latent nach Tragödie riecht, plötzlich in ein allumfassendes Happy End kippt, in dem wirklich alle allen verzeihen – hier wollte man wohl etwas zu gezwungen einen optimistischen Ausklang erreichen.

Dennoch erweist sich „Troubled Water“ als intensives, durchgehend fesselndes Psychogramm mit Schuld, Schmerz und Trauer beladener Menschen, die verschiedene Wege suchen, nach vorn zu blicken. Die gelungene Mischung aus Alltagsnähe und poetischer Inszenierung sowie die überzeugenden Darstellenden, die ihre komplexen Charaktere packend spielen, lassen die Spannung bis zum dramatischen Schluss stetig steigen. Ein packendes Drama mit vielschichtigen Charakteren in starker Inszenierung!

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