13 Jahre hat Ridley und Tony Scotts TV-Serie "The Hunger" bereits auf dem Buckel und wirkt dennoch überhaupt nicht in die Jahre gekommen. Einerseits ist das sicherlich der handwerklich tadellosen Umsetzung geschuldet, andererseits aber auch der durchaus stilvollen Präsentation von oberflächlich betrachtet recht verfänglichen Inhalten, wobei die Sujets auch außerhalb des Kontexts der jeweiligen Episode zugegebenermaßen zeitlos sind.
Macht, Sex, Leben, Geld und Blut - die Begriffe auf die der Titel sich bezieht sind nicht nur marketingtechnisch der Aufhänger über den die Serie wahrgenommen werden will, auch das inhaltliche Konzept rückt konsequent den menschlichen Hunger nach diesen Dingen in den Fokus, ein Hunger, der sich oft als Gier, Manie oder Besessenheit manifestiert. Somit steht im Vergleich zu anderen Horrorserien wie "Geschichten aus der Gruft" oder auch "Masters of Horror" nicht etwa die ganze exotische Bandbreite an Fabelwesen, Untoten, Außerirdischen und weiß Gott was der menschliche Geist sich sonst noch jemals an Monstrositäten ausgedacht hat im Mittelpunkt; "The Hunger" rückt vielmehr das vielleicht sonderbarste Wesen überhaupt in den Fokus - den Menschen selbst. Somit hat "The Hunger" durch das Episodenformat mit anderen Horrorserien auch nur formal etwas gemein. Das 'Andere', das 'Fremdartige', welches von jeher unverzichtbarer Bestandteil des Phantastischen und somit des Horrorgenres ist, dafür sorgen in "The Hunger" die menschlichen Protagonisten selbst, auch wenn nicht wenige sich durch ihre Verhaltensweisen und Rituale letzlich als Unmenschen outen.
Die Präsentation des wahren, oftmals unsichtbaren Horrors steht somit im Vordergrund, was dennoch keinen völligen Verzicht auf phantastische Elemente bedeutet. Das Übersinnliche hat jedoch stets nur dienende Funktion, es ist das Salz in der Würzmischung, welches zusammen mit dem Grotesken, dem Morbiden, dem Skurrilen und dem Abnormalen den Geschmack ausmacht. Die Rezepte nach denen gekocht wird stammen von im Horrorbereich durchaus renommierten Autoren wie Théophile Gautier, Robert Aickman oder Brian Lumley, deren Kurzprosa oft die literarische Vorlage für die einzelnen Episoden lieferten. Um das Wort Tiefgang zu vermeiden - ein gewisses Niveau unterschreitet "The Hunger" trotz einer deutlichen Fokussierung auf Sexualität und Gewalt eigentlich nie. Auch wenn hier und da das Blut tröpfelt (es spritzt dagegen nur selten) und das Konzept der Serie eine (oft sogar erotische) Erotikszene als integraler Bestandteil jeder Episode vorsieht, so rutscht das Endprodukt kaum in den pulpig-trashigen Bereich etwa der "Geschichten aus der Gruft" ab. Gewalt die sich physisch äußert wird fast immer durch intrapsychische Einblicke kommentiert oder begründet, wodurch die entsprechenden Darstellungen nur selten selbstzweckhaft wirken. Ähnliches gilt für die erotische Komponente: sexy - ja, schmierig - nein.
Barock wirkt die Visualisierung, um es mit einem Wort zu sagen, sprich das Auge wird geradewegs reizüberflutet mit oppulenten Settings, einer detailverliebten Ausstattung und ästhetisch wird man nicht selten an einen Musik- oder Werbeclip erinnert. Auch optisch bedient man sich einer Grundstimmung, die den Inhalten angemessen ist, wobei sich an der Gratwanderung zwischen Kitsch und Substanz möglicherweise die Geister scheiden werden. Denn der artifizielle Touch haftet der Produktion sicherlich nicht zufällig an und an vielen Stellen hebt die idealisierte Darstellung die Illusion der Inszenierung auf. Die geeignete Visualisierung des jeweiligen Sujets (oftmals eine elementare menschliche Erfahrung oder auch ein Gefühl wie Liebe, Hass, Neid oder Sehnsucht - bisweilen auch pervertiert) scheitert daran keineswegs.
Formal hat "The Hunger" jedoch zumindest noch ein weiteres Element mit den berühmten "Geschichten aus der Gruft" gemein, nämlich die An- und Abmoderation jeder einzelnen Episode durch den Gastgeber. Aber im Gegensatz zu dem inhaltslosen, klamaukhaften Nonsens des Cryptkeepers sind gerade in den ersten Folgen die Leitgedanken von Terence Stamp deutlich feinsinniger, wenn auch gelegentlich floskelhaft, zwar stets auf eine affektive Wirkung abzielend und dennoch nur selten seicht.
Trotz des bisweilen unaufgeregten Erzähltempos entstehen durch das Episodenformat keine Längen, was bei einem Beitrag in Spielfilmlänge vielleicht nicht unbedingt der Fall wäre. Wem es keine Verdauungsprobleme bereitet, dass Horror ein anderes Vehikel wählt als die nach den Regeln des Genres festgelegten Konventionen, der sollte für den kleinen Hunger zwischendurch ab und an eine Episode von "Begierde" goutieren.