Review

Die ersten zehn, fünfzehn oder so Minuten werden rein in Bildern erzählt. Vorstellung einer Welt, in der ein Großteil der Menschheit zu Vampiren transformiert ist. Das kommt gut. Zumal die Einführung in die Funktionsweisen, in die Probleme und vor allem in die Atmosphäre dieser Welt durchaus plastisch wirkt. Informationsvermittlung in Worten findet nur nebenbei und fast nur in schriftlicher Form statt. Propaganda-Plakate am Bahnsteig, Einblendungen auf öffentlichen Informationsmonitoren, et cetera.

Ganz am Anfang, noch vor der Einführung des Zuschauers in diese Blutsauger-Gesellschaft, gibt es einen Mini-Prolog: Ein kleines Mädchen will offenbar nicht mehr Vampir sein, schreibt einen Abschiedsbrief, geht im Morgengrauen aus ihrem Zimmer, durch die Flure des Hauses, verlässt das Haus, setzt sich auf den Rasen im Vorgarten und wartet, bis die aufgehende Sonne hinter dem Hügel vorkommt. Diese Suizid-Sequenz weckt in Punkto Bildkompositionen und Montage gewisse Erwartungen, die der Rest von "Daybreakers" nicht erfüllen kann.

Man merkt einfach, dass alles was danach kommt, weniger sorgfältig inszeniert wurde. Abgesehen davon wollten die Produzenten offensichtlich zu viel für ihr Budget. Miese Spezialeffekte, die nicht immer notwendig sind, weil man Einiges hätte minimalistischer halten können (explodierender Söldner-Truck mit abartig computeranimiertem Feuerball -- unnötig).

Doch besonders störend wirkt die unästhetisch grobschlächtige Beleuchtung der meisten Szenen und der Einsatz außerordentlich artifizieller Farbfilterei. Ein digital photographierter Film, der vertuschen will, dass er digital photographiert wurde? Filmfest hin, Filmfest her. "Daybreakers" hat auf Leinwand nur bedingt was zu suchen. Husch, husch. Ab zur DVD-Premiere und Fernsehaustrahlung mit dir.

Das klang jetzt fieser als es gemeint war. Denn unterhaltsam ist er ja, dieser B-Film, der versucht ein A-Film zu sein. Unterhaltsam nicht nur in der oben erwähnten zweiteiligen Exposition, sondern auch darüber hinaus.


Auf inhaltlicher Ebene wird verhandelt, dass Vampire blindlinks fast die gesamte Menschheit konsumiert haben und ihre Gesellschaft nun an Blut-Knappheit zugrunde zu gehen droht, weshalb sie nach künstlichem Blutersatz forschen. Eine (sehr offensichtliche) Allegorie auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch den Menschen.
Im Zuge der Kritik des Films an Maßlosigkeit und Gier bekommen zudem unmoralisch handelnde Großkonzerne ihr Fett weg. Und es wird illustriert, dass im Kapitalismus zuerst diejenigen krepieren, die arm sind. Auch macht der Film ansonsten, nicht ungeschickt, die Schere zwischen Arm und Reich, die gesellschaftliche Spaltung, sehr weit auf.

Weniger gelungen ist die küchentisch-philosophische Auseinandersetzung mit und Abwägung von Sterblichkeit versus Unsterblichkeit. Da wäre mehr drin gewesen.

Andererseits ist es lustig, dass die Handlung (offenbar absichtlich) immer stupider und hirnrissiger wird. Es ist eine Wonne, dem von Ethan Hawke gespielten Vampir zuzusehen wie er zuerst nach künstlichem Blutersatz forscht, um das Ende seiner Art zu verhindern. Dann (durch köstlich idiotische Drehbuch-Einfälle) findet er einen hirnrissigen Weg, Vampire wieder zu Menschen zu machen.

Ein Vorhaben, dass er auch dann noch selbstjustiziell ausführen will, als am Ende tatsächlich künstliches Blut erforscht wurde. Egal: Vampire müssen wieder zu Menschen werden, und fertig.

Nach etwas Hin und Her gestaltet sich die Heilung wie folgt. Vampire müssen Vampire beißen, die bereits zu Menschen geworden sind. Darauf hin werden sie selbst zu Menschen und können von anderen Vampiren gebissen werden, die dann ebenfalls zu Menschen werden.

Das lustige daran ist: Zu Menschen gewordene Vampire werden von ihren ehemaligen Artgenossen nicht nur gebissen, sondern zerfetzt und getötet. Das Resultat ist eine exorbitante Kettenreaktion: Vampire werden zu Menschen und werden umgebracht. Vampire werden zu Menschen und werden umgebracht, usw.

Beim Finale muss man echt aufpassen, dass man sich vor Lachen nicht bepisst. Denn nicht nur fallen die unter Blut-Knappheit leidenden Vampire mit unbeschreiblicher Gier über ihre zu Menschen gewordenen Artgenossen her, dass Blut und Eingeweide nur so spritzen (bloß damit sie im nächsten Moment selbst zerfetzt werden). Ein exorbitant meschuggenes Mega-Blutbad.

Vor allem meint Hawkes Figur angesichts des Gemetzels mit sachlichem doch zufriedenem Tonfall in einem abschließenden Voice Over, das Heilmittel für die Welt sei nun gefunden worden. Und das ist dann wirklich Rock 'n' Roll!!! 

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