Review
von Leimbacher-Mario
Das Ausweiden des jungen Kerkers
Ein Vampir sinniert am Tisch eines Journalisten seine lange Lebensgeschichte - von seinen (im Vergleich) wenigen Jahren als Mensch, von seinem beängstigenden „Macher“ Lestat, von der amerikanischen Revolution bis in die Jetztzeit, von Plantagen zu Plagen, vom wilden Westen und der alten Welt, von der Literatur bis zum Kino. Von einem kleinen Mädchen, dass er ebenfalls in einen Vampir verwandelte und die sich in diesem zwielichtigen Stadium Jahrzehnte quälte. Von dem Hunger, dem Leid, der Qual. Von der Suche nach Gleichgesinnten, nach dem Sinn, nach Erlösung. Von Rache, von Befriedigung, vom Blutrausch. Von Lebensmut und Depressionen, von Unsterblichkeit und den Problem dieser. Neil Jordan hat mit „Interview with the Vampire“ viel gewagt - und in meinem Buch nahezu alles gewonnen!
Pitt, Cruise, Slater, Banderas. Uff. Ein Film, dem die Frauen zu Füßen liegen. Na klar. Aber noch viel mehr als das. Sinnlich, traurig, nachdenklich. Fast depressiv. Auch mal blutrünstig und böse, wenn er es braucht. Sehr windig und behäbig, ohne sich zu wiederholen oder auch nur eine Minute zäh zu wirken. Der einzig echte Teil der „Vampirchroniken“. Anders als das Buch - aber keinesfalls minderwertig. Voller verführerischer Bilder und perfekter Gesichter, mit edlem Teint und pulsierenden Adern. Die kleine Kirsten Dunst macht das sensationell, umwerfend, ein Star in the Making. Tom Cruise IST Lestat. Alles durchströmt eine Gothic Aura und dennoch immer wieder ein dreckiges Strahlen des Big Apple. Metropolen, Morde, Märtyrer. Wesen der Dunkelheit, der Sehnsucht, der Gier, des Todes. Plage, Fluch, Segen. Es liegt alles unglaublich nah beisammen. Poesie und Pulp. Ein breites Blutsaugerdrama, das die 90er und das gesamte Bild von Vampiren ohne Frage mitgeprägt hat. Immer wieder ein eleganter Rausch, mal verstörend, mal betörend. Alle Darsteller sind famos. Was ein Ensemble. Wie edel alles aussieht und tönt. Kaum zu toppen. Nur das Ende ist mir etwas sehr offen... aber was sollen dazu denn die nahezu unsterblichen Geschöpfe der Nacht sagen?!
Fazit: für mich ein unangefochtenes, imposantes Vampirepos, das gross zielt und noch größer trifft. Vollkommen fesselnd, romantisch, in sich ruhend. Wunderschön selbstbewusst. Seine optische Brillanz könnte einen Blender vermuten lassen - aber das Gegenteil ist der Fall! Ein Vampir-Essential.