Chinesen lieben ja bekanntlich das Essen. Und so kreist auch die Jugendserie Rolling Love um dieses Thema. Das reicht vom einfachen Restaurant in einem Dorf am Meer bis zur "Haute Cuisine" in hohen Kreisen. Aber vorrangig geht es in den zwölf Episoden (die in der Laufzeit variieren, aber nie kürzer als 70 Minuten sind) natürlich wieder mal um die Liebe. Und das endlich wieder einmal mit Charme (den man in einigen anderen Taiwanserien dieser Zeit doch eher vermisst hat)!
Das obligatorische Liebesdreieck setzt sich hier wie folgt zusammen: Sängerin Guan Xiao Shu (Genie Zhuo) ist vor zwei Jahren durch einen schweren Unfall (der in seiner stümperhaften Inszenierung aber überhaupt nicht als solcher erkannt wird) erblindet. Zwar hat sie ihre Karriere inzwischen vernachlässigt, sieht ihre Blindheit aber nicht als großes Hindernis an. Noch immer trägt sie ständig ein gutherziges Lächeln mit sich herum und ist das umgängliche, sympathische Mädchen von nebenan, das keiner Fliege etwas zuleide tun würde. Ihr Freund Leng Lie (Danson Tang), der schuld an ihrer Erblindung ist, ist nicht nur schon seit Ewigkeiten in sie verliebt, sondern glaubt außerdem, sich ganz besonders um sie kümmern zu müssen, um seine Schuldgefühle auf ein Minimum zu verringern. Von seinem wohlhabenden Vater ist er seit seiner Kindheit zum nächsten großen Chefkoch herangezüchtet worden und kehrt nun nach Taipeh zurück, um dort eines der exklusiven Restaurants seines Vaters zu leiten. Ihm gegenüber steht Michelin (Jiro Wang), der in einem Dorf am Meer wohnt und ein kleines Restaurant betreibt, dem die Dorfbewohner regelmäßig die Türen einrennen, obwohl er außer seinem berühmten frittierten Reis mit Ei kein anderes genießbares Essen kochen kann. Als er dann die blinde Xiao Shu kennen lernt, ist er von ihr ganz angetan. Und weil Xiao Shu sowieso unabhängig werden und von Leng Lies Fürsorge etwas Abstand bekommen will, mietet sie sich doch glatt eine Wohnung in Michelins Dorf an—die ihre Freunde flugs in eine unerträglich klebrige mit Kitsch nur so vollgestopfte rosa Plastik-Herzchen-Blümchen-Plüsch-Zuckerwatteoase verwandeln. Klar ist aber freilich, dass Xiao Shu nur einen der beiden jungen Männer haben kann. Nur für wen soll sie sich entscheiden?
Um diese Frage drehen sich im Grunde sämtliche zwölf Folgen, auch wenn allerlei Nebenhandlung den Zuschauer bei der Stange hält. Da gibt es Kochwettbewerbe, Streit mit Gangstern (in bunten Glitzeranzügen!), eine lebensnotwendige Operation, Missverständnisse, Spaß im Freizeitpark (wie wohl in jeder Jugendserie aus Taiwan, verdammt!), eine mehr als unnötige, sinnfreie Entführung, Sauftouren (auch wenn man sich immer bemüht hat: einige Heineken-Label auf den Flaschen hat man beim Wegpixeln dann doch übersehen), einen Tod, Personen, die (überflüssiger Weise) aus der Vergangenheit auftauchen oder einen großen Skandal rund um Lies Talent.
Rolling Love ist anfangs als Komödie ausgelegt. Bunt und überdreht wird es hier, was sich vor allem durch Huang Wan Bos Nebenrolle als idiotischer bester Freund von Michelin und Xiao Xun als Michelins ewig keifende Kellnerin Wasabi niederschlägt. Wenn die bunte und laute Wasabi mal gerade nicht keift, schlägt sie mit Sicherheit gerade irgendjemandem ihren Stöckelschuh oder ihre Faust ins Gesicht oder heult sich theatralisch die Augen aus. Was also mehr nervig als lustig ist, schlägt dann gegen Mitte der Serie in einen Überschuss an Drama um. Es wird laufend Rotz und Wasser geheult und weil alle irgendwie unfähig sind, sich oder anderen ihre wahren Gefühle einzugestehen, gibt es ein ewiges Hickhack der Verliebten (tatsächlich kommt es auch erst in der letzten Folge zum lang erhofften Kuss—zu mehr reicht es ja sowieso nicht, wenn man hier sogar unverständlicherweise mal einen nackten Männeroberkörper überpixelt hat!?). Da wünscht man sich fast, man hätte die Serie zugunsten der Liebesgeschichte etwas kompakter zurechtgestutzt, doch muss man zugeben, dass die Gefühle aller hier doch (meist) einleuchtend und eindringlich dargestellt werden, wenn vieles auch bis zum Erbrechen wiedergekaut wird. Trotzdem wird es nie so schlimm, dass man die Lust an der Serie verliert. Auf eine blöde Szene folgt in der Regel gleich wieder eine bessere und man ist schnell versöhnt—und verträgt durchaus mehrere Folgen am Stück.
Die darstellerischen Leistungen reichen von charmant-dilettantisch bis akzeptabel. Vor allem Genie Zhuo scheint das Blindsein damit zu verwechseln, mit steifen Beinen durch die Gegend zu staksen, mit einem Blindenstock herumzufuchteln und belämmert an der Kamera vorbeizusehen. Wenn sie nicht gerade wieder zuckersüß lächelt, um zu zeigen, dass die von ihr gespielte Xiao Shu einfach ein dufte Mädchen ist. Widerwärtig fröhlich ist Xiao Shu, weint höchstens im Stillen, ist niemals böse und amüsiert sich über alles. Da könnte einem manchmal schon der Kragen platzen vor so viel naiver Heiterkeit und manchmal mag man sich wirklich fragen, ob einem Xiao Shu mit ihrem perfekten Eierkuchencharakter wirklich sympathisch sein soll. Die Rolle des ewigen Milchgesichts Danson Tang ist da genau das Gegenteil. Er muss in einem fort so emotionslos gucken wie nur möglich, mit übereinandergeschlagenen Beinen auf Ledercouchen sitzen und auch seine Bewegungen auf ein Mindestmaß reduzieren. Sein Leng Lie ist nämlich ein reicher, gut erzogener Schnösel und die verhalten sich, will man diversen Taiwan-Serien Glauben schenken, ja schließlich alle so. Im Laufe der Serie (und auf Antwort auf all das Leid, das Leng Lie da so alles widerfahren soll) bessert sich seine Darstellung aber immens, so dass es einem manchmal fast schon leid tut, dass ihm die Drehbuchautoren nicht ab und an mal eine positive Szene in die Serie geschrieben haben. Jiro Wang, der Typ mit dem spitzbübischen Überbiss, spielt als Michelin endlich einmal nicht den liebenswert beschränkten, aufbrausenden Nichtsnutz, auch wenn seine früheren Rollen aus KO One oder It Started With A Kiss durchaus ihre Einflüsse hinterlassen haben (oder Jiro Wang hat ganz einfach ein einseitiges Schauspieltalent). Als Chef eines bescheidenen Restaurants ist er zwar noch immer der unabhängige Draufgänger und nicht sonderlich gebildet, aber ausnahmsweise einmal bodenständiger und disziplinierter—und hypernervös und scheu, wenn es darum geht, Xiao Shu seine Gefühle zu gestehen. Mit Sicherheit bekleidet er mit Michelin die interessanteste Figur der Serie—und gibt wie immer ein charmantes Bild ab.
Was man Rolling Love trotz dem ritualisierten Griff in die Mottenkiste des Standardrepertoires zugute halten muss, ist die Ernsthaftigkeit, die die Serie im Laufe der Spielzeit annimmt. Auch wenn es durchaus mal kitschig wird, halten sich solche Szenen diesmal in Grenzen. Und das funktioniert prima. Michelin und Xiao Shu geben einfach ein nettes Paar ab, wie man es fast schon in Echt treffen könnte. Schön auch, dass zur Abwechslung mal das meiste außerhalb Taipehs gedreht wurde, so dass man mal eine erfrischend andere Kulisse mit Meerblick zu sehen bekommt. Auch die Aufnahmen vom Kochen machen Spaß, da einem all die chinesischen Speisen doch mal das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Leider geht es dann gegen Ende von Rolling Love überhaupt nicht mehr um die Kochkunst, sondern nur noch um die Operation, die zwar sehr dringlich zu sein scheint, aber zugunsten weiterer Handlungsstränge schon mal fast völlig in Vergessenheit gerät. Genauso wie übrigens die Tatsache, dass offensichtlich einige der Figuren neben der Arbeit noch in die Schule gehen oder Xiao Shu ja mal eine berühmte Sängerin gewesen ist.
Das Ende wird dann freilich noch mal mit pompösem Drama ausgekleidet, das nicht immer realistisch bleibt ("Haltet das Frachtschiff auf, koste es, was es wolle") und wartet logischerweise mit einem Happy End auf, doch diesmal bekommt wenigstens nicht jeder ein großes Stück Happy-End-Kuchen ab. Und auch die letzte Einstellung ist doch noch irgendwie ganz niedlich geworden.
Rolling Love bewegt sich also immer im Bereich des Erträglichen, ist zwar mitunter kitschig, dafür aber umso kurzweiliger (auch wenn der plakative Humor hier meistens nicht ins Schwarze trifft und einige unnötig eingestreute Nebenhandlungen eher ins Leere laufen), manchmal sogar ein bisschen spannend und scheint (bis auf einige unnötige Ausnahmen) nicht ganz so an den Haaren herbeigezogen wie die Inhalte vergleichbarer Serien. Die Figuren bleiben (fast immer) sympathisch, auch wenn zeitweise zu sehr nach Schema F gehandelt wird. Xiao Shus Blindheit sorgt für weiteres Interesse, auch wenn mit diesem Handicap etwas zu naiv umgegangen wird. Am Ende gerät man zwar etwas zu weit auf die tränenreiche Schiene, doch die Darsteller meistern ihre Rollen einfühlsam und leidenschaftlich. Rolling Love ist so also definitiv eine der besseren Serien, die in letzter Zeit in Taiwan gedreht worden sind.