Review

Jetzt ist es etwa 14 Tage her, dass ich den Film im Kino sah und sich das Gesehene etwas setzen konnte und ich mir den Film ein zweites Mal angeschaut habe. Und auch nach dieser Ruhezeit und der neuerlichen Ansicht des Films, hat sich bei mir ein Urteil über das gezeigte gefestigt, welches nicht für den Film und schon gar nicht für die ganzen lauen Talkshowlüftchen um eine weitere pompöse, epische aber ebenso banale Eichinger – Produktion entfacht wurden, spricht.
Ich habe so einiges an relevanter Literatur zum Thema RAF und ihre (Phantom-) Generationen gelesen. Allein 23 Bücher füllen eine eigene Ablagefläche nur zur RAF an sich und ein weiteres Fach mit gezählten 16 Büchern um ihre(angeblichen) Opfer. Meine Feststellung nach dem Studium der Literatur: es gibt ebenso viele Meinungen, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zum Thema wie Bücher. Und aus dieser gedruckten Meinungsvielfalt wurde ein Buch herausgegriffen. Dazu auch noch jenes des Herrn Aust, dessen Buch zwar zu den umfangreichsten zum Thema zählt, aber sicher nicht zu jenen, welche das Thema von mehreren Seiten beleuchtet und somit den Versuch eines objektiven Überblicks unternimmt. Sicher war es deshalb auch eher zur Verfilmung geeignet als z. B. Gerhard Wisnewski’s Verschwörungstheorien und Tatsachenwiderlegung „Das RAF-Phantom“ oder die wirklich Aufschlussreiche Baader – Biographie von Stern und Hermann. Genau jene Biografie ist es dann auch, welche den Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ zu einem leichtverdaulichen Actionfilm degradiert, der keinem auf den Bankvorstandsschlips tritt. Denn bei den von mir besuchten Vorstellungen des Films, sah man dem Publikum nur all zu deutlich an, was sie sehen wollten. Und das haben sie auch bekommen. Ja, es gibt sie anscheinend immer noch. Die aus dem Bildungsbürgertum stammenden 25 – 35 jährigen, die insgeheim immer noch zu hoffen scheinen, dass bald wieder die Revolution so toll ins Bewusstsein des Volkes gebombt und gemordet wird wie zu Zeiten der RAF. Denn, die Zuschauer zeigten mehr Sympathien gegenüber einem selten an wirklich revolutionärer Veränderung interessierten Baader und einer wirklich an Veränderung interessierter aber ausgeschlossener Meinhof, als gegenüber den Opfern.
Nun erklärt es sich von selbst, dass ein zum großen Teil aus linken Intellektuellen bestehendes Publikum, kein großes Mitleid mit den Bonzen und Ausbeutern dieser Welt zeigt. Aber, mit einem Baader wie er hier gezeigt wird, sollte Mensch sich auch nur schwerlich identifizieren können. Und so bietet der Film weder auf der Seite der Opfer noch auf jener der Täter Anhaltspunkte, um sich in das Geschehen auf der Leinwand hineinversetzen zu können. Denn im Film selbst wird nicht erklärt. Keine Zusammenhänge dem Zuschauer näher gebracht oder auch nur im Ansatz Beweggründe für die Handlungen der so genannten RAF dargestellt. Episodenhaft werden 10 Jahre nicht nur bundesdeutsche Geschichte im Zeitraffer dem Zuschauer in den Kopf gebombt. Denn explodieren tut hier einiges, nur erfährt der nicht vorinformierte Zuschauer eben nicht, warum. So musste ich meiner Begleitung einige male unter die schweißnassen Arme greifen und Personen und Zusammenhänge erklären. Den unbedarften Zuschauer lässt der Film also eher ratlos zurück, als ihn aufzuklären, welche politischen Zusammenhänge zu den Taten der RAF und den Gegenreaktionen des Staates führten. Jegliche politischen Hintergründe werden im Film nur angedeutet oder völlig ausgeschaltet.
Dieser Fehler wird von der ersten Szene des Films an gemacht. Die Proteste gegen den Schah von Persien werden einfach gezeigt, Benno Ohnesorg wird erschossen, die RAF erscheint fast aus dem Nichts. Wer sich mit dieser ganzen Geschichte nicht auskennt, ist ab hier dem Willen des Regisseurs ausgeliefert, zu verstehen oder nicht zu verstehen. Am Ende gehen alle Zuschauer, die von diesem Film Aufklärung erwartet haben, weil sie sich eben nicht durch unendlich viele Bücher lesen wollten, genauso schlau aus dem Kino wie sie hinein gegangen sind.
Die nicht korrekte Darstellung der Charaktere vor allem der Personen der RAF, kommt erschwerend hinzu. Gerade Baader wird nur auf einige seiner Charakterzüge reduziert. Wichtige Details, wie seine Medikamentenabhängigkeit, seine völlig verwirrtes politisches Denken und sein Hang zum Narzissmus wird einfach ignoriert. Seine Person wird zu einem sexistischen Sandkastenrevoluzzer zusammengestrichen, welcher mit seinem persönlichen Fußvolk aus halbstarken und geistig minderbemittelten Attentate verübt.
Alle weiteren Protagonisten rücken im Film eh in den Hintergrund und werden durch den Macho Baader zu Statisten degradiert, welcher in jeder Situation einen sarkastischen Spruch in den Mund gelegt bekommt. Die Figur der Meinhof wird nicht einmal im Ansatz erklärt. Wer nicht weiß, welchen Einfluss sie als Journalistin vor ihrer RAF-Zeit hatte, sieht in ihr ein Spielzeug Baaders. Dass sie an Baaders Drangsalierung zu Grunde ging, wird dafür gut ausgearbeitet.
Und wie gesagt, alle weiteren Personen bleiben Schemenhaft und Statisten. Die Darstellung des Horst Mahler, wegen seiner Person hat sich sicher auch der eine oder andere von Rechtsaußen in den Film begeben, bleibt Oberflächlich. Gudrun Ennslin ebenso. Rudi Dutschke wird auch noch mit in die Geschichte gequetscht und von einem Klischee-Nazi erschossen. Aber wer war Dutschke? Der Zuschauer darf sich dies anhand einiger Versammlungsreden zusammenreimen. Die Reaktionen der Bevölkerung auf die Ereignisse werden völlig ausgeklammert.
Die Seite des Staates in diesen 10 Jahren hat man ebenso zum großen Teil vernachlässigt. Die kurzen Prozess-Szenen im Film dienen eher der Belustigung des Zuschauers und sind zu sehr auf Klamauk getrimmt. Die Ermittlungen des Staatsapparates werden durch die Erfindung der Rasterfahndung und durch Massenkontrollen angedeutet, personell bleibt dieser Teil der Geschichte aber eher blass und verblasst somit zwischen Maschinengewehrgerattert und Bombenexplosionen.
Und so kann Mensch zu der Erkenntnis gelangen, dass dieser Film rein gar nichts aussagt. Es wurde versucht, die gesamte Geschichte der RAF bis zu den Anfängen der so genannten 2. Generation in 150 Minuten zu packen. Dabei wurden einige „Highlights“ herausgefischt und aneinandergereiht und das auch noch in einem Tempo, welches für einen solchen Film viel zu schnell ist. Die Hauptsache scheint zu sein, dass auch alles mal gezeigt wurde was passiert, warum und weshalb ist dabei aber völlig egal. Weniger wäre hier mehr gewesen. Ein konsequenter roter Faden, welcher nicht nur oberflächlich „Die Geschichte der RAF“ verfolgt, sondern sich besser auf einige Ereignisse konzentriert hätte und diese dafür besser ausgebaut und erläutert hätte, wäre dem Film inhaltlich sicher sehr gut bekommen. Doch so ist der Film pure Unterhaltung auf „Braveheart“ – Niveau. Niemanden wird das gezeigte provozieren, außer vielleicht ein paar Kleingeister, denen jedes Thema recht ist, sich zu profilieren und etwas Aufmerksamkeit zu erhaschen. Und auch wenn es schon einige male gesagt wurde: im Film wird genau das gezeigt, was der Zuschauer sehen will. Eine undifferenzierte, vereinfachte und wenig tiefgründige Darstellung von Ereignissen, denen man so nicht gerecht wird. Und so darf bescheinigt werden, dass dieser Film einen Teil seines Publikums unterfordern und den anderen überfordern wird. So ausgelatscht es auch klingen mag, „Der Baader-Meinhof-Komplex“ ist weder Fisch noch Fleisch. Nichts Halbes und nichts Ganzes.
Und was dieser Film mit dem Buch von Aust zu tun haben soll, ist sicher eine ganz andere Frage: einer der Vermarktung.

Genau aus diesem Grund gibt es von mir aber eine differenzierte Wertung:

Inhaltliche Umsetzung: 3/10
Schauspielerische Umsetzung: 7/10
Action: 8/10
Anspruch: 5/10
Spannung: 2/10

Gesamt nach Durchschnitt: 5/10

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