Thailand 2005: Auch ein halbes Jahr nach dem verheerenden Tsunami harrt das Ehepaar Jeanne und Paul Bahlmer im Land aus, auf der Suche nach ihren seit der Flutwelle vermissten Sohn Joshua. Bei einer Benefizveranstaltung wird ein Film über Flutopfer im isolierten Burma gezeigt und in einer Szene glaubt Jeanne, die das Verschwinden ihres Sohnes nie verwunden hat und fest daran glaubt, dass er noch lebt, Joshua erkannt zu haben. Trotz starker Bedenken ihres Mannes und mit Hilfe sehr zwielichtiger Gestalten machen sich beide auf den beschwerlichen Weg zu den so genannten Seenomaden im thailändisch-burmesischen Grenzgebiet, wo es Gerüchte zu Folge noch "weiße" Kinder geben soll, die den Tsunami überlebt haben sollen. Die Fahrt entpuppt sich jedoch als Reise in innere und äußere Abgründe.
Fabrice du Walz zweiter Film nach dem makabren "Calvaire" führt uns von den belgischen Ardennen in ein so gar nicht touristisches Thailand, wo es viel regnet, wo ein Leben käuflich ist, wo Hoffnungslosigkeit regiert. Das Ehepaar Jeanne und Paul wirken wie Strandgut nach der Flutwelle und besonders Jeanne klammert sich an jeden Hoffnungsschimmer, kauft sogar neue Schuhe für ihren Sohn, denn seine alten Sachen wären ja inzwischen zu klein. Paul ist irritiert über die Bestimmtheit seiner Frau, akzeptiert diese aber aus Liebe zu ihr.
Du Welzs Film ist wie eine fiebernde Reise in Abgründe, je tiefer die Beiden in den Urwald vordringen, umso abgründiger wird v. a. Jeannes Verhalten. Der Film ist hervorragend inszeniert, großartige suggestive Musik und eine geradezu betäubende Optik. Er ist nichts für Freunde von saftigen Splattereffekten und man muss sich auf das Tempo des Films einlassen.
Wenn man dies tut, belohnt einen der Film mit großartigen Darstellern (Rufus Sewell und Emmanuelle Beart, deren Mund und Lippen allerdings aussieht, als hätte sie in ein Wespennest gebissen) und einer hypnotischen Bilderwelt, die einen an "Apocalypse Now" oder "Wenn die Gondeln Trauer tragen" erinnert. Die Kinder, die Jeanne und Paul treffen, erinnern an "Who can kill a child?" und die Konsequenz, mit der v. a. Jeanne bei ihrer Suche agiert, an "Spurlos", den grandiosen Entführungsthriller von George Sluizer.
"Vinyan" (der Name von Geistern, die, da sie ruhelos gestorben sind, nun von Menschen zur Geisterwelt geführt werden müssen) ist für mich einer der gelungensten Albträume der letzten Zeit, ein Trip in ein Reich zwischen Leben und Tot, der auch Erlösung, aber eben auch Grausames bedeuten kann. Trotz einiger Drehbuchschwächen sehr empfehlenswert. Ein Thrillerhorrorarthousedrama, dass irgendwie funktioniert (und ich mag die Beart sonst gar nicht!) und neugierig macht auf du Welzs nächste Filme.