Review
von Carbusters
Emanuelle Beart als weiße Göttin der (Kinder-) Kannibalen!
Auf diesen (GENIALEN !) Einfall müssen wir allerdings über 80 Minuten lang warten. Bis dahin bleiben wir alleingelassen mit der Mythologie des Regisseurs/Autors, vielleicht sogar mit der des Landes (Thailand), und sicher auch mit dem (breitgetretenen) Schmerz von Eltern, die ihr Kind verloren - aber ohne (mir) irgendetwas davon zu erklären. Müssen Eltern (Mütter) dann wie geistesgestört handeln? Sind in Thailand geschminkte Kindergeister üblich? Fühlt sich der Regisseur in der Fremde unbehaglich?
Ich hatte (über Längen) (wortwörtlich: LÄNGEN!) den Eindruck eines typisch französischen Kunstfilms (also herrscht eh schon Langweil-Alarm): Ehepaar in Lebenskrise, da kleiner Sohn gestorben, im Milieu untätiger superreicher Akademiker (Architekt/Altruismus-Pärchen), kaum Dialoge, doch trotzdem Sprachwirrwarr fern der Heimat.
Da Fabrice Du Welz (Regie/Buch) aber erst 1972 in die Postmoderne geboren wurde, lange nach der Nouvelle Vague, weiss er, dass sich damit kein internationaler Filmmarkthund mehr hinter dem Ofen vorlocken lässt. Also muss der Kunstquark in ein Psychohorror-Ambiente verpackt werden, mit einer gehörigen Prise Xenophobie* (Fremdenhass ist heute zum Glück wieder en vogue) und Urlaubs-/Trauminsel-Ambiente. Also verfrachtet er das Theater nach Thailand (dort sind lauter beunruhigend schnatternde Fremde, die's auf Dein Geld abgesehen haben [welch Überraschung], gammlige Armut und gleichzeitig Traumstrände, billiger Sex und Bootsfahrten über's Meer günstig zu haben).
Dieses Durcheinander, der typische Touristeneindruck eines fremden Landes, garniert er mit einem Durcheinander von (nervtötenden) Traumsequenzen (Traum oder auch nicht – unklar!), in denen bizarr geschminkte Neger-(Sorry: Thai-) Kinder rumstehen, bedrohlich gucken, Erwachsene steinigen, aufspießen und ausweiden. Am besten im dauernden Regen. Dazu grässliche (Monster-) Masken, gemeine (Thai-) Mafiagangster, Prostituierte und Transvestiten in einem Grand Guignol-artigen Kaleidoskop von Drogenrausch-Impressionen, die schon der DVD-Covertext mit „Apocalypse Now“ vergleicht.
Das Highlight (um die Kohle für das extrem aufwendige internationale Großprojekt zusammenzukratzen) ist natürlich die internationale Besetzung, d.h. Emanuelle Beart, die selbst als verwirrte, trauernde, zerzauste, angeschmutzte Mutter noch supersexy aussieht (siehe DVD-Cover) und der Engländer Rufus Sewell (dito für die typische Kunstkino-Besucherin). Die auch noch gute SchauspielerIn sind. Auch die Bilder lassen mich staunen – doch leider geht handlungsmäßig nichts weiter.
Schon der Anfang ließ mich den Kopf schütteln: ein unscharfer Videofilm, im Hintergrund ist ein kleiner Mensch von hinten (!) zu sehen, in einem roten T-Shirt. Für die Mutter ist klar (kreisch): „Das ist mein (verschollener) Sohn!“. Für mich ist klar: „Attraktiv, aber durchgeknallt. Die wird hinfort in jedem Kind ihr eigenes sehen.“
Mehr Quatsch folgt sogleich: Das Ehepaar erinnert sich an den Reisetipp der gutaussehenden Freundin, wie man zum Drehort des Videos kommt – doch statt die Freundin nach ihrem einheimischen (Mafia-) Reiseleiter zu fragen, rennen sie lieber selbst plan- und kopflos durch Bangkoks Nachtleben. Schließlich wollen Regie und Kamera endlos bunte Bilder des verruchten (Sextourismus-) Nachtlebens zeigen, in einer ermüdenden Sequenz. Ich war schon am Eindämmern, ehe die Filmreise überhaupt richtig begann.
Natürlich: wird das naive/reiche/verzweifelte Fremdenpaar mit dem Sack voll Geld gründlich abgezockt, verliert alle einheimische Begleiter, stolpert (ziellos! Welche Überraschung!) durch die Gegend (Dschungel!), verliert den restlichen Verstand (kein Wunder: nix zu essen, Dauerregen, fremde Umgebung, Alpträume, gegenseitige Entfremdung – wie in jedem Kunstfilm) und findet das Blag (dessen Schicksal mir zunehmend gestohlen bleiben konnte) nicht. Stattdessen wird mit dem (rationalistischen Verstandesmenschen-Architekten-) Ehemann gründlich aufgeräumt (denn sicher leiden die Kinder im Dschungel ziemlich unter Eiweißmangel, auch weil sie ihre Kohle für roten Lippenstift als Gesichtsschminke ausgeben, da bleibt ja nur Kannibalismus) und die (supersexy) Emanuelle wird die weiße Göttin der Kinderkannibalen, von denen sie erotisch stimuliert wird. „Super! Endlich!“ dachte ich mir – da war der Film aus.
* Fremdenfeindlichkeit (sorry, aber Fremdwort klingt besser)