Vorab: Ich bespreche hier die Teile 1 bis 5, da ich Teil 6 leider nicht gesehen habe.
Endlich, eine Dokumentation, die sich von der üblichen Variante der Kriegsberichterstattung hervorhebt. Nicht die persönliche oder parteiische Sichtweise soll hauptsächlich hervorgetan werden, sondern eine objektive Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung sämtlicher Konfliktparteien. Hierfür wurden nicht nur Interviews geführt, jedes Statement zum Handeln einer Person / Fraktion wird durch einen Bericht kurz eingeführt. Hier bedienen sich BBC / ORF in den weltweiten Archiven aller Pateien. So sieht man Material des ex-jugoslawischen, serbischen, kroatischen und slowenischen Fernsehens, aber auch das Archivmaterial der NATO / UNO, einzelner EU-Länder und der jugoslawischen militärischen Spionageabwehr.
Aber auch hier sei gesagt, dass eine subjektive Berichterstattung nicht immer eingehalten wird. So werden z.B. Statements einzelner Personen (OmU) falsch übersetzt. Aus "nationale Plattform" wird dann schnell "nationalistische Plattform", aus einer sinngemäßen Übersetzung "wir werden den Rat überzeugen" wird "wir werden dem Rat unseren Stempel aufdrücken".
Auch im eigentlichen Bericht werden Gegebenheiten gerne auf "West-Orientierung" getrimmt. Der Titoismus, der alles andere als der Maoismus oder Stalinismus ist, wird ebenfalls zu einem totalitären System geformt. Dabei wird aber nicht erwähnt, dass es auch ein Privateigentum (neben Staatseigentum), ordentliche Gerichte, Reise- und Pressefreiheit gab. Schließlich war Ex-Jugoslawien ein beliebter Reiseort auch für viele Deutsche und Briten und was die "Unterdrückung / Kontrolle" von nationalen Bewegungen / der Bürger angeht, so kann sich wohl kein Land dieser Welt von der "Kontrolle seiner Bürger" freisprechen. Sei es nun Großbritannien im Irlandkonflikt, Spanien und das Baskenland, Frankreich und Korsika, die USA samt CIA und NSA oder der BND.
Dennoch kann diese Doku-Erfahrung mit großer Nüchternheit betrachtet werden. Jede interviewte Person berichtet vom eigenen Standpunkt aus über die eigenen Beweggründe und Ansichten. Jede Partei wird gehört. Letztendlich kann sich der Zuschauer so eine eigene Meinung bilden und wird nicht gezwungen, einer Ansicht zu folgen. Besonders erschreckend ist, dass viel zu oft die betroffenen Menschen (das gemeine Volk) keine Ahnung hatten, was überhaupt los ist. So auch der Bericht eines "slowenisch-jugoslawischen" Soldaten, der kurzfristig zur Reserve der JNA (Jugoslawische Volksarmee) eingezogen wurde. Während der kurzen Krise zwischen Slowenien und Jugoslawien, nachdem der slowenische Minister im Volksrat die Unabhängigkeit seiner Republik verlautbart hat, marschierte das jugoslawische Militär in Slowenien ein. Die Teilrepublik musste schnell eine "eigene Armee" aufstellen. Der Slowene liegt im Schützengraben und wird vom slowenischen Fernsehen gefragt, ob er die Situation, in der er sich befindet, kennt. Seine Antwort (sinngemäß): "Jugoslawien wird von einem mir nicht bekannten Gegner angegriffen, wir müssen unser Vaterland verteidigen."
Dies ist nur ein Beispiel, wie sich die landeigenen Propaganda-Systeme ihren Nutzen aus der Not zogen.
Wesentlich liegt der Reiz in dieser Doku unter anderem auch in der Form des Filmens. Schritt für Schritt wird der Prozess bis zum Bürgerkrieg und dem Dayton-Abkommen dargelegt. Wie Personen die Not des Volkes und Konflikte genutzt haben, um an die Macht zu kommen. Weshalb die Menschen einem "Diktator" folgten, warum sie ihre eigenen "Brüder" bekriegten (und ja, dass Verwandte sich an der Front gegenüberstanden gehörte nicht zur Seltenheit) und wie der "alte Hass" wieder auf's Neue entflammte. Gerade die Einbringung sämtlichen Archiv-Materials mit der Aussage der jeweiligen Partei, lassen dem Zuschauer viel Raum für eigene Gedankengänge. Und Gedanken sollte man sich auch machen, denn das alles passierte direkt "vor unserer Haustür". Lediglich Österreich trennte Deutschland von Ex-Jugoslawien.
Des weiteren eröffnet die Reihe einen neuen Blickwinkel. Gut und Böse sind, wie es in der Realität nun mal ist, nicht mehr getrennt. Man kann nicht einer Person, einer Partei, einem Volk, einem Land die Schuld geben. Trefflich wird gezeigt, wie auch z.B. die USA oder Deutschland ihren Teil zum Krieg beigetragen haben. Wie Franjo Tudjman (Kroatien) und Alija Izetbegovic (muslimisch-Bosnien) gemeinsame Sache mit Slobodan Milosevic (Serbien) machten und die "Wunschgrenzen" ihrer neuen Nationen mit dem Blut ihres eigenen Volkes auf Landkarten einzeichneten. Diese Ereignisse und Bilder werfen automatisch die Frage auf, was die wirklichen Ambitionen von Rugova und den Kosovo-Albanern sind?!
Um ein Resümee zu ziehen: Diese Dokumentations-Serie ist aktueller, als man denken will. Lediglich die Protagonisten müssten ausgetauscht werden und man hat eine umfassende Beschreibung der Weltgeschichte, von der Vergangenheit bis in die Zukunft. Wenn ich etwas aus der Doku gelernt habe, dann ist es das, dass die Menschheit NICHTS aus ihrer Geschichte gelernt hat.
Wer Politik- oder Geschichtsinteresse hat, wird diese Dokumentation geradezu verschlingen. Wer an Zeitgeschichte und Berichten der nahen Umgebung interessiert ist, sollte sich die Reihe ebenfalls ansehen. Selbst Menschen ohne ein besonderes Interesse, werden diese Serie zumindest als Wissens-Bereicherung und spannende Unterhaltung sehen. Ich kann daher gar nicht anders: 10/10 Punkten.