Xenia, Ohio. Ein Tornado legt die Kleinstadt im April 1974 in Schutt und Asche und hinterlässt Verwüstung, Depression und Desillusion. Als das Städtchen aufgebaut ist, geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Jugendlichen vertreiben sich die Zeit mit Rumhängen, Klebstoffschnüffeln und dem Foltern von Katzen…
„Peanut Butter, Motherfucker!“
GUMMO ist das Spielfilmdebüt des Ausnahmetalents Harmony Korine (TRASH HUMPERS, SPRING BREAKERS, Co-Drehbuchautor von KIDS), ein Kerl mehr Aktionskünstler als Filmemacher, der u.a. für das „Sonic Youth“-Musikvideo „Sunday“ mit Macaulay Culkin und dessen damaliger Freundin verantwortlich war. Seine Filme (leider gibt es bislang nicht sonderlich viele) zeichneten sich meist aus durch das Fehlen jeglicher Handlung und die Symbolträchtigkeit einzelner Szenen.
GUMMO erscheint im Gewand eines nihilistischen, gott- und freudlosen Portraits der Generation X im Stile von KIDS, KEN PARK, MYSTERIOUS SKIN, BUFFALO 66, BROWN BUNNY und SLACKER. Zeitlich eingebettet in das Szenario nach dem Wirbelsturm 1974, wirkt das Gezeigte doch relativ zeitlos, also auch auf die blasierte Gegenwart übertragbar. Geschildert wird das Leben mehrerer Heranwachsender, das hauptsächlich aus Langeweile, Rassismus, einem Mangel an Bildung und Inzest-Liebe zu bestehen scheint. Ein Junge in einem Hasenkostüm spuckt von einer Autobahnbrücke aus auf vorbeifahrende Autos. Zwei unterbelichtete Hinterwäldler sammeln tote Katzen ein und verkaufen sie dem örtlichen Pfandleiher. Gespräche über Elternmord und Pädophilie. Alte VHS-Aufnahmen von toten Hunden auf Strommasten und verwesenden Katzen. Die Skinhead-Brüder. Die Anstalt für Geisteskranke – der perfekte Ort um heiße Bräute aufzureißen...
Sehr schnell wird klar, GUMMO will keine Geschichte erzählen, nichts und niemanden portraitieren und auch nicht unbedingt eine Message loswerden. GUMMO will einzig und allein schockieren. Und ein ekelhaftes, widerwärtiges, degeneriertes Amerika zeichnen, das völlig desorientiert und degeneriert vor sich hin vegetiert. Und das gelingt ihm auch ganz gut. Aufstößig vor allem, dass sämtliche Perversitäten von Kindern und Jugendliche begangen werden: Kinder, die rauchen. Kinder mit Tätowierungen. Kinder, die zu Nutten gehen. Kinder, die Behinderte ficken. Kinder, die tote Katzen auspeitschen.
Vor die Kamera holte sich Regisseur Korine hauptsächlich Laien und Amateure. Auch er selbst ist in einer Szene völlig besoffen und emotional durch den Wind zu sehen. Dennoch enthält der Cast auch einen wirklichen Star, nämlich Chloe Sevigny, bekannt aus KIDS, BROWN BUNNY und MY SON MY SON WHAT HAVE YE DONE. Die Dame, die mittlerweile zu Model und Stilikone aufgestiegen ist, beweist hier viel Mut zur Hässlichkeit. Wasserstoffblonde Hillbilly-Frisur mit ebenfalls wasserstoffblondierten, fast unsichtbaren Augenbrauen – das ist White Trash der Superlative. Der ganze Film praktiziert oder erfindet eine Modelinie, die erst heutzutage als „Zef“, sprich: grelle, unkonventionelle Anti-Mode salonfähig und von Bands wie „Die Antwoord” und „Die Atzen” mit deren Vokuhilas und Undercuts propagiert wird.
Was in diesem Style-Holocaust aber die vielen toten Katzen zu bedeuten haben (Katzenkadaver – das neue Hippster-Accessoire?), bleibt fraglich.
Was man von diesem schönen Film lernen kann:
1. Xenia ist nicht nur eine Kriegerprinzessin auf RTL.
2. Marlene Dietrich hat sich die unteren zwei Rippenbögen entfernen lassen.
3. Harmony Korine hasst Katzen.
4. Adolf Hitler hatte nur einen Hoden.
“White Trash Get Down On Your Knees! It’s Time for Cake and Sodomy!”
– Marilyn Manson
Fazit:
Talking Bout My Degeneration! Pseudointellektueller Nihilismus-Overkill mit vielen toten Katzen und einem Anti-Style jenseits von Gut und Böse. Ganz, ganz ekelhafter Kunstfilm, den man eigentlich nur hassen oder lieben kann.