Henriette und Louise sind zwei Waisen, die in einem katholischen Heim leben. Sie sind scheinbar auf Hilfe anderer angewiesen, da sie blind sind, doch eigentlich sind sie Vampire, die nur tagsüber nichts sehen, nachts jedoch durchaus. Damit greift Rollin noch einmal eines seiner Lieblingsthemen auf, wie schon in besseren Streifen sind es die jungen Vampirmädchen, die zwischen unschuldig und blutdurstig ihr Dasein fristen. Das ist mit der üblichen Melodramatik festgehalten, schwer haben es Henriette und Louise in der modernen Welt. Bis auf zwei kurze Szenen hochgeschlossen präsentieren sich die jungen Damen, an blutigen Szenen gibt es auch nichts Nennenswertes. Damit mutet "Vampire" fast schon brav bis bieder an, wären da nicht die unterhaltsamen Ideen der beiden Vampirswaisen. Die haben offensichtlich den Schalk im Nacken, wenn sie sich auf ihre Streifzüge begeben, unbeschwert und mit der Illusion, über den Menschen zu stehen. Sie sehen sich sogar als göttliche Reinkarnationen vergangener Kulturen, was der Naivität der beiden ebenso entspricht, wie der des Filmes. Die schelmische Freude der beiden Vampire ist ihnen vergönnt, bei soviel unterhaltsamer Hinterlist, um sich von einem wohlhabenden Arzt adoptieren zu lassen. Allerdings verheddert sich Rollin in seinen selbst geschriebenen Dialogen, die tragend sind und mal theatralisch und mal langweilig daherkommen. Zwischendurch lässt das Drehbuch die beiden auf andere Kreaturen der Nacht stossen, was nicht viel Sinn macht und nur für Trashfans taugt. Insgesamt ist die Vorstellung ziemlich dünn und zusammengewürfelt, keine Spur von Jean Rollins alten Klassikern wie "Pestizide" oder "Living Dead Girl". Hier wird das Übersinnliche mit platten Stilmitteln in die Neuzeit verfrachtet, ständig gibt es plumpe Blaufilter (um die nächtliche Sichtweise zu simulieren), in den schlimmsten Fällen sind die als stümperhafte Verläufe sichtbar. Mit der Atmosphäre ist es daher auch nicht weit her, denn außer Heimlichtuerei zweier Waisenkinder hat dieser Film kaum wirkliche Höhepunkte. Wenn sich Henriette und Louise zum ersten Mal in ihrem Leben eine Flasche Schnaps einsaugen ist das nur für den kleinen Grinser zwischendurch gut, wie der fast kindliche Plan, ihren Ziehvater umzubringen. Sich als Notbehelf gegenseitig zu beissen ist zumindest unterhaltsam als neuer Aspekt im Vampirgenre, der gewise Pep bleibt jedoch in diesem ruhigen Streifen aus. Das Ende ist zumindest nicht nur theatralisch, sondern bietet auch herzzerreissende Melodramatik für den Romantikliebhaber. Insgesamt ist dieser schwache Film Jean Rollins von ständiger Pseudopoesie geprägt, die schon fast an manche Jess Franco-Streifen erinnert, nur nicht ganz so simpel wie der unerreichte Meister des platten Schundes. Freunde von extravaganten Visualisierungen vom Vampirinnenthema sollten besser auf den vier Jahre später gedrehten "Draculas Braut" ausweichen.
Fazit: Gute Ideen wurden in diesem Spätwerk Rollins wenig schmackhaft umgesetzt. Nur für eingefleischte Fans von Jean Rollin, Jess Franco, usw. 4/10 Punkten