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Ey Alta!
Dass der deutsche Film eher ein Sorgenkind der Kultur ist, weiß wohl jeder, der sich schon mal eine RTL-Produktion angesehen hat. Deutsche Regisseure trauen sich offenbar zu wenig und kopieren lieber wahllos aus amerikanischen Filmen, um sich mit falschen Federn zu schmücken. Egal ob es nun Katastrophen- ("Vulkan"), Horror- ("Gonger") oder Liebesfilme ("Erdbeereis mit Liebe") sind. Heute hat sich mal jemand am Genre des Bandenfilms versucht, der besonders in den USA der 50er so große Erfolge feierte, dass auch bald der handelsübliche Deutsche mit Lederjacke und Moped rumwanderte. Und hier wären wir dann auch bei "Gangs".

Eine richtige Geschichte bei "Gangs" gibt es eigentlich nicht. Der junge Flo gehört zur Bande "Rox" und verdient sich seinen Respekt damit, cool mit seinen Leuten durch die Straßen Berlins zu ziehen. Ihr Markenzeichen: Lederjacken mit aufgeklebtem Logo. Geil.
Das Filmchen beginnt mit einem Monolog von eben jenem Flo, der auf hohem Niveau über das Leben philosophiert. "Manchmal passiert lange Zeit gar nichts... und dann alles aufeinmal." Sein Bruder Chris, ein nicht minder harter Hund, wird heute aus dem Knast entlassen. Die "Rox" feiern dies mit gröhlen und saufen.

Zeitgleich bekommen wir die junge Sophie präsentiert, eine talentierte Ballett-Tänzerin. Über Umwege treffen sie und Flo aufeinander, und erste, dank Drehbuch peinliche Funken fliegen durch die Luft. Wenig später lernen wir die Gegnergang kennen: 78. Ich hab mir den Namen nicht ausgedacht. Die bestehen nun aus kleinen, fiesen Asiaten. Es kommt zum Clinch, da sich beide Gangs nicht riechen können, doch Flo hat bei der Konfrontation im Bus einen kessen Spruch parat: "Seit wann darfst denn du schon Bus fahren? Ohne Mami?"
Brüller.

Nächste nennenswerte Szene: Die Begegnung mit den Kings Berlins, üble Leute mit Namen "Die Killers". Der Türke der Rox, ein gewisser Rambo, beschreibt diese Burschen auf den Punkt gebracht: "Die haben schon mal jemanden umgebracht!" Wie auch immer, die Killers sind weiß gekleidete, blonde Typen mit Kampfsport-Kenntnissen, die Gangmitglied Chris nach seiner Entlassung gleich wieder Stress machen. "Ich will mein Geld!" Im Endeffekt handelt es sich um 30.000 €. Sonst landet Chris in der nächsten Leichenhalle. Dieser nimmt es sich zu Herzen und beschließt das einzig richtige: Überfall auf Geldtransporter.

Das geht aber mächtig daneben, da die Leute von der Bank ja nun nicht doof sind und in den Geldkoffern Farbpatronen verstaut haben. Das Ende vom Lied: Die ganzen Euronen sind farbenfroh. Flo hat eine tolle Idee (die ich schon wieder vergessen habe), wodurch das Geld nachher wie Papier aussieht. Der Boss der Killers sieht das gar nicht gerne und will seinen Zaster nun morgen sehen, ansonsten Kopf ab, Chris tot. Schmollbacke Chris nötigt seinen Bruder nun dazu, sich mal bei dessen neuer Freundin Sophie im Haus nach Wertsachen umzusehen, da die eine reiche Mutter hat. Flo zögert, willigt aber ein.

Irgendwie hat Chris daraufhin ein schlechtes Gewissen und nimmt die Perlenketten (wie kreativ) nicht an, die Flo gemopst hat. Stattdesen packt er sich eine Pistole ein und geht auf eigene Faust zu den Killers. Nachher wird er blutig aus einem Wagen vor die Stammdönerbude Flo's geworfen und kommt sofort ins Krankenhaus. Die Ärzte stellen ziemlich viel fest, auch, dass der alte Chris noch lange nicht über den Berg ist. Flo rauft sich nun mit der Gegnergang 78 zusammen, um gemeinsam den Killers entgegenzutreten. Krass Alta.

"Gangs" bieten ein Höchstmaß an allem, oder will es zumindest. Knackige Motorradszenen flimmern über den Bildschirm. Da wird cool über Bürgersteige geschreddert, über fremde Autos gesprungen, Kunststückchen werden aufgeführt. Die Härte der Rox macht sich größenteils daraus bemerkt, dass die Knaben einfach nur Lederjacken tragen. Was sie gemacht haben, dass sie so "cool" sind weiß keiner, nur Chris ist halt dank Drogen hinter Gittern gelandet. Die Bande 78 ist wohl groß rausgekommen wegen ihres komischen Modegeschmacks, und die Killers sind halt die Killers. Die haben einen umgebracht!

Hier finden sich sämtliche Versatzstücke des typischen Gangalltags. Eben erwähnte Mopeds, der Killerhund, die unerfüllbare Geldaufforderung, das Mädchen, das alles durcheinander bringt. Dazu noch eine Portion Humor, der dann aber doch zu oft in die "Deine Mudda!"-Abteilung abrutscht, gleichzeitig aber auch seltsam zahm bleibt. Fiese Klischees werden auch nicht ausgelassen, sei es nun die strenge Mutter, die ihren Traum durch die Tochter lebt, oder der Boss der Killers, der betont ruhig und gefährlich Chris ins Ohr flüstert, dass er ihn mag und dass es schade um ihn wäre.

Die Rollenverteilung ist hierbei merkwürdig. Die Charaktere von Flo und Chris sind dick aufgetragen. Auf der einen Seite der sentimentale Flo, der für seinen Bruder jeden Tag den Sonnenuntergang fotografiert hat (?), auf der anderen Seite der dauerhaft angekotzte Chris, dessen Lieblingsbeschäftigung schmollend rumzukeifen zu sein scheint. Dass die beiden Ochsenknechte Jimmi Blue und WIlson Gonsalez (Aaargh, diese bescheuerten Namen!) schlecht in ihren Rollen sind, war abzusehen. Besonders Jim scheint immerzu von irgendeiner Tafel abzulesen, und auf Dauer nervt Wilson mit seinem angepissten Gesichtsausdruck, den er zur Freude aller den ganzen Film über auch nicht wechselt.

Zudem sprechen die beiden einwandfreies hochdeutsch. Dabei wäre es besser gekommen, hätten die beiden schön berlinerisch gequatscht, dann wäre eine Menge Atmosphäre hinzugekommen, aber so nicht. Besonders Gonsalez spricht so penetrant jedes Wort korrekt aus, dass man denkt, es ginge um sein Leben. Statt "Dat is' doch doll." wird penibel und betont langsam "Das ist doch toll." gesagt. Als gebürtiger Berliner fällt es mir auch schwer, die Gangs ernst zu nehmen, da ich zumindest sowas noch nie gesehen hab auf den Straßen. Weder gelederte Rocker, noch aufgestylte Asiaten, und schon gar keine weiß gekleideten Mafiabosse.

Am Ende ist "Gangs" der aufrichtige Versuch, den Bandenfilm in Deutschland wieder auferstehen zu lassen, doch dazu reichen einfach keine pseudocoolen, total peinlichen Gangs aus. Zwar ist alles handwerklich in Ordnung, doch schaltet der Film manchmal auf Zeitlupe um, und es ist nicht grade atemberaubend, wenn Jimmi Blue auch noch verlangsamt um die Häuser zieht.
Für das nächste mal wäre es vielleicht ganz gut, wenn alle Beteiligten am Film mal tatsächlich die richtigen Banden Berlins einen Besuch abstatten, denn dort wären schmollende Teenies mit süßen Lederjacken Frischfleisch. Also nächstens ein bisschen weniger Märchen, und ein bisschen mehr Realismus.

Fazit


Geleckte Gangs bekriegen sich. Die Zielgruppe für solch einen Film zu finden wird schwierig, doch letztlich werden sich schon vorpupertäre Mädchen ins Kino verirrt haben, denn Jimmi Blue ist ja so ein süßer Bursche.

3/10




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