Hatter gut gemacht, unser Tom Tykwer. Er baut Spannung auf, ohne auf Action oder schnelle Schnitte zu setzen. Eine tödliche Bedrohung wird praktisch sofort gegenwärtig. Dabei ist wichtiger, was nicht gezeigt wird und was nicht gesagt wird. Eine intelligente Geschichte, mit einer weltweit agierenden, finsteren Macht. Da gegen eine Zusammenarbeit zwischen amerikanischen Behörden und Interpol. Schauplätze in New York, Berlin, Instanbul, Italien und Luxemburg. Ein internationaler Film, aber gedreht - kaum zu glauben - hauptsächlich in Deutschland und in den Babelsberg-Studios.
Clive Owen hat ein markantes, abgenutztes Gesicht, selbst wenn sich dort keinerlei Mimik einstellt. Er hat auch eine akzentuierte Aussprache mit einem netten Nord-England-Akzent. Die fällt allerdings in der langweiligen Stimme des deutschen Synchronsprechers weg. Der Rest der Crew ist gut besetzt, aber nicht auffällig. Der deutsche Akzent einiger Schauspieler fällt im Original etwas unangenehm auf, die Italiener und Franzosen können komischerweise besser englisch. Aber für Armin Mueller-Stahl ist das wohl inzwischen ein Markenzeichen.
Die Story ist komplex und entblößt sich erst nach und nach in Dialogen, die insgesamt viel Raum bekommen. Die Widersacher des Bankenimperiums sterben wie die Fliegen, andere werden mundtot gemacht. Ein aussichtsloser Kampf für zwei Interpolagenten praktisch ohne Befugnisse. Gerade daraus entwickelt sich ein pointiertes Katz-und-Maus-Spiel.
An sich ist das alles gut gemacht. An einer Stelle wird eine zweite Patronenhülse platziert, ohne das wir vorher wissen warum. Das wirkt gestellt. Gleich danach marschiert unser Mann in ein von flüchtenden Menschen wimmelndes Hotel, dreht sich einmal um und erkennt sofort einen Mann mit einer Tasche als den Killer. Eigenartig. Eine Agentin wird überfahren von einem Auto, das gerade aus einer Parklücke herausrollt, und sie bleibt einfach stehen und lässt sich überfahren. Öh, ja, klar. Die Verfolgung des Autos übernimmt wieder unser Mann - zu Fuß. Und da das Auto im Kreis fährt und dann vor einer roten Ampel stehen bleibt, gelingt ihm das auch. Dann werden ungefähr 1000 Schuss aus Maschinenpistolen abgegeben, aber keiner trifft unseren Helden, obwohl er ungefähr einen Kilometer im Kugelhagel rumrennt. Es sind solche Entgleisungen, die den Film runterziehen. Der Spannungsbogen bricht zusammen und selbst der größte Krimifan rollt mit den Augen. (Aber nur kurz!)
Die Architektur ist atemberaubend! Gebäude, die mich an frühe James Bond-Pappmaschee-Superhäuser erinnern, aber in diesem Fall echte Bauwerke sind. Whow! Das Science Center in Wolfsburg wird umgewandelt zum abstoßenden Beton-Mega-Ferienhaus am See, das "die bösen Waffenhändler" darstellen soll. Die Autostadt selbst wird zur riesigen, unmenschliche Glass-Burg, die "die böse Bank" darstellt. Das fängt in der ersten Szene an mit der Glasfassade des Berliner Hauptbahnhofs, dann die National Galerie, der Interpol-Zentrale in Lyon, der komplette Nachbau des Guggenheim Museums - das ist alles schwer beeindruckend. Visuell kann man solche Aufnahmen bestenfalls mit Metropolis oder Aeon Flux (die ebenfalls beide in Babelsberg gedreht wurden) vergleichen. Gewaltig!
Das kommt besonders gut raus auf Blu-Ray und gerade dafür wird auch sonst grafisch geklotzt: Große Städte aus der Vogelperspektive, liebevoll ausgestattete Büros in der Totalen, ruhige Bilder mit Gehalt. Dazu die erwähnte Architektur. Für mich einer der beeindruckendsten Filme auf Blu-Ray.
Trotz aller Krittelei ein spannender Action-Streifen, nachvollziehbare Kritik am Bankenwesen, überwältigende Kameraführung mit ästhetischen Bildern, gute Schauspieler. Europäisches Action-Kino in Bestform.