Filmadaptionen der lovecraftschen Werke sind zumeist ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Lovecrafts albtraumhafte Geschichten um den Cthulhu Mythos zeichnen sich nicht gerade durch sorgfältige Charakterzeichnungen oder komplexe Handlungsstränge aus, sondern vielmehr durch ihre unvergleichliche Atmosphäre, welche wiederum dem einzigartigen Sprachgebrauch des Autors geschuldet ist. Umso weniger scheint Lovecrafts Literatur für filmische Umsetzungen geeignet, da selbst die empfehlenswerten Verfilmungen nur ansatzweise die poetische und morbide Stimmung der Literaturvorlage transportieren und überdies in ihrer Wirkungsintensität dem geschriebenen Wort nur selten gerecht werden.
Lässt man einmal die dreisten Versuche diverser Produktionen außen vor, welche mit Lovecrafts Namen im Filmtitel Aufmerksamkeit zu erregen suchen, obwohl inhaltlich kein oder kaum Zusammenhang mit dem Original besteht (ein Schicksal, welches Lovecraft leider mit vielen anderen Autoren wie Bram Stoker oder E.A. Poe teilt), bleiben im Mainstream Bereich gar nur wenige Filme übrig, bei deren Entstehung die Verantwortlichen zumindest darum bemüht waren, dem Geist der Vorlage gerecht zu werden und so eine zumindest akzeptable, da respektvolle Huldigung Lovecrafts abzuliefern.
Richtet man als Suchender seinen Blick jedoch auf eher obskure Randbereiche des Amateur- und Independentfilms, so findet man bisweilen wahre Perlen unter den (inzwischen durchaus zahlreichen) Homagen kreativer Filmschaffender an Meister Lovecraft. Vom Stummfilm im Retrolook bis hin zu experimentellen Kurzfilmen ist in diesem Bereich einiges geboten und wird dem interessierten Publikum - etwa durch das amerikanische Label Lurker Films - seit geraumer Zeit auch in Form von liebevoll gestalteten DVD Kompilationen zugänglich gemacht
Schließlich gibt es aber noch eine weitere Kategorie von Filmen, welche für diejenigen, die dem Thema Lovecraft im Film zugeneigt sind, ebenfalls äußerst interessant sein dürften. Die Rede ist von Genrefilmen, welche sich inhaltlich zwar weder auf eine bestimmte Vorlage Lovecrafts stützen, noch eigennützig mit dem Namen des Literaten werben, sich stilistisch, ästhetisch oder thematisch jedoch mit den entsprechenden Motiven und Wirkungsweisen auseinandersetzen und so die jeweilige Produktion dann eben doch in unmittelbare Nähe der lovecraftschen Tradition rücken. Zu dieser Kategorie zählt auch der Kurzfilm "AM1200" von Regisseur David Prior.
Eine detailierte (aber für einen unmittelbaren Vergleich mit Priors Film notwendige) Auseinandersetzung mit den Topoi in Lovecrafts Werken, sowie des Sprachgebrauchs und der Schreibtechnik des Schriftstellers würde den Rahmen einer Filmbesprechung sprengen. Daher soll im nachfolgenden Review "AM1200" vielmehr als authentisches Werk betrachtet werden, das hinsichtlich seiner Wirkung entsprechende Referenzen überhaupt nicht nötig hat.
Priors Film kommt mit einer Minimalbesetzung an Schauspielern aus, da sich die Handlung wesentlich um das Schicksal eines einsamen Protagonisten dreht, der sich bereits zu Beginn in einer Krisensituation befindet und im weiteren Verlauf in die ausweglose Lage einer existentiellen Bedrohung gerät. Der Geschäftsmann Jonah Henry befindet sich auf der Flucht vor seiner Vergangenheit, vor dem Hintergrund einer jüngst von ihm begangenen Wirtschaftsstraftat. Im emotionalen Ausnahmezustand fährt Henry kreuz und quer durch die nächtliche Landschaft, bis ihn ein mysteriöses Radiosignal zu einer isoliert stehenden, scheinbar verlassenen Radiostation führt. Dort lauert eine unheimliche und unersättliche Macht auf ihn, welche alle Grenzen des menschlichen Verstandes sprengt.
Der Lovecraft Connaiseur wird in diesem Abriss zweifelsohne eine typische Struktur lovecraftscher Erzählungen erkennen. Mit unspektakulären, gar schlichten Mitteln, aber handwerklich äußerst professionell, erzeugt Prior in "AM1200" eine sich kontinuierlich steigernde Spannung bis hin zum grauenhaften Ende. Dabei steht vielmehr der überzeugend inszenierte psychische Verfall des Protagonisten im Vordergrund, als wirkungstechnisch kurzlebige, plakative Gewaltdarstellungen.
Auch verzichtet Prior darauf, die Hintergründe der albtraumhaften Bedrohung zu erklären, was seine Geschichte ebenfalls in die Tradition der Mythos-Erzählungen Lovecrafts stellt, welche allenfalls durch bloße Andeutungen ein wenig den Vorhang des kosmischen Grauens zur Seite schieben, anstatt ihn zu lüften. Das Mysteriöse bleibt für den Zuschauer unfassbar und unbegreiflich. Dennoch gewährt "AM1200" dem Zuschauer gegen Ende einen Blick auf das "Andere" und sieht auch nicht von einer durchaus drastischen Darstellung ab, welche die Bösartigkeit und scheins unersättliche Gefrässigkeit des unheimlichen Wesens sehr anschaulich macht.
Am Ende verspürt der Zuschauer ein vergleichbares Hungergefühl, ja geradezu eine Gier auf das künftige Schaffen des Regisseurs, verbunden mit durchaus hochgesteckten Erwartungen und dem Wunsch auf eine ordentlich budgetierte Produktion in Spielfilmlänge. Eine bessere Empfehlung kann man für einen Film kaum aussprechen. (9/10 Tentakeln)