Slayers, das Spiel der Spiele
Die Zukunft ist ein moralisch degenerierter Moloch aus Schmutz, Sex und Gewalt in dem selten die Sonne scheint, der Durchschnittsbürger nur in gewalttätiger Unterhaltung Befriedigung findet und generell alles um ein hundertfaches schlimmer ist als in der Gegenwart. Allzu bekannte menschlichen Verfehlungen werden bis zum Exzess gesteigert und bessere technische Möglichkeiten ausschließlich dazu genutzt degenerierte Spiele alla „Running Man“ zu entwickeln und auf ein begeistertes, mundtotes Publikum loszulassen um damit Millionen zu scheffeln. Willkommen in der Zukunft. Oder besser gesagt: Willkommen in jener Zukunft, die sich Regisseure, Drehbuchautoren und Produzenten in Hollywood schon seit Jahrzehnten erträumen. Willkommen in der Welt von „Rollerball“, „The Condemned“, „Death Race“ und Konsorten.
Willkommen in „Gamer“.
Gerard Butler, der schon als König Leonidas „300“ Recken in eine aussichtslose Schlacht führen und seine Muskeln spielen lassen durfte, befindet sich auch in „Gamer“ in einer hoffnungslosen Situation. Als Teilnehmer eines Life-Action-Spieles mit dem Titel Slayers, das privilegierten Spielern volle Kontrolle über einen zum Tode verurteilten Schwerverbrecher bietet, muss er 30 blutrünstige Kämpfe überstehen, um sich die Freiheit erkaufen zu können. Der 17jährige Simon (Logan Lerman aus „3:10 to Yuma“) steuert seinen Avatar Kable (Gerard Butler) in brutalen Straßenschlachten, nach dem Capture-The-Flag-Prinzip, angefeuert von Millionen zahlenden Zuschauern aus allen Ecken und Enden der Welt, von einem Sieg zum nächsten. Entwickelt hat dieses Spiel und sein Vorgängermodel Society - eine Art wirkliches Sims, in dem sich nahezu alles darum dreht, realen Personen Gewalt anzutun, sich von der Couch aus an sexuellen Ausschweifungen zu erfreuen und generell jede erdenkliche Perversion auszuleben, die man sich vorstellen kann - der Milliardär Ken Castle (Michael C. Hall aus der TV-Serie „Dexter“). Dieser ist alles andere als erfreut über Kables Siegesserie und versucht mit allen Mitteln zu verhindern, dass dieser auch sein dreißigstes Match gewinnt.
Diese nicht unbedingt neue, aber vielversprechende Ausgangssituation hat, gepaart mit einem sensationellen Trailer und dem Wissen, dass es sich bei den Machern von „Gamer“ um jene kranken Gehirne handelt, die die Welt schon mit „Crank“ und „Crank 2“ beglückt haben, zu einer relativ hohen Erwartungshaltung an den Film geführt. Leider kann „Gamer“ - so viel sei vorweg genommen - diese Erwartungshaltung nicht im Geringsten erfüllen.
Was sind also jene Kritikpunkte, die mich in „Gamer“ eine der größten Kino-Enttäuschungen seit langem sehen lassen? Nichts auf der Actionseite, soviel steht fest. Von Beginn an zeigen Mark Neveldine und Brian Taylor Gerard Butler in seinem mehr als nur stylischen Kampfanzug von einer Schlacht zur nächsten hetzen und überschlagen sich fast mit aufmerksamkeitsheischenden Zeitlupenszenen und bedeutungsschwangerer Phrasendrescherei. Der pulstreibende Score im Hintergrund trägt sein übriges dazu bei, dass man sich mit einem Lächeln im Gesicht, wohlig im Kinosessel zurückzulehnen beginnt. Leider - und das sei somit der erste Kritikpunkt - verwechseln Mark und Brian, wie so viele ihrer Kollegen aus dem Actionfach, spastisch zuckende Kameras und Schnittstakkatos mit konsequentem Spannungsaufbau und übergangslose Szenenwechsel mit überraschender Story. Dieses Manko ist man, als actionversierter Kinobesucher aber bereits einigermaßen gewohnt und sieht somit gerne darüber hinweg.
Auch der Bodycount und der Gore-Wert können sich durchaus sehen lassen und sind vor allem in einem Mainstream-Actioner überraschend exzessiv eingesetzt. An dieser Stelle muss ich jedoch zugeben, dass sowohl die plastische und dunkle Farbgebung als auch das digitale Blut und die im Allgemeinen doch sehr übertriebenen Effekteinsätze mehr als nur ein Fünkchen (verharmlosendes) Comic- und Computerspielflair aufkommen lassen. Das wiederum ist jedoch relativ leicht, als von den Machern geplantes Stilmittel abzutun. An der Actionfront gibt es folglich wenig bis gar nichts (was man nicht schon nach Genuss des Trailers erwarten konnte) zu bemängeln.
Leider bleiben in diesem Actionumfeld alle - und ich meine wirklich alle - Charaktere auf der Strecke. Es wird keine einzige der mannigfaltig vorhandenen Nebenfiguren mehr als nur am Rande eingeführt, geschweige denn, dass man sich bei der Hauptfigur um mehr als seinen Army-Background bemühen würde. John Leguizamo („The Happening“, „Land of the Dead“) wird als stammelnde Nebenfigur sprichwörtlich verheizt und sowohl Logan Lerman als Simon, aus dessen Figur man ohne weiteres weit mehr herausholen hätte können, Milo Ventimiglia, als Vergewaltiger und Amber Valletta, als Kables Frau in den Fängen des Society-Spiels geht es nicht besser. Sie wirken wie reiner Eye-Candy und enttäuschen vor allem deshalb so dermaßen, weil sie weit unter ihren Möglichkeiten bleiben müssen. Abgesehen von der nicht vorhandenen Figureneinführung und Figurenentwicklung gibt es als Draufgabe noch völlig unklare Figurenaktionen und deftige Handlungssprünge.
In „Gamer“ wird ganz offensichtlich versucht, etliche verschiedene Handlungsstränge in 90 Minuten Film zu pressen ohne auch nur an der Oberfläche der angerissenen Probleme, Ideen oder Figuren kratzen zu wollen. Lose Storyfäden, unausgereifte Figurenzeichnungen, überflüssige Spielereien und nicht nachvollziehbare Figurenentwicklungen sind somit allgegenwärtig. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass hier zwanghaft und ohne Erfolg versucht wurde, mehrere Filme in Einen zu zwängen. In einem Internetkommentar hat ein IMDB-User meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen. Drei Filme in Einem heißt es dort, als Grund für eine äußerst positive Review. Ich würde diese Aussage eher als höchst negativ werten. Denn aus welchem Grund, sollte man drei Filme in einen Einzigen pressen, wenn man es nicht einmal schafft, eine der drei Geschichten konsequent zu Ende zu erzählen. Nach „Crank“ und „Crank 2“ darf man sich von „Gamer“ natürlich keinen neuen „Blade Runner“ erwarten, aber zumindest eine actionreiche, spannende UND wenigstens partiell stringente Story ist nicht zu viel verlangt.
„Gamer“ ist für mich des Weiteren ein Film der verschenkten Möglichkeiten und Ideen, den man als schlauer Produzent zu drei verschiedenen Filmen ausschlachten könnte. Die gute Idee der degenerierten, aber nicht unrealistischen Programme Society und Slayers wird nur am Rande angerissen und von einem Hollywood-Ende, das es sich denkbar einfach macht und viele Fragen offen lässt, komplett ins Nichtige gezogen.
Fazit
„Gamer“ ist im Prinzip eine Weiterführung jener Idee, die bereits in „Running Man“, „Death Race“ und ähnlichen Produktionen angedacht worden ist, leidet aber unter vielen Mängeln, die diese Produktionen nicht aufgewiesen haben.
Der Film ist storytechnisch platt, unzusammenhängend, zu schnell geschnitten und bietet nicht mehr, als eine durchschnittliche Aneinanderreihung von (teilweise) brutalen Actionsequenzen, mit unausgereiften Charakteren, vielen losen Enden und einem zuckersüßen Hollywoodfinish.
Die innovative Grundidee, die - im Großen und Ganzen - flüssige Umsetzung, die tolle Optik und der coole Soundtrack hängen somit leider lose in der Luft und reichen nur zu einer Nummernrevue.
Alles in allem ist „Gamer“ eine herbe Enttäuschung, die etwas wie ein filmischer Schnellschuss wirkt.
Nachsatz
Hektische Kameraschwenks und Schnitte erzeugen noch keine Spannung meine lieben Herren Neveldine und Taylor.