*** Der Text enthält Spoiler ***
In Harry Potters sechstem Jahr in Hogwarts greift der von Voldemort verbreitete Schrecken weiter um sich. Um den Kampf gegen den dunklen Lord erfolgreich bestreiten zu können, lernt Harry mit Dumbledores Hilfe einiges über Tom Riddles und somit Voldemorts Vergangenheit und was es mit den von diesem angefertigten Horkruxen auf sich hat. Zu alledem wurde Harrys dauernder Widersacher Draco Malfoy mit einer tödlichen Aufgabe betraut...
Jetzt geht es so richtig abwärts. Dabei wird es sogar besser. Denn im sechsten Jahr häufen sich die Katastrophen langsam an, sowohl von außen (der Schatten Voldemorts) wie von innen (Herzschmerz hier und da), gehen Freunde verloren und bricht die gewohnte Welt ein Stück weit auseinander. Und das Ganze ergießt sich dann in einen richtig guten Film.
Regisseur David Yates konnte sich hier merklich bessern, wobei ihm aber auch die äußeren Gegebenheiten in die Karten spielen. Die Vorlage ist um einiges kürzer als „Der Orden de Phönix“ und recht charakterbasiert, was seinem Stil sicherlich entgegenkam. Weiterhin hat der „Halbblut-Prinz“ eine knappe Viertelstunde mehr Laufzeit spendiert bekommen. Trotzdem soll es seine Leistung nicht schmälern, dass er mit seiner ersten Fortsetzung einfach einen besseren Film abgeliefert hat als zuvor.
Auf der Position für's Drehbuch gab es eine erfreuliche Änderung, hat diese doch wieder Steven Kloves inne, der auch schon für Teil 1 bis 4 das Skript verfasste. Seine Rückkehr macht sich positiv bemerkbar und ergibt eine stringentere Inszenierungsvorlage. Dabei muss wieder viel unter einen Hut gebracht werden: es geht um die Horkruxe, allerlei Charakterentwicklung, Liebe und Vergangenheit. Kloves scheint für den Potter-Kosmos das bessere Händchen zu haben als sein Vorgänger Goldenberg.
Und doch kann man sich auch hier natürlich wieder über die Veränderungen im Vergleich zur Buchvorlage mokieren, wobei das Ergebnis diesmal doch merklich stimmiger ausgefallen ist. Trotzdem dürfte für Nichtkenner der Vorlage fraglich sein, was es mit dem titelgebenden Halbblut-Prinzen auf sich hat. Dass am Schluss noch schnell von Snape enthüllt wird, dass er dieser eine ist, besitzt für die Geschichte eigentlich keine Relevanz und wird somit einfach zu Kenntnis genommen. Was dahintersteckt bleibt im Dunkeln, man musste es wohl noch unterbringen. Weiterhin schade, dass Dumbledores Vergangenheit nicht weiter beleuchtet wird oder seine Beerdigung ausgespart wurde. Dafür findet sich im Film direkt nach seinem Tod eine bewegend inszenierte Szene, die zugleich auch zeigt, wie man mit wichtigen Figuren umgehen kann – im Gegensatz zu Sirius' Ableben in „Der Orden des Phönix“. Vom Schulbetrieb merkt man dann leider auch nichts mehr - wo sollte man ihn allerdings auch noch unterbringen? Alles wird überschattet von der über allem schwebenden Gefahr.
Auch der Kampf in Hogwarts zwischen den Todessern und den Schülern bleibt aus, überhaupt ist der „Halbblut-Prinz“ im Vergleich zu seinen Vorgängern recht actionarm ausgefallen. Störend fällt das jedoch nicht auf, denn der Schwerpunkt liegt hier auf den Figuren, die mehr Raum zur Entwicklung erhalten und insbesondere über Voldemort erfährt man ein paar Dinge aus seiner Vergangenheit. Die Rückblenden mithilfe des Denkariums sind dabei überaus ansprechend visualisiert worden.
Das tut der Reihe gut, hat man zwar jedes Jahr die Charaktere etwas ausgebaut, doch das meist nebenbei. Der „Halbblut-Prinz“ holt hier Luft, baut ein Fundament für das Finale und stellt erzählerisch eine Steigerung zum Vorgänger dar. Somit hat man hier zwar wieder das Gefühl, dass es sich um einen „Vorbereitungsfilm“ handelt, allerdings mit dramaturgischer Relevanz. Dazu gesellt sich noch allerlei Teenie-Liebesgeplänkel, welches aber in einer solch einer coming of age Story einfach dazu gehört und glücklicherweise so dosiert ist, dass es nicht ausufert oder in Kitsch ersäuft.
Was man gemeinhin unter einem Showdown verstehen würde gibt es hier nicht, jedoch funktioniert der „Halbblut-Prinz“ auf einer anderen Ebene und so ist das Dreiergespann Höhle, Mord und Epilog am Ende sättigender als die effektvolle, aber kurze Szenerie im Ministerium am Ende von „Der Orden des Phönix“.
Darstellerisch gibt es hier nichts zu meckern. Außer natürlich, dass manche Charaktere wieder nur einen Kurzauftritt haben. Dafür spielt die Mannschaft durch die Bank hervorragend. Der prominenteste Neuzugang Jim Broadbent als Horace Slughorn überzeugt, Helena Bonham Carter hat als Bellatrix Lestrange das Overacting aus ihrem kurzem Auftritt im Vorgänger etwas runtergeschraubt. Mehr Platz eingeräumt als sonst wird hier insbesondere den Charakteren Ron, mit dem es auch wieder das letztens vermisste Qudditch zu sehen gibt, Draco Malfoy, der an seinem sinistren Auftrag zu zerbrechen droht und Professor Snape, wie immer kongenial verkörpert von Alan Rickman.
Hinter der Kamera gab es den obligatorischen Wechsel; für die Bilder war Bruno Delbonnel zuständig und serviert in einer dunklen und stark reduzierten Farbpalette ansprechende Bilder. Nicholas Hooper war wie zuvor schon wieder für die musiklische Untermalung verantwortlich und bietet einige hörenswerte Stücke, zieht bei Dumbledores Tod („Dumbledores Farewell“) nochmal richtig an und liefert insgesamt einen zufriedenstellenden, abwechslungsreichen Soundtrack ab. Über die Effekte und die Sets kann man kaum was Schlechtes sagen, wenn sich auch bisweilen eine gewisse Künstlichkeit einstellt – jedoch ist dies auch der Bebilderung an sich geschuldet, die oftmals mit Verfremdungen arbeitet und stellenweise surreal wirkt.
Insgesamt ist der „Halbblut-Prinz“ besser als sein direkter Vorgänger, gibt seinen Charakteren mehr Raum und erzählt die interessantere Geschichte. Der Schluss deutet an, wohin die Reise geht und dass man auf's (zweigeteilte) Finale zusteuert. So wird hier dramatisch aufgebaut, wenn auch wieder nicht frei von Ungereimtheiten, im Gesamten jedoch verpackt in einen actionarmen, aber atmosphärisch und inhaltlich dichten sowie dramatischen Beitrag zur Serie.