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Da haben wir mit Frank Darabont endlich wieder einen klassischen Geschichtenerzähler, der die immer schneller gewordenen Filmkonventionen Hollywoods einfach ignoriert, sich Zeit nimmt und das Tempo selbst bestimmt - und keiner will es sehen. “The Majestic” floppte an der Kinokasse gnadenlos - eine Sache, die traurig stimmt, wenn man dann das rein erzählerisch nach “Die Verurteilten” und “The Green Mile” einmal mehr grandiose Endresultat sieht.

Dabei hat Darabont diesmal sogar eine Huldigung an dasjenige verarbeitet, das er selbst zelebriert: Großes Kino. “Das soll Unterhaltung sein?”, schimpft Martin Landaus Charakter Harry Trimble, als er sich über Fernsehgeräte auslässt, die in den Fünfziger Jahren amerikanische Haushalte erreichten. “Wo sind denn die Leute?”
Wo ist die Magie?
Es ist nun keine von allen äußeren Einflüssen abgetrennte Huldigung an das Kino, die Darabont in seinem Film verarbeitet - vielmehr wird Hollywood in seiner reaktionären Funktion auf gesellschaftliche Umstände präsentiert. Der Film als emotionale Verarbeitung realer Tatsachen. Wir befinden uns in den Fünfzigern, mitten in der McCarthy-Ära, der Hochphase des amerikanischen Antikommunismus, welcher im Film am Ende als Widerspruch dargestellt wird - als Widerspruch zu dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Freiheit, auch was religiöse oder politische Überzeugungen betrifft.

Narrativ handelt es sich bei “The Majestic” also um ein duales Gebilde - auf der einen Seite wird die politische Situation gezeigt, auf der anderen Seite die Welt des Films. Das Ziel ist zu demonstrieren, wie beide Elemente aufeinander einwirken; und was die Magie einer Kinovorführung bei den Menschen auswirken kann, die im normalen Leben vielleicht viele Probleme haben mögen. Es wäre eine Magie des Vergessens und des Eintauchens in eine Welt aus schillerndem Farbenspiel... sofern den Filmschaffenden keine Steine in den Weg gelegt werden.
Dies war bekanntlich in der McCarthy-Ära der Fall, und dieser Umstand wird folglich auch im Film gezeigt. So ist Hauptfigur Peter Appleton (Jim Carrey) ein junger, ergo noch unbeeinflusster Drehbuchautor kurz vor seinem großen Sprung. Ohne besondere politische Ambitionen ausgestattet, will er einfach nur mit seinen Drehbüchern Erfolge feiern. Sofern es sich um belanglose Abenteuerfilme wie “Sand Pirates of the Sahara” handelt (ganz nebenbei mit einem grandios aufspielenden Zweigespann in Form von Bruce Campbell und Cliff Curtis, die den “Film im Film” zu einer herrlichen Reise in die Filmgeschichte machen), ist das auch kein Problem; aber sobald es um anspruchsvolleres Material geht, so wie Appletons zweiter Streich “Ashes to Ashes”, könnte zwischen den Zeilen auch kommunistische Propaganda verborgen sein. Just vor dem großen Durchbruch findet also jemand Appletons Namen auf der Liste einer kommunistischen Vereinigung, und schon steht der aufstrebende Jungautor vor einem Scherbenhaufen, vor einer zerplatzten Seifenblase. Er ist als Kommunist gezeichnet, weil er als junger Kerl einer hübschen Frau hinterhergelaufen ist, die ihn in diese Vereinigung geschleppt hat.

Das raffinierte und auf den ersten Blick vom Drehbuch her unharmonische Moment ist die etwas seltsame Akteaufteilung, die nun folgt, nachdem wir Appletons Wandel vom Hollywood-Aufsteiger zum Gezeichneten miterlebt haben. Anstatt nämlich nun ganz konventionell den üblichen Verlauf weiterzustricken, Appleton sofort gegen sein Schicksal kämpfen zu lassen und den Plot im Stil eines Gerichtsdramas auslaufen zu lassen, bricht Darabont abrupt mit der ganzen Situation und schickt seinen Hauptdarsteller in eine andere Welt, lässt ihn sozusagen wiedergeboren werden. Das Mittel, dessen er sich hierzu bedient - ein Autounfall mit anschließendem Gedächtnisverlust - riecht leider sehr nach Mittel zum Zweck, aber zugunsten der ansprechenden Idee muss man darüber hinwegsehen.
Die Idee ist nun folgende: Indem Appleton nahe einer kleinen, abgeschlossenen Ortschaft strandet und dort plötzlich für einen verschollenen Kriegshelden namens Luke gehalten wird, werden alle Auswüchse der McCarthy-Ära, die in diesem Ort nicht greift, beiseite geschoben. Diese Kleinstadt wird zu einem Symbol für die Vergangenheit, der nun für Luke gehaltene Appleton seinerseits zum Symbol der Menschen für die Zeit, bevor Amerika seine Freiheit verlor, wie hier veranschaulicht wird.
Für diesen Mittelteil nimmt sich Darabont nun fast die Dauer eines eigenständigen Films Zeit. Es handelt sich um einen mehr oder minder autarken Exkurs, und für die gesamte Dauer werden jegliche aktuellen politischen Bezüge, die sich zur gleichen Zeit in Hollywood ergeben, beiseite geschoben. Mag man nun das Vergessen der ursprünglichen Handlungsstränge als Kritikpunkt anbringen können, so entfaltet die Kleinstadtepisode doch nur dadurch ihre Wirkung - auch wenn das Drehbuch den Zuschauer durch diese Abgeschiedenheit auf eine harte Probe stellt und es am Ende schwer wird, den ursprünglichen Handlungsstrang aus dem ersten Teil wieder aufzugreifen, um die Geschichte zu beenden.

Die Menschen der Ortschaft werden zu einem Exempel dessen, was der Freiheitsgedanke bewirken kann. Dass ein verschollener Sohn der Stadt, der seinerzeit für Ehre und Freiheit selbstlos in den Krieg gezogen ist, vermeintlich wieder zurückgekehrt ist, gibt den Menschen Hoffnung und neue Kraft - und für diesen Gewinn sehen sie auch über Fragen hinweg, die sich auftäten, würde man Lukes plötzliches Erscheinen kritisch unter die Lupe nehmen.
Im sinnbildlichen Mittelpunkt der Ortschaft steht nun natürlich das ehemalige Prunkstück der Gemeinde, das “Majestic” - ein altmodischer Kinopalast mit riesiger Empfangshalle, Prunk, Zierde und einem großen Vorführsaal, dessen Leinwand von einem roten Vorhang verdeckt wird. Der durch Lukes Auftauchen herrschende Optimismus schlägt sich schlussendlich darin nieder, dass das “Majestic” mit Herzensaufwand wieder restauriert und neu eröffnet wird. Und so wird nun die Magie des Kinos wieder ins Spiel gebracht. Tatsächlich strahlt das Kino dank der sensiblen Inszenierung und der herrlichen Kulisse eine Pracht und Würde aus, welche die Intention des Filmes unmissverständlich klar macht. Die Minuten vor der Premiere wirken magisch und zeigen das Kino so, wie es sein sollte - unbeeinflusst von äußeren Kräften und für sich selbst sprechend. Hier geht die “Ode” an das Kino über die McCarthy-Ära hinaus und erreicht selbst die heutige Zeit, in welcher der Film und seine Präsentation aus anderen Gründen oftmals verfälscht bleibt.

Das zwischenmenschliche Konstrukt rund um Peter / Luke und seinen Vater (Martin Landau) sowie vor allem seiner Freundin (Laurie Holden) interessiert zwar zunächst aus intentionaler Sicht eher wenig, trägt aber mit dazu bei, dass die Kleinstadtepisode auch über eine längere Laufzeit funktioniert. Durch die Gedächtnisverlust-Problematik ergeben sich durchaus zwischenmenschliche Spannungen und gar einige romatische Momente zwischen Carrey und Holden. Insgesamt gelingt es Darabont nach seinen bisherigen Regiearbeiten wieder, seinen überlangen Film niemals lang erscheinen zu lassen, sondern vielmehr so, dass die Stunden wie Minuten vergehen. In Sachen Narration versteht der ursprüngliche Drehbuchautor sein Handwerk meisterhaft. Das müssen selbst Kritiker des Films zugestehen, die sich vielmehr an logischen Problemen aufziehen müssen und können.

Als anderer Kritikpunkt galt die Besetzung für die Hauptrolle, und obwohl Carrey es grundsätzlich versteht, Peter Appleton Emotionen und Menschlichkeit zu verleihen, sind kritische Stimmen nicht ganz unangebracht. Carrey ist nun mal Komödiant von ganzem Herzen, für gewöhnlich ist er es gewohnt, Grimassen zu ziehen und improvisierend Witze aus der Tasche zu zaubern; eine Figur fern dieser “Ausraster” ist einfach nicht für Carrey geeignet - wenn schon Drama, dann im Stil von “Der Mondmann”, wo sich das Dramatische über eine schräge Figur ergibt, die Carrey auch überzeugend zu spielen imstande ist. Laurie Holden schlägt sich an seiner Seite dagegen sehr gut, wirkt ausgesprochen sympathisch und durch Drehbucheinfälle wie den Schluckauf vor allem sehr nahbar. Landau schlägt den Rest der Gilde locker durch seine Darstellung des blinden Glaubens an die Energie, die mit Luke zusammen zurückgekehrt ist. In seinem Gesicht spiegelt sich das Konzentrat der Gefühle der kompletten Stadt, wenn er etwa bei der Eröffnung des “Majestic” strahlt wie ein kleines Kind oder wenn er alleine bei der Planung vor lauter Tatendrang platzt. Daneben ist aber immer noch Platz für sympathische und individuelle Figuren bis hinein in die kleinsten Nebenrollen.

Der Umbruch zum letzten Akt ist nach dem Eintauchen in diese Welt mit all den menschlichen Verstrickungen erwartungsgemäß ein schwieriges Unterfangen und wird letztendlich zwar relativ dramatisch, aber doch äußerst klischeehaft zu Ende gebracht. Die Gerichtsverhandlung ist in ihrem Verlauf blauäugig und märchenhaft; alles ergibt plötzlich einen Sinn, alles passt ineinander, und zwar ohne bitteren Nachgeschmack. Besser funktioniert da die Kommunikation zwischen Peter und seiner Freundin, und hier macht dann erstmals die Beziehung zwischen beiden über die Grenzen des Mittelteils hinaus Sinn und ergibt eine Bedeutung für die Gesamtaussage. Das Gespräch auf dem Friedhof lässt tief in die amerikanischen Grundvorstellungen blicken, ohne dass man sich dabei in Pathos verlieren würde. Zwei in sich schlüssige Argumentationen treffen aufeinander und machen es für den unvoreingenommenen Zuschauer schwierig, sich für eine Seite zu entscheiden - entweder das Spiel mitspielen oder dagegen ankämpfen - beides Ansätze, die hier nachvollziehbar begründet werden. Selbstverständlich siegt am Ende die poetischere Variante, das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sich der Film ernsthaft mit den Themen Recht und Freiheit auseinandersetzt und sie nicht so oberflächlich behandelt, wie sie dann letztendlich leider aufgelöst werden.

Prolog und Epilog jedoch bringen auf den Punkt, was die eigentlich zentrale Aussage ist. Der Film kann ein Spiegelbild der Emotionen sein, die sich durch gesellschaftliche Umstände ergeben; er kann ein Zeugnis der Zeit sein, er kann die Menschen von seinen Problemen ablenken, indem er auf diese Probleme reagiert - aber dazu muss er von allen Fesseln befreit werden. Kino sollte ein Ereignis sein, das für sich selbst steht und von nichts und niemandem gelenkt wird außer von denen, die für den künstlerischen Aspekt zuständig sind. Am Beispiel des amerikanischen Antikommunismus der Fünfziger Jahre werden solche Fesseln veranschaulicht und gezeigt, wozu sie führen können; es müssen aber nicht unbedingt politische Dimensionen sein, die als Fesseln fungieren; es können auch religiöse, kommerzielle oder sonstige Einschränkungen sein.
Um diesen Kernthemenpunkt herum bietet “The Majestic” einen vielversprechenden Ansatz, indem Politik und Kino dual zueinander aufgebaut werden und ihre Wirkung aufeinander gezeigt wird. Damit wird gleichermaßen Hollywood einer Analyse unterzogen wie auch das Amerika der Fünfziger und seine Handhabung mit kulturellen Medien.
Das Vorhaben, diese Grundidee an einem symbolischen Kino namens “The Majestic” festzumachen und einen Drehbuchautoren mit Gedächtnisverlust in eine Kleinstadt zu verschiffen, um ihn dort zum Heilsbringer zu machen, ist mutig, aber auch gefährlich - und wer Zweifel an diesem Konzept hatte, den hat das Gefühl nicht betrogen. Michael Sloanes Drehbuch birgt viele logische Ungereimtheiten und selbstzweckhaft eingebaute Elemente um des zufriedenstellenden Ausgangs willen. Noch dazu ist die Hauptrolle mit einem Mann besetzt, der seine Sache nicht schlecht machen mag, dem aber wohl niemand wirklich zugetraut hat, den Anforderungen gerecht zu werden; fehlbesetzt wäre das falsche Wort, aber er war für das Einspiel sicher nicht förderlich.
Alle Defizite werden jedoch wettgemacht von der stilsicheren Inszenierung, der brillanten Erzählweise und nicht zuletzt durch die duale Struktur, die der ganzen Geschichte mehr Tiefe verleiht, als eines der Themen für sich alleine betrachtet je hätte erreichen können.
7.5/10

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