Review
von Leimbacher-Mario
Und es war Schönheit, die das Biest tötete
Der Durchbruch der Dietrich - „Der bBlaue Engel“ ist eine deutsche Filmlegende zwischen Tragik, Komik, Charakterstück, Literaturverfilmung und Expressionismus. In der Dramödie von 1930 (!) folgt ein alleinstehender und etwas pedantischer Professor seinen lausbubigen Gymnasiasten in eine verruchte und zwielichtige Hafenkneipe samt Showbühne. Dort erliegt er dem Charme der kessen Sängerin Lola und begibt sein Leben und sein Herz in ihre Hände…
Marlene Dietrich ist einer der größten und attraktivsten Filmstars, die je aus Deutschland kamen und die Welt eroberten. Und ihr Werdegang ging hier, in dieser rauchigen Kaschemme erst richtig los. Allein deswegen ist „Der Blaue Engel“ natürlich Pflichtprogramm. Ihr „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ist ikonisch und versprüht noch immer Magie, Sexappel und eine bizarr-naive Unschuld, trotz des Themas und Untertons. Ein einmaliger Kinomoment! Doch diese Ufa-Produktion hat noch mehr im Petto, was sie in den Filmolymp schießt. Emil Jannings spielt den zerzausten und zerflausten Professor auf dem Weg in den „liebevollen“ Untergang famos, auch wenn oder gerade weil man seine Stummfilmherkunft nie leugnen kann und der Film sich anfangs etwas heftig über ihn lustig macht. Es gibt expressionistisch-surreale Gassen und sogar eine „Nosferatu“-Hommage, ganz den damaligen deutschen Kinomomenten gewidmet. Das Hafen- und Kneipenflair ist spürbar und anrüchig. Die Dietrich ist noch etwas speckig, aber schon voller Charme und Starpotenzial. Von Sternbergs Lichtsetzung und Regie sind auf bestem Weg zur Meisterschaft. In seiner ersten Hälfte gibt’s viele Lacher, das Tempo ist enorm für seinen Jahrgang. Die zweite Hälfte bricht hart und herzlich, wird richtig düster und deprimierend, niederschmetternd und fast eher in Richtung eines „Freaks“. Charakterentwicklung und -zerstörung aller erster Kajüte. Poetisch und drastisch. Ohne Hoffnungsschimmer. Schwer anzugucken. Das schmerzhafteste „Kikiriki“ der Filmgeschichte?!
Fazit: magisch und tragisch - „Der Blaue Engel“ ist einer der ersten und besten Tonfilme Deutschlands. Mit einem erotischen Mythos und erstaunlich düsteren letzten Drittel. Famos!
P.S.: Gesehen habe ich die deutschsprachige Version, die ich als OV ansehe. Auf der Disc ist aber auch noch die gleichzeitig gedrehte Englischfassung.