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"Oh, man, you've been through the shitter."

"Hitchcock für Schweine" hat man De Palma bzw. sein Werk spätestens hiernach genannt, folgend dem vergleichsweise zahmen Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren (1981), aber dem schon offensiven und diesen Film hier vitalisierenden Dressed to Kill (1980) (“I started thinking about the whole idea of the body double. I wondered what I would do if I wanted to make sure to get somebody's attention, to have them looking at a certain place at a certain time."), und natürlich dem Gangsterepos Scarface nicht zu vergessen, was zwar außerhalb der bisherigen 'Komfortzone' lag, aber wie auch Body Double voll auf Konfrontationskurs ging. Dort durch das Milieu erklärbar, hier 'unentschuldbar', proaktiv, provokativ, (“If this one doesn't get an X, nothing I ever do is going to. This is going to be the most erotic and surprising and thrilling movie I know how to make...I'm going to give them everything they hate and more of it than they've ever seen. They think Scarface was violent? They think my other movies were erotic? Wait until they see Body Double."), Das Fenster zum Hof und Vertigo gleichzeitig im Update, im vollendeten 80er Jahre Sexploitation-Stil auch, stilistisch auch eine popkulturelle Referenz, auch wenn viel Substanz darunter liegt, die aber erst beim zweiten oder dritten und genauen Blick zu erkennen ist:

Der erfolglose Schauspieler Jake Scully [ Craig Wasson ] hat erst kürzlich wegen seiner Klaustrophobie die Hauptrolle in einem von Rubi [ Dennis Franz ] inszenierten Low Budget Horrorfilm verloren, zudem seine Lebensgefährtin bei der Heimkehr im Bett mit einem anderen Mann erwischt. Auf der Suche nach einer Bleibe lernt er Sam Bouchard [ Gregg Henry ] kennen, der sich seiner Sorgen annimmt, und der auch einen Housesitter für ein Heim in den Beverly Hills für die nächsten Wochen sucht. Zudem zeigt er ihm bei der Führung die Spezialität der Nachbarschaft, ist doch per Teleskop die Nachbarin Gloria Revelle [ Deborah Shelton ] bei einem erotischen Tanz und auch der Selbstbefriedigung zu erkennen, dieses 'Ritual' soll sie jeden Abend zu einer bestimmten Zeit machen. Am zweiten Abend bemerkt Jake allerdings einen zweiten Beobachter, der ihm bedrohlich vorkommt und tagsüber auch Gloria observiert. Er verfolgt beide. Nur wenig später steht er Detective Jim MacLean [ Guy Boyd ] wahlweise als Zeuge oder Täter eines Mordes gegenüber.

Ein Verwirrspiel wird geboten, ein Freund, ein Feind, ein Geschenk, die Planung etwas Bösen, wem kann man trauen, der eigenen Fantasie, den eigenen Augen, dazu selber eine ausgeprägte Phobie, die einen hemmt und begrenzt, die einen angreifbar bar macht und zuweilen auch entmächtigt und impotent. Voyeurismus in der reinsten Form als Entschädigung dafür, erst ein Bleiben für sich, dann das Abtauchen in die Unterwelt, in eine gänzlich andere Welt, vom Medium des Kinos und Fernsehens auch in die Musikszene, trotz erst festen Stützpunkt und Rückzugsort (mit phallischen Fernrohr) dann ein Hinaus- und Hinabziehen, ein Traum oder ein Albtraum, wenn überhaupt für bare Münze genommen, vieles weiß man erst hinterher, "Plots all around you." Wesentlich knalliger und bunter und exhibitionistischer als die vorherigen Thriller-Arbeiten, wesentlich lauter und zweideutiger, Neo-Noir, die Grenzen überschreitend zuweilen auch, später auch nicht mehr übertrumpft in der Hinsicht und auch nicht in anderen Weisen, ein Unikat für sich, etwas auch ein Gegenstück zu Ferraras Fear City - Manhattan 2 Uhr Nachts (1984) –, der in seinem Film typische De Palma Motive (die U-Bahn-Szenen) aufgreift und hier umgekehrt (Der Driller Killer - Der Bohrmaschinenkiller, 1979) und auch full frontal in seinem Schaffen geht. Viel zu entdecken demnach, sowohl für unseren 'schwachen' Helden, der gar nicht so richtig in die Zeit gehört, der zu weich wirkt, zu verkrampft und zu sozial-phobisch, der eher schizoide Züge zeigt, in sich gekehrt; der Film hier übrigens von der ehrwürdigen Columbia-Dame präsentiert, mit einem Film im Film beginnend natürlich, eine Rückführung auf längst vergangenes Grusel-Kintopp, die Angst erst gespielt, dann echt.

Das Blut entfließt dem Filmtitel, eine Kulisse wird gezeigt, Vergangenes mischt sich mit der Gegenwart, eine Traumwelt in den letzten Zügen, ein Darsteller am Ende seiner Kräfte, eine Niederlage hingenommen, die Karriere noch nicht richtig begonnen und schon am Ende, der Flurfunk wird schon dafür sorgen. Donaggio bespielt das wieder sanft, wie auch in den anderen Werken, dazu deutliche Rückprojektionen, auch speziell simpel gehalten, wie in die Fünfziger oder Sechzigern, ein altmodisches Filmemachen, eine Weichheit und ein Nachtrauern vergangener Zeiten hier geboten. De Palma, der ursprünglich der amerikanische Goddard werden wollte, dieses aber nie in seiner Natur lag, auch nicht in den Frühwerken, der trotzdem als führende Kraft mit des New Hollywood galt, variiert hier auch seine Obsession, er bleibt sich und seinem Schaffen treu, auch wenn es anders gelaufen ist als geplant, er hat sich angepasst an die Gegebenheiten, hat auf sein Inneres gehört, in den Achtzigern noch Schlag auf Schlag, Persönliches mit Erwartbaren mit Unerwartbaren gemischt. Auch hier folgt eine erste Enttäuschung einer zweiten, eine Überraschung, mit der man nicht gerechnet hat, die einen zusätzlich als Mann zerstört, eine Demütigung, eine Ahnungslosigkeit. Der Mann war früher Alkoholsüchtig, er war eine Weile trocken, jetzt nicht mehr, er braucht seinen Trost, eine Ausrede fürs Neubeginnen, für den Rückfall. Das Leben scheint verpfuscht, beruflich wie privat, die Nacht unruhig, ist man der Gesellschaft außen vor, eine psychologische Herangehensweise und Hilfe auch wird angeboten, Entspannungsübungen vor versammelter Mannschaft, Kindheitstrauma zu Bewältigen und Überwältigen gesucht. Der Mann ist komplett verspannt, eine Therapie wäre nötig, Ängste, die er seit der Kindheit mitgetragen hat, ein Agieren nicht möglich, kein Handeln machbar, vollkommene Katatonie, ein Festfrieren in der Starre. Eine dramatische Studie, ein Schauen in das Innere.

Eine unerwartete Hilfestellung, eine entfernte Bekanntschaft, ein Sehen von den Meets and Greets hier und da entpuppt sich als Stütze, als Beistand in der Not, als Sprachführer und aktiver Support, als Ausstatter für das Nötigste, als Rettungsring kurz vor dem Ertrinken, er stellt eine richtige Unterkunft bereit, ein großräumiger und gleichzeitig abgeschotteter, über den Dingen liegender Rückzugsort ist momentan das Wichtigste, es wird bereitgestellt und auf unbestimmte Zeit geboten. Erst ein Bewegen in der Filmgesellschaft, nicht aus der Sicht des Produzenten und Regisseurs, sondern aus der Perspektive der kleinen Nebendarsteller, die nebenbei Trainingsklassen besuchen, die sich mühsam über das Wasser halten, mit Parts hier und Parts da, mit Nebengigs; wie in Blow Out ein Wechsel des Blickwinkels, von oben herab auf die unteren Glieder, dort nach den Dreharbeiten zu den Technikern in den Schneideraum, hier während der Dreharbeiten zu den Schauspielern, De Palma versetzt sich in seine Figuren, seine Darsteller, dazu eine spezielle Überraschung. Fünf Wochen Zeit hat man mindestens einen Wohnort versprochen bekommen, eine überaus exklusive Stätte, "Man, what a setup.", ein riesiges Rondell voller Annehmlichkeiten, gemütlich eingerichtet auch, selbst der Zugang ist höchst speziell, auch das Interieur vom Feinsten, eine Traumstätte mitten in Hollywood, ein Lebensraum voller Perfektion; der einzige Auftrag: das Gießen der Pflanzen, ansonsten keinerlei Bedingungen. Der Fokus ist manchmal klar, manchmal unscharf, das eigene Gewissen und die Moral wird hinterfragt, das Eindringen in fremde Privat- und gar Intimsphäre, der Aufregung nicht widerstanden, der Neugier, den eigenen Erregungen; der Regisseur nimmt einen mit auf die Reise, er bleibt an Wasson kleben, es ist seine Geschichte, es ist seine Sichtweise, erste Merkwürdigkeiten kommen nach gut 25 Minuten.

Das Interesse wird geweckt, ein zweiter Beobachter, eine Verfolgung der unbekannten Frau entdeckt, dazu ein violenter Vorfall in ihrer Wohnung selber, es wird belauscht und observiert, in edlere Gegenden wird man hier geführt, Westküste statt Ostküste, ein frisches Terrain, ein anderes Gebiet. Die Kamera leitet den Zuschauer mal aus der Ferne, mal in der Distanz und in der Nähe, der dünne Grat zwischen Beobachter und Spanner und Stalker, mal einzeln, mal zu zweit, mal zu dritt im Bild. Man wird Zeuge mehrerer Verbrechen und eines grausamen Mordes – mehr in der Andeutung als dem tatsächlichen Gezeigten übrigens – , das Publikum und seine Identifikation kann nur zusehen, die Entfernung ist zu weit, jede Hilfe kommt zu spät. Die polizeilichen Ermittlungen helfen nicht, Schuldgefühle werden injiziert, zusätzlich auf den Scheiternden projiziert, dann die Umkehr des Filmes, von Low Budget Horror zu X-Rated ("I don't do animal acts. No S & M or any variations of that particular bent. No water sports, either. I won't shave my pussy. No fist-fucking and absolutely no coming in my face."), von Leine und Seide zu Lack und Leder.

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