Aus dem Progress-Film-Programm Nr. 27 von 1958 :Wenn's kalt ist draußen und der Wind heult, dass die Scheiben klirren, und der Schnee nur so über die Straße treibt, sitzt sich's gut zu Hause am Ofen, nicht wahr? Und wenn die Oma dann noch ein Märchen vorliest, fühlt man sich so recht wohl. So ging es auch dem kleinen Kai und seiner Freundin Gerda. Sie saßen eng beieinander auf der Bank am Ofen, und die Großmutter erzählte von der Schneekönigin.„Im hohen Norden wohnt sie, in einem Palast ganz aus Eis. Wenn es Winter wird, fliegt sie des Nachts durch die Städte und schaut zum Fenster hinein. Kalt wie Eis sind ihre Augen, und wen sie ansieht, dem dringt ein Eissplitter ins Auge und auch ins Herz. Dann wird das Herz kalt und fühlt nicht mehr Freude noch Leid." Gerda hörte ein wenig ängstlich zu. Kai aber lachte, stellte sich breitbeinig mitten ins Zimmer und prahlte: „Soll sie nur kommen! Auf den Ofen werde ich sie setzen!" Und hurtig lief er zum Fenster, um nach ihr Ausschau zu halten. Da sprang das Fenster auf und kalter Wind drang herein. Und plötzlich sah Kai die Schneekönigin. Da schrie er laut auf, denn ein Eissplitterchen war ihm ins Auge geflogen. Schnell eilte Gerda herbei, um ihn zu helfen. Doch er stieß sie fort; sein Herz war schon kalt und böse geworden.Von nun an wollte er nicht mehr mit ihr spielen und sie nicht einmal zum Rodeln mitnehmen. Als er es schließlich doch tat, zog er den Schlitten so schnell, das Gerda hinfiel und weinte. Aber sie war beileibe keine Heulsuse. Ihr werdet es selbst sehen. Die Schneekönigin nahm Kai nämlich in ihren fernen Eispalast, und da machte sich Gerda auf den Weg, um ihren Freund zu suchen. Das war nicht leicht. Sie musste über ein großes Wasser und gelangte zu einer Zauberin, die sie nicht mehr fortlassen wollte. Dann kam sie in ein Schloss, das gar nicht der Eispalast war, und wurde auch noch von Räubern überfallen. Aber weil sie sich ganz fest vorgenommen hatte, Kai zu finden, gelang es ihr endlich doch. Und wie gut, dass sie kam; denn Kais Herz war schon fast zu Eis geworden. Er spielte nur noch mit Eiskristallen und freute sich über gar nichts mehr. Beim Anblick der kleinen Gerda aber erinnerte er sich wieder an das Zwitschern der Vögel und den Duft der Blumen und all die lustigen Spiele. Und da taute sein Herz wieder auf. Als die Kinder nach Hause kamen, war auch der Schnee weggetaut und die Blumen blühten, und Kai war wieder ein fröhlicher, netter Junge. Ein bisschen fröhlicher sogar als die anderen. Denn er wusste ja, wie schrecklich es ist, ein kaltes Herz zu haben. Und er wusste nun auch, wie schön es ist, wenn man eine Freundin wie Gerda hat. Na, und Heulsuse sagte er natürlich nie mehr zu ihr.
Dörte Säckl
Die Schneekönigin
nach dem Märchen von H. Ch. Andersen
Drehbuch: G. Grebner, L. Atamanow, N. Eroman
Kamera: M. Drujan
Musik: L. Aiwasjan
Bildgestaltung: A. Winokurow, W. Schwarzman
Regie: L. Atamanow
Herstellung: Filmstudio „Sojusmultfilm" Moskau 1957
Dialog der deutschen Fassung: Margot Spielvogel
Regie: Thomas Ruttmann
Schnitt: Hildegard Zander
Ton: Heinz Baldin, Herbert Henke
Sprecher der Hauptrollen:
Ole Lukoie: Paul Lewitt
Schneekönigin: Maria Kühne
Großmutter: Bella Waldritter
Gerda: Heide Pfanne
Kai: Hartmut Warweitzki
Räubermädchen: Erika Trumpf
Deutsche Bearbeitung: VEB DEFA-Studio für Synchronisation
Ein sowjetischer Zeichentrickfilm im Verleih des VEB Progress Film-Vertrieb