Wer an diesen Film gerät, dürfte wohl mit dem Namen Ryan Nicholson bereits Bekanntschaft gemacht haben und dürfte jetzt nicht wie die Jungfrau zum Kind an den Film gekommen sein. Allen Unkenrufen zum Trotz haben mir seine Vorgängerfilme Live Feed und Gutterballs ganz gut gefallen. Also bin ich relativ unbeschwert, was negative Erwartungshaltungen betrifft, an den Film herangegangen und ... ja und.... muss leider sagen, dass er tatsächlich in meiner Filmwahrnehmung und mit meiner Geschmacksästhetik wirklich kein sehr unterhaltender Film ist/war. Da sind sicher Ansätze da, aaaaaaber...
Ich geh jetzt einfach mal die für mich wesentlichen Aspekte eines solchen Streifens durch.
1) Gewaltästhetik
Nichsolson macht (zum Glück) erst gar nicht den Versuch - oder wohl treffender ausgedrückt - Fehler, die Gewaltspirale noch mal hoch zu schrauben, was den an das Programm der Gewaltästhetik habitualisierten Filmseher eh nur langweilen würde. Irgendwann hat sich halt der geneigte Seher oder Gore/Splatter-etc.-Rezipient an die Gewalteskapaden und Gewaltexplosionen in eben solchen Filmen gewöhnt. Natürlich beinhaltet der Film seine Gewaltmomente, aber die sind weder besonders hart noch besonders stark gesät. Was man an Gewalt sieht, kennt man auch bereits irgendwie. Da haben wir insbesondere die natürlich viel diskutierte Abortionszene, aber das shocking moment, das durch die Gewalt an einer werdenden Mutter und ihrem Fötus entsteht/entstehen soll, ist filmnarrativ und filmevolutionär eigentlich durch, das hatten wir bei Man-Eater (und damals zu Recht schockierend), neuerdings bei Inside, ähnlich horrible-schlecht gemacht bei Antropophagus 2000, und auch im Popcornkino bei den Aliens, die ja in ihrem letzten fragwürdigen Auftritt auch nicht mehr vor hochschwangeren Frauen halt gemacht haben.
Der Rest ist - wie die Abortionszene -vor allem Gewalt gegenüber Frauen. Das ist natürlich schon immer beliebt im ganzen Splatter-Gore-Umfeld gewesen, weil die Gewalt gegen Schwächere, gegen Hilflose, gegen das Beschützenswerte (oder wie man es nennen will) immer schon für die shocking moments gut war (warum sich bei Gewalt gegen Frauen immer die Diskussion um Frauenfeindlichkeit bzw. Misogynie dreht, entzieht sich meinem Verständnis der genreinternen Narrationsaufbauarbeit). Also an der Gorefront nichts Neues. Und zudem sind die Effekte sogar für Herrn Nicholsons Verhältnisse nicht
überzeugend oder annähernd gut (und damit meine ich nicht nur, dass man die Akzeptanz mit bringen muss, dass Köpfe keine Schädel haben).
2) Trash Faktor/Weird Ideas
Nun könnte der Film mit einem gehörigen Trashfaktor punkten. In einem solchen Fall sind ja auch Effekte aus der untersten Schublade durchaus highly welcome. Aber auch hier punktet der Film nicht oder er versucht es erst gar nicht. Der Film hat einfach zu wenig skurrile Ideen und Momente. An gebrauchten Tampons lutschen und an eben diesen ersticken, bei einer Folter einem Mann ins Gesicht Pupsen und ihm stinkendes Vaginasekret ins Gesicht schmieren ist einfach nicht besonders einfallsreich - auch hier gilt, irgendwie alles schon einmal gesehen. Und auch die Dialoge sind nicht einfallsreich und/oder anarchisch und/oder subtil genug, um zumindest meinen Humor zu erreichen. Da bleibt die Referenzmarke an weird ideas und Fun-Gore weiterhin für mich beim good ol' Aroma du Troma und einigen Japloitation á la Tokyo Gore Police. Nichtsdestotrotz konnte ich, nachdem der Film sich ein wenig gesetzt hat, über das ein oder andere schmunzeln, also denn, zumindest nicht vollständig daneben....
3) Tabubruch
Ein wenig punkten kann Nicholson dann schließlich damit, dass er konsequent die Vermischung der Genres Porno mit Splatter/Thriller etc. weiter führt, die er mit Gutterballs angefangen hat. Für mich ist diese Verbindung sowieso längst überfällig. Hier hatten ja auch die Jungs von Troma nie den Schneid ihren überdimensional vertretenen Softcore zu explizieren. Und auch ein Tomomatsu hat sich mit seinem Eat the Schoolgirl nicht getraut, Hardcoreelemente einfließen zu lassen, was dem Film meines Erachtens insgesamt gut getan hätte. Hat Nichsolson in Gutterballs kurz auf einen Blowjob "drauf gehalten", aber noch nicht den Mut gehabt auf die weiblichen Geschlechtsorgane zu halten, hat er diesmal den Schneid dafür. Allerdings ist es in letzter Konsequenz dann doch für meinen Geschmack nicht konsequent genug. Gut, man sieht mal eine Vagina in Großaufnahme und mal da und dort eine Klitoris und auch männliche Penisse, aber um genreüberschreitend und damit tabuerweiternd zu wirken, fehlt dann doch die notwendige Hardcore Umsetzungskompetenz und auch das shocking Fetish-moment, wenn man einmal von einer eher unappetitlichen homosexuellen Vergewaltigung mit Fäkalspritz-Optik (Koprophile werden da aber auch nicht auf ihre Kosten kommen) absieht. Wenn man diesen Hardcore-Porno-Moment des Films nimmt, muss ich für mich festhalten, dass die z.B. Hardcoremomente in Caligula besser umgesetzt und ästhetischer waren - und dass trotz 70s hairy-Pussy-Action, was einfach gar nicht mein Fall ist - und die Fäkalien-ästhetische Umsetzung bei Salo widerwärtiger war (auch wenn dem ein oder anderem genug Kot vorkommen dürfte, ob am Penis wegspritzend oder in einen Mund reinspritzend). Hier hätte der Film sicher mehr punkten können, hätte er Gewaltexzesse konsequent mit harten BDSM-Fetischen verbunden, was er nicht tut.
4) Das Partyfeeling-Element
Jetzt könnte der Film noch mit dem allseits beliebten und gerne herbei geschworrenen Party people watching Element punkten. Dafür ist er aber schlicht und einfach zu langweilig, nicht skurril genug, zu erwartbar und zu wenig abgedreht. Lauter Entstellte und Freaks bringen nicht per se quasi gottgegeben einen guten Partyfilm zu Stande. Und auch ein fortgeschrittenes chemisches Ungleichgewicht im Kopf dank entsprechender Alkoholika dürfte den Film nicht (naja nicht zwingend) zu einem Beer-/Whisky-/Wodka-(Was-immer-man-trinkt)-Funevent machen, weil ganz einfach der Mitgröhlfaktor und der Speed im narrativen Aufbau fehlt. Zudem kommt natürlich dazu, dass ein Film, wenn er versucht Tabus zu brechen, indem er auf Ekel setzt, wie hier z.B. auf Fäkalieneffekte (die ungleich expliziter als und ohne zeitgleich ablaufende humoristische Elemente in Szene gesetzt werden wie z.B. in Poultrygeist oder Toxic Avenger 4) sich dann meistens schon für eine Vielzahl von Zusehern als Partyfilm disqualifiziert, aber das nur am Rande.
5) Narration
Die Story ist hier in anderen Kommentaren entsprechend dargestellt worden und damit setze ich sie einfach mal als bekannt voraus. Also kurz zu Punkten wie Storyaufbau, atmosphärischer Dichte, darstellerischer Brillanz (hahaha, die hat in einem solchen Film auch wirklich nichts zu suchen). Also, wie versprochen, kurz: Der Film dümpelt von gewollten Tabubruch zu gewollten Tabubruch ohne Highlight, ohne Finesse, ohne troma'schen Humor (da reicht es nicht Class of Nuke em High im Hintergrund von den Akteuren im Film anschauen zu lassen) und ohne irgendeine Atmosphäre, und, was für mich am schwersten wiegt, ohne Sympathie- oder Antipathieträger. Dass die Akteure allesamt keine Leinwand für Identifikationsprozesse sind/sein sollen, dürfte gewollt sein und wäre an sich auch eine gute Idee, nur sind die Anti-Irgendetwasse so belanglos und dümmlich und vor allem uninteressant, dass auch hier die Idee an der Umsetzung scheitert.
Es mag jetzt geklugscheißert rüberkommen - wenn man selber nicht im strukturellen, interaktiven, ressourcenumkämpften und politischen Umfeld des Filmemachens angesiedelt ist, sondern nur als Zuschauer inkludiert ist -, aber schaden würde es der jüngeren Generation an Filmemachern wie Herrn Nicholson, Herrn Adam Mason (z.B. Broken, Devils Chair), Herrn Franklin Guerrero (z.B. 8th Plague und Carver) und Co. nicht, wenn sie sich mal ein wenig mit narrativer Soziologie und narrativer Psychologie auseinandersetzen und sich mal Gedanken machen würden, wie eine gute Narration, also Story, in westlichen Gefilden aufgebaut sein sollte, um einen Flow, um Spannung, um Dichte, um Erlebnismomente und Thrill und ähnliches aufzubauen....Denn Ideen und Ansätze sind ja nun wirklich da, aaaaaaaaaaaber
Alles in allem werden diejenigen, die den Film sehen möchten sich genauso wenig wie ich von negativen Kritiken abschrecken lassen. Von daher viel Vergnügen oder Nicht-Vergnügen beim Ansehen. Was am Schluss bleibt ist die gewollte Polarisation durch Provokation, also hat doch geklappt Herr Nicholson, wir warten auf den nächsten Streifen, und ich bin auch wieder in der ersten Reihe mit dabei!!! Warum oder Wozu??? Kann ich nicht sagen, wird aber passieren, einfach weil wenigstens der Good Will, was anderes auf irgend eine Art auszuprobieren doch irgendwie belohnt werden muss.
Also für den Versuch, mal die Genres zusammen zu bringen, gibt es 4 Punkte. Und prinzipiell könnte ich mir vorstellen, dass der Herr noch Potenzial hat. Er bräuchte noch nen Kumpel fürs Drehbuch und ein wenig mehr Geld und dann könnte Herr Nicholson eigentlich durchstarten - wir sind gespannt.....