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Erich Kästner schrieb seinen Roman "Drei Männer im Schnee" während seines von den Nationalsozialisten verhängten Berufsverbots, weshalb dieser 1934 zuerst in der Schweiz veröffentlicht wurde. Eventuelle Bezüge zur damaligen gesellschaftspolitischen Realität in Deutschland sind trotzdem nicht zu erkennen, denn Kästner konzentrierte sich auf eine originelle Konstellation, die später noch mehrfach Drehbuchautoren beschäftigen sollte - der Tausch eines armen mit einem reichen Mann und die Reaktion ihrer Umgebung auf diese Verwechslung.

Soziologisch handelt es sich um ein interessantes Thema, denn es entlarvt die Behauptung als Lüge, dass man sich bei seinem Urteil auf seinen Verstand verlassen könnte. Gerade Hoteldirektor Kühne (Hans Olden) und Portier Polter (Fritz Imhoff) bilden sich viel auf ihre Menschenkenntnisse ein, weshalb ihre Reaktion bei drei neuen Gästen in ihrem mondänen Wintersport-Hotel sehr unterschiedlich ausfällt. Während der wohlhabende Johann Kesselhut (Günther Lüders) wie jeder solvente Gast behandelt wird, ist das bei Dr. Fritz Hagedorn (Claus Biederstädt) und Herrn Schulze (Paul Dahlke) ganz anders. Die Beiden hatten den Hotelaufenthalt bei einem Preisausschreiben der Schlüter-Werke gewonnen und passen nicht in die übrige Gesellschaft, weshalb sie sich auch weder Ski zu fahren noch teure Restaurantaufenthalte leisten können.

Allerdings gab es vor deren Ankunft einen geheimnisvollen Anruf im Hotel, der darauf hinwies, dass es sich bei einem der beiden Herren, die ein Preisausschreiben gewonnen hatten, um den Millionär Geheimrat Schlüter handeln soll, was für reichlich Aufregung sorgt. Da Herr Hagedorn einen seriösen Eindruck macht, bekommt er prompt eine Suite zur Verfügung gestellt, während Herr Schulze in die unbeheizte Besenkammer muss, weil man den armen Schlucker möglichst schnell wieder loswerden will. Natürlich spricht sich die Geschichte vom heimlichen Millionär schnell herum, was auch gewisse Damen auf den Plan ruft, die nach einem geeigneten Ehemann suchen. Doch sie unterliegen alle einem Irrtum, denn tatsächlich ist der ärmliche Herr Schulze der echte Millionär. Und Herr Kesselhut ist dessen Diener, der auf diese Weise ein bisschen auf ihn aufpassen soll.

Erich Kästner und Regisseur Kurt Hoffmann, der mit „Das fliegende Klassenzimmer“ schon ein Jahr zuvor einen Kästner-Roman verfilmt hatte und auch diesmal um eine werkgetreue Umsetzung bemüht war, befriedigen mit dieser Geschichte emotionale Grundbedürfnisse. Mit freudiger Gelassenheit kann der Betrachter dabei zusehen, wie dem vermeintlich armen Schlucker das Leben schwer gemacht wird, während der anständige, aber arme Typ aus dem Volke, der Anfang der 50er Jahre als Arbeitsloser noch der Mutter auf der Tasche liegt (und sich dafür angemessen schämt), von den arroganten Hotelleitern verwöhnt wird. Über die reichen, nicht mehr ganz jungen zickigen Frauen, die sich zwecks Wohlstandserhaltung mit allen Mitteln dem vermeintlichen Millionär an den Hals schmeißen, lässt es sich ebenfalls leicht lästern, während sich der so Begehrte in ein anständiges junges Mädel verliebt (Nicole Heesters), ohne zu Wissen, dass diese die Tochter des echten Millionärs ist.

Keine Frage, "Drei Männer im Schnee" ist die Umsetzung eines Wunschtraums, aber die Story macht es sich zu leicht und bedient nur klischeehafte Ressentiments, ohne das kritische Potential, dass diese Konstellation bietet, dafür zu nutzen, einen zwar humorvollen, aber auch entlarvenden Blick auf die Auswirkungen plötzlichen Reichtums bzw. Armut zu zeigen. Paul Dahlke als Geheimrat verliert auch bei den größten Erniedrigungen nie seine Souveränität. Sein Selbstbewusstsein ist offensichtlich so stabil, dass weder ein ungeheiztes Zimmer, noch die skandalöse Verpflichtung, unentgeltlich Eis fegen zu müssen, seiner Laune schadet. Zudem wirkt diese Form der erzwungenen Arbeitsrekrutierung eines zahlenden, wenn auch vermeintlich armen Gastes stark übertrieben und soll den Betrachter zusätzlich gegen die Hotelleitung einnehmen. Hätten sie ihn loswerden wollen, hätte ein einfacher Rausschmiss genügt, aber an einer realistischen Darstellung war den Machern nicht gelegen.

Doch während die Handlung um den Geheimrat noch eine ansatzweise kritische Sichtweise andeutet, verfällt der Film bei der Figur des Dr. Hagedorn endgültig ins Seichte. Claus Biederstädt ist eine Spur zu wohlerzogen, zu bescheiden und anständig. Die Vorzugsbehandlung im Hotel ist ihm selbstverständlich peinlich, die Damen, die sich ihm an den Hals schmeißen, unangenehm und sein ganzes Denken wird nur davon bestimmt, endlich eine Arbeit zu finden, damit er seiner armen Mutter nicht mehr auf der Tasche liegt. Nicht einen Moment gerät er in den Sog der Verführung, fühlt sich durch die Behandlung gebauchpinselt oder lässt es sich einfach ungeniert gut gehen. Dagegen flirtete selbst Heinz Rühmann in einer kalkulierten Komödie wie „Der Gasmann“ (1941) einen Moment lang mit der Versuchung, bevor er sich wieder dem moralischen Anstand hingab. Das Hagedorn sich mit dem scheinbar armen Herrn Schulze anfreundet, ist nur folgerichtig und nutzt ihnen in doppelter Hinsicht – der Reiche erhält einen echten Freund und der Arme bekommt die richtigen Beziehungen. Dass der Geheimrat zudem noch eine hübsche Tochter hat, die auf diese Weise an einen Ehemann gerät, der es nicht auf ihr Erbe abgesehen hat, lässt alles in Wohlgefallen aufgehen.

Vielleicht war diese Art Unterhaltung, die flott inszeniert, gut gespielt und mit witzigen Dialogen daher kommt, Mitte der 50er Jahre in der BRD einfach notwendig, denn was Dr.Hagedorn hier an Wohltaten widerfährt, war nur noch wenig zu steigern. Die sanfte Kritik an arroganten und selbstüberheblichen Menschen und die Geschichte vom Aufstieg eines bescheidenen Mannes aus dem Bürgertum zum reichen Schwiegersohn, erinnert an ein Märchen, bei dem am Ende der Held die Prinzessin heiraten darf. Unrealistisch, aber motivierend.

Doch die Klischeehaftigkeit der Charaktere und das einseitige Gut-Böse-Schema lassen in ihrer freudvollen Erfüllung vorhandener Vorurteile übersehen, dass hier nicht die Durchlässigkeit einer modernen Gesellschaft gepredigt wird, sondern die Erhaltung hierarchischer Strukturen. Der Firmenchef besitzt eine natürliche Autorität und ist ein freundlicher und selbstloser Mann, mit dem man auch seinen Spaß haben kann, während Frauen generell – außer es handelt sich um jungfräuliche, heiratsfähige und hübsche Mädchen - und niedere Angestellte hier nur als egoistische und gemeine Zeitgenossen geschildert werden. Auch der scheinbare Aufstieg eines einfachen Bürgers, den Dr. Fritz Hagedorn hier erlebt, täuscht die Chancen einer modernen Gesellschaft vor, denn die Handlung korrigiert nur das, was von Beginn an offensichtlich ist – das ein so feiner, bescheidener und gebildeter Mensch wie Dr. Fritz Hagedorn zur gesellschaftlichen Elite gehört. „Drei Männer im Schnee“ war ein typisches Kind der 50er Jahre, der seine unterschwellige Botschaft geschickt unter dem Deckmantel einer optimistisch stimmenden, menschelnden Komödie verbarg (4/10).

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