Review

Die Produzenten des Films wollen eine Welt, in der alle immer die Wahrheit sagen (weil lügen unbekannt ist), als möglichst grausam darstellen. Zu diesem Zweck sagen sich die Figuren dauernd verletzende Sachen. Das wirkt arg konstruiert, weil: Wenn ich nicht lügen kann, heißt das nicht, dass ich allen Menschen ungefragt(!) eine verletzende Wahrheit sagen muss. Ich kann anstatt dessen aus taktischen Gründen auch einfach die Schnauze halten. Um aber in möglichst kurzer Zeit eine Lügen-freie Welt als möglichst grausam zu porträtieren, wurden die Figuren mit einem nicht mehr glaubhaften Mittelungsbedürfnis ausgestattet: Jeder schmeißt jedem ständig verletztende Sachen an den Kopf, obwohl sich das aus dem Kontext des jeweiligen Gesprächs nicht zwangsläufig ergibt. Aber das ist nur ein kleiner Kritikpunkt.


Eine Welt also, in der das Sagen der Unwahrheit unbekannt ist, weshalb es auch kein Wort für lügen gibt. Dort gibt es auch keine Romane, kein Theater, weil Fiktion unbekannt ist. Im Fernsehen laufen keine Serien und Filme, sondern nur Sendungen, in denen ein Sprecher historisch belegte Geschichten vorliest, die alle fürchterlich spannend finden. 
Solche und andere Details in der Darstellung einer Lügen-freien Welt wissen schon mehr zu überzeugen, sind lustig und durchaus clever.


Ebenfalls zu gefallen weiß der Protag. Ein deprimierter, von allen geschnittener Mann, dem alle ständig sagen, er sei ein Loser. Eines Tages entdeckt er, dass er aufgrund eines Hirndefekts als einziger auf der Welt fähig ist, "etwas zu sagen dass es nicht gibt", also zu lügen. Dies nutzt er erstmal aus, um sich zu bereichern (weil Lügen unbekannt ist, glaubt ihm die Bankangestellte unbesehen, dass er so und so viel Guthaben auf seinem Konto habe, obwohl der Computer anderes sagt). Dann stilisiert er sich zum Superstar und Liebling der Öffentlichkeit (indem er fürs Fernsehen fiktive Geschichten schreibt und diese als historisch ausgibt). Zudem erfindet er die Religion (indem er den Menschen Geschichten von einem "man in the sky who is watching us all" auftischt). Und last but not least will der Mann das Herz von Jennifer Garner gewinnen.


Das sind dann auch die besten, zum Schießen komischen Momente von "The Invention Of Lying", wenn der Protag seinen Mitmenschen Geschichten auftischt. Und sie sitzen da mit großen Augen und kindlicher Naivität, hören ihm zu wie einem Propheten, saugen jedes seiner Worte auf.


In der zweiten Hälfte fällt der anfangs kreative, lustige und zumindest teilweise clevere "The Invention of Lying" aber leider in konventionelle Bahnen: Anhand des Protags wird ein triviales Gewissensdrama sowie die Tragik eines erfolgsverwöhnten, nicht mehr bodenständigen Neureichen durchexerziert. 


Zudem bewegen sich seine Versuche, das Herz von Jennifer Garner zu gewinnen, auf dem Niveau einer prototypischen sülzigen RomCom nach Schema F. Das ist dann wirklich unerträglich. 


Und als die Produzenten am Ende auch noch auf die Idee kommen, das Zuschauer wie Dummköpfe zu traktieren und ihnen ganz unsubtil eine explizit formulierte Botschaft (*kotz*) mit auf den Weg zu geben von wegen innerer Werte und Scheiß, dann ist der Tiefpunkt endgültig erreicht in diesem Film, der viel versprechend anfängt, bis zur Mitte durchhält, um sich in der zweiten Hälfte immer mehr in langweiligen Konventionen zu verlieren.

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