Review

Bei Ghajini handelt es sich um ein Bollywood-Remake eines Südindischen Remakes von Memento. Vielleicht als Erklärung: Bollywood ist in Indien das Äquivalent zu Hollywood und dementsprechend wird hier meistens der kleinste gemeinsame Nenner für das Massenpublikum gesucht. Das südindische Kino hingegen ist durchtränkt von Machismo, übertriebener Gewalt, Symbolismen und sehr viel unterschwelliger Erotik. Im Grunde genommen ist südindisches Kino ehrlicheres, authentischeres Indienkino. Bollywood ist, man glaubt es kaum, das westlicher Standard dazu.

Wer jetzt denkt: "Oh-Gott-oh-Gott, das muß ich mir nicht weiter antun, Danke und Tschüß!"
Dem kann ich das nicht einmal verdenken.
Denn es gibt weitaus mehr Gründe, diesen Film einfach nicht zu mögen, als ihn zu mögen.
Er klaut extrem dreist bei Memento, verändert aber die Erzählstruktur derart dummdreist, dass außer der fabelhaften Grundprämisse und der Rahmenhandlung kaum etwas übrig bleibt. Hinzu kommen Plagiarismen von der Fabelhaften Welt der Amelie, die ebenso verwoben werden wie die üblichen Bollywood-Schmonzetten-Songs, die zu diesem Thema so gar nicht passen. Außerdem ist die ganze Geschichte, die hier erzählt wird, nicht im Geringsten rund und die finale Konfrontation ist einfach nur gurkig inszeniert. Ist Ghajini also der totale Müll?

Zu meiner eigenen Überraschung muß ich gestehen: Nein! Als Gesamtheit betrachtet ist er sogar ziemlich gut, so gut sogar, dass er sich keinesfalls vor Memento verstecken braucht. Wie kommt das?

Zum einen liegt es daran, dass die Geschichte um einiges konservativer und publikumswirksamer inszeniert wird: Statt eines Psycho-Thrillers aller-erster-Güte (Memento) haben wir hier nur ein überdurchschnittlich gutes Rache-Action-Drama (Ghajini) vorliegen. Der sogenannte Mind-Fuck-Effekt aus dem alles überragenden Original wird hier am Ende durch eine bittersüße Pointe am Ende erheblich versöhnender präsentiert, so dass der Zuschauer dennoch zufrieden zurück bleibt. (Nicht unähnlich dem thematisch ähnlich gelagerten Liebesfilm 50 First Dates)
Es ist ein reifes, schönes Ende, der trotz des vorhandenen Kitsch-Effekts nicht dümmlich ausfällt.

Zum anderen liegt es daran, dass Ghajini sich der überaus plumpen Vorlage des Finales aus Südindien entzieht und nicht noch einen Schurken aus dem Hut zaubert. Dies würde zwar absolut ins südindische Konzept passen, weshalb der Original-Ghajini dort ein enormer Erfolg war, aber derart übertrieben wäre der Film Gefahr gelaufen, sich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Das tut Ghajini aber nicht, im Gegenteil.

In mehreren Rückblenden wird eine süße, aber typische Bollywood-Romanze erzählt, die umso tragischer wirkt, da man ja von vornherein, wie es ausgeht, nur noch nicht das Warum.
Währenddessen wird die eigentliche Rache-Geschichte voran getrieben, mit allerlei Wendungen und Irrungen. Gerade in dieser Ebene nimmt Ghajini sehr viel von Memento mit, bleibt aber sein eigener kleiner Film.
Die Verknüpfung beider Stories mag man als Schwachpunkt ausmachen, aber seien wir mal ehrlich: Darum geht es in Ghajini zu keinster Zeit....

Was Ghajini im Endeffekt auf Thriller-Ebene von Memento unterscheidet ist sein absolut überzogener Gegenspieler und Namensgeber. Dieser sorgt dafür, dass Ghajini absolutes Popcorn-Kino für die Massen in jeglicher Hemisphere wird, auf der anderen Seite schmälert er den absolut eiskalten bitteren Effekt aus Memento deutlich ab. Wem was besser gefällt, ist Geschmackssache.

Auch ist absolut die Chemie zwischen dem Liebespaar im Film stimmig, was für die nachfolgende Rachegeschichte ja von ungeheurer Relevanz ist. Obwohl es sich mit Amir Khan um einen absoluten Superstar Bollywoods handelt, kann die Darstellerin Asin völlig neben ihm bestehen, alleine das verdient Hochachtung.
Dies bringt uns zum Darstellerischen: Der Film lebt und stirbt mit der Performance des Vergessenden. Und hier muß man eindeutig sagen, dass man keine westlichen Standards benutzen sollte, denn da kann er nie mithalten. Dennoch, Amir Khan füllt seine Rolle trotz seiner kleinen Größe mit einer ungeheuer wuchtigen Präsenz, dass es einem Spaß macht, dem maßlosen Overactring zuzuschauen.

Wie üblich in den meisten Bollywood-Filmen, ist der Film natürlich übernatürlich lang, hat ein paar Lieder zu viel auf den Knochen, die Action-Szenen sind albern und lächerlich (Man sollte auch auf trashige Sound-Effekte vorbereitet sein), dennoch:
Die Geschichte fesselt von der ersten bis zur letzten Minute, hat gute bis sehr gute Darstellerleistungen (für indische Verhältnisse versteht sich), für ein Remake wagt sich der Film erstaunlich weit vom Original zu entfernen (Sowohl was Memento als auch was den südindischen Ghajini betrifft), und hat ein wirklich schönes massentauglicheres Finale, welches auch aufzeigt im Vergleich zum endlos zynischen Meisterwerk Memento: Manchmal hilft es, das Herz am rechten Fleck zu haben.
Was man natürlich auch nicht vergessen darf, ist dass die Filmmusik von Oscarpreisträger A.R. Rahman über jeden zweifel erhaben ist.

Fazit: Als Bollywood-Film zu recht absolut überragend und mindestens 10 Punkte wert, nicht umsonst hat der Film in Indien als erster Film überhaupt mehr als 10 Mrd Rupien eingespielt!
Als Normalo-Film aber immer noch sehr gut: 8 Punkte.

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