Als "The Descent" vor fünf Jahren herauskam, erfand er das Rad des Horrorfilms vielleicht nicht neu, aber sein Konglomerat aus geschickten Charakterisierungen ausschließlich weiblicher Darsteller, völliger Dunkelheit, totaler Enge und einer unheimlichen, kaum zu konkretisierenden Bedrohung, erschloss auf eigenständige Art ein hohes Spannungspotential. Blutige Splatter - Effekte blieben dabei Nebensache, weil der Film zudem ein Ende ersann, das hinsichtlich des Überraschungseffekts lange nicht mehr so in einem Horrorfilm überzeugen konnte. In der us - amerikanischen Version sparte man die letzte unerbittliche Kehrtwendung aus, so dass sich auf dieser Basis ein direkter Anknüpfungspunkt für eine Fortsetzung ergab.
Allerdings nicht ohne einige sehr konstruierte Elemente hinzuzufügen. Während sich schon ein Rettungsteam auf der Suche nach den vermissten Frauen befindet, die vor zwei Tagen zu einem gemeinsamen Ausflug in unterirdische Höhlen aufbrachen, kehrt eine von ihnen, Sarah (Shauna Macdonald), an unerwartet weit entfernter Stelle wieder an die Erdoberfläche zurück. Sheriff Vaines (Gavan O'Herlihy) und Polizistin Rios (Kristen Cummings) wollen sie sofort verhören, müssen aber feststellen, dass sich die leicht verletzte Frau an nichts mehr erinnern kann. Auf Grund von fremdem Blut, welches sich auf ihrer Kleidung befand, skeptisch geworden, nimmt Vaines sie mit zu dem alten Schachteingang, aus dem Sarah dem unterirdischen Tunnelsystem entkommen war. Zudem erhofft er sich, dass sie sich wieder an die zurückgelegenen Ereignisse erinnert und ihnen hilft, die anderen Frauen zu retten.
Was vordergründig logisch klingt, erweist sich bei genauem Hinsehen als indifferent. Diese Ausgangssituation der Story wendet sich konkret an Nichtkenner des ersten Teils. Dank Sarahs durch einen Schock erzeugten Gedächtnisverlust, ergibt sich die klassische Horror – Konstellation, der Erwartungshaltung vor einer unbekannten Gefahr. Anders lässt es sich auch nicht erklären, warum sich auch im zweiten Teil wieder eine Gruppe in die Tiefe begibt, die nicht weiß, was auf sie zukommt. Das wäre eine konsequente Variante gewesen, der die Macher aber selbst nicht trauen, indem sie - anders als im Original - auf jede Charakterisierung der Hauptfiguren verzichten. Nur Polizistin Rios bekommt als Mutter einer kleinen Tochter ein wenig eigenes Profil, während der Film Sarahs Vorgeschichte voraussetzt. Hatte der Tod deren Tochter, mit dem der erste Teil begann, ausschlaggebende Wirkung sowohl für ihren psychischen Zustand, als auch das Verhältnis der Frauen untereinander, spielt der zweite Teil nur kurz darauf an, offensichtlich die Kenntnisse über den Charakter Sarahs voraussetzend.
Führt man diesen Gedanken konsequent weiter, ist die Anfangsszenerie von „Descent 2“ geradezu pervers – nicht nur den Ärzten, auch den Polizisten kann der Zustand Sarahs nicht entgangen sein, auch wenn sie nichts über die vorangegangenen Ereignisse wissen. Wer dagegen ihre Odyssee durch die Dunkelheit miterlebt hatte, kann sich nicht vorstellen, dass man sie überhaupt in die Nähe einer solchen Schachtanlage bringen kann, ohne dass sie instinktiv in lautes Geschrei ausbricht. Bei ihrem psychischen und körperlichen Zustand wäre das unverantwortlich. Doch stattdessen bleibt Sarah ganz ruhig, begreift in der Tiefe schnell wieder, was los war, und stellst sich dazu noch als tougheste Streiterin gegen die Monster heraus. Diese Storygestaltung bleibt symptomatisch für einen Film, der es Jedem Recht machen will, und ständig zwischen den Erwartungshaltungen für Erstseher und Kennern des Originals schlingert, mit dem zu erwartenden Ergebnis einer sowohl hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit, als auch der Charaktergestaltung unlogischen und oberflächlichen Story.
Nun könnte man das als Nebensächlich vernachlässigen, da der Anlass für die Fortsetzung von „Descent“ vor allem in dem Schrecken der Dunkelheit, der klaustrophobischen Enge und an den unheimlichen Gestalten lag, die dort unten hausen. Doch genau in diesem Punkt versagt der Film völlig. Anders als im Original, dass schon von intensivster Spannung war, bevor man überhaupt von den Monstern wusste, setzt „Descent 2“ nur auf die Auseinandersetzung mit den gefräßigen Unterweltjägern. Um diese auch ins rechte Licht zu rücken – und damit die entsprechend blutigen Bilder – verzichtet der Film auf seine größte Besonderheit – die totale Dunkelheit. Selbst wenn ausnahmsweise einmal die Lampen ausfallen, bleibt immer noch so viel Licht übrig, dass man als Betrachter die Vorgänge noch gut verfolgen kann - völlig unrealistisch in einer solchen Situation. Daran wird deutlich, womit „Descent 2“ vor allem gegenüber dem Original punkten will – mit einer möglichst expliziten Darstellung der Kämpfe.
Während im ersten Teil die Schwärze der totalen Finsternis nur von dem Blickwinkel der Nachtsicht – Kamera und schwachen Lichtquellen unterbrochen wurde, weshalb der Blick auf die Monster und deren Taten meist schemenhaft und kurz erfolgte, ist die Kamera in „Descent 2“ auch in den ungemütlichsten Ecken immer im Bilde. Das nimmt der Grundidee ihren ursprünglichen Charakter, denn auch wenn enge Höhlen und schmale Durchgänge grundsätzlich einen klaustrophobischen Charakter haben, wurde dieser doch im Original auf die Spitze getrieben. Natürlich verfügt auch Teil 2 über nicht wenige Spannungsmomente, aber diese erfolgen nach den üblichen Regeln des Horrorfilms – plötzliches Auftauchen, hässliche Fratzen, Verfolgungsjagden und blutige Kämpfe. Originell ist das nicht mehr, nur noch solide Unterhaltung für Horror – Fans, die sich über das wenige Licht im Original geärgert haben (3/10).