Monochromes Massaker
„Polytechnique“ befindet sich irgendwo zwischen Villeneuves früheren Musikvideos, einer modernen Interpretation der Nouvelle Vague und sowas wie „Elephant“ oder „Utoya, 22. Juli“. Schmerzhaft, emotional, eiskalt aber auch extrem mitfühlend auf seine Art. Definitiv keine leichte Kost oder für nebenbei. Erzählt wird in mehr als ansehnlichem Schwarz-Weiss von dem (wirklich passierten) Attentat auf eine technische Hochschule in Kanada im Jahr 1989, wo ein frauenhassender und emotional verkümmerter Killer mit seinem Gewehr etliche Leben beendete oder für immer vernarbte…
„Polytechnique“ merkt man in jedem Frame porentief an, dass er für Villeneuve etwas sehr Besonderes, Emotionales, Intimes und Wichtiges war. Und wer hierin eine Emporhebung und Verherrlichung des Killers bzw. seiner beschränkten Motive sieht, der muss mindestens auf einem Auge und dem ganzen Herzen blind sein. Man spürt Villeneuves Musikvideovergangenheit hier mehr denn je, man spürt die Frische und Härte dieses Werks, man spürt, dass er hier nach nicht mehr Nein zu Hollywood sagen bzw. ebenso Hollywood nicht mehr Nein zu ihm sagen konnte. Die Bilder sind eiskalt, die Schüsse sind ultrahart und wirklich fast physisch spürbar, die aufgerissenen Wunden, seelisch noch eher als körperlich, sind's genauso. Die Spät-80er-Atmosphäre ist heftig genauso wie kanadische Winterkälte. Unverbrauchte Gesichter, fast schon zu realistische Schocks, eine edle „Farb“palette. Villeneuve zeigt hier schon sehr viele Spuren eines Meisters des Filmemachens. Aber noch mehr Einfühlvermögen meiner Meinung nach. Ein in Film gegossenes Zittern - aus Angst wie Mut, aus Schock wie Hoffnung, aus Schmerzen wie Stärke.
Fazit: schon hier ist Villeneuves unheimliche Power in Sachen Anspannung, Emotionen und eruptiver Härte klar und deutlich. Einer der intensivsten und auf seine Art „hübschesten“ Amoklauffilme, die je gemacht wurden. Ein poetischer Schocker und ein radikales, frühes Statement zum vollkommen unnötigen „Geschlechterkrieg“.