Review

Kriegsspiele

Wir befinden uns im Jahre 1989, einer Zeit des Umschwungs. Die weltpolitische Lage ist brisant, das "Duell der Großmächte" findet sein Ende und der Beginn einer neuen Ära scheint sich in Deutschland zu manifestieren. Doch die jungen US-Soldaten auf einem Militärstützpunkt irgendwo in der BRD, die nicht einmal den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland kennen, interessiert das eigentlich überhaupt nicht. Sie "sitzen ihre Zeit ab", indem sie sich mit illegalen Drogengeschäften und allem nur erdenklichen deutschen Luxus (einschließlich der fehlenden Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn) beschäftigen. Allen voran der draufgängerische Batallionsschreiber Joaquin Phoenix, der so ziemlich alle großen Dinger organisiert. Die Leichtsinnigkeit der Soldaten im Dienst führt regelmäßig zu schweren Unfällen, die aber routiniert verdeckt werden, denn der Chef der Brigade, Ed Harris, nimmt es da auch nicht so genau, ist er doch ein zu gutmütiger Mensch für die Army.
Als aber ein harter Vietnamveteran als neuer Sergeant in die harmonisch funktionierende Gemeinschaft eintritt, gerät die Situation zusehends aus dem Ruder. Der Held des Filmes, der Schreiber, verliebt sich in dessen Tochter, die Drogengeschäfte und ein wichtiges, großes Waffengeschäft scheinen aufzufliegen. Die schwarzhumorige Satire eskaliertzu einer fast schon tragischen Farce.

Der Anfang des Filmes, mit einem tödlichen Unfall beim Indoor-Football, zeigt ganz schnell die Lage: Disziplin und Führung sind faktisch nicht vorhanden, die meist sehr jungen Soldaten bauen am laufenden Meter nur Mist, ohne dass sie jemand zurechtweist. Die kurzen Ausschnitte im Fernsehen, von den dramatischen politischen Ereignissen gehen den Kerlen am Arsch vorbei. Der Militärapparat wird immer mehr zu einer nutzlosen, asozialen, überzeugungslosen und problematischen Einrichtung. Das wird noch sehr viel deutlicher, als der übermilitaristische Sergeant Lee das Lager aufmischt. Sein extrem reaktionäres Verhalten und seine gnadenlos totalitäre Veteranenüberzeugung führt schnell zu großem Konfliktpotential, bis die Situation außer Kontrolle gerät, zu einem Kleinkrieg wird und ein bitteres Ende nimmt.

In der Lässigkeit eines Jugendfilms mit der entsprechenden Musik ist also die erste Hälfte des Filmes inszeniert, durchzogen von wirklich üblen Seitenhieben auf die Army (z.B. als die total zugedröhnten Kerle in einem Panzer ein Manöver starten und die halbe Umgebung plattmachen), die allerdings nie zu reinen Slapstickeinlagen werden, sondern immer mit einem klaren Hintergedanken versehen sind. In der zweiten Hälfte lässt die Lässigkeit nach, der Film kommt ernsthafter, aber zugleich auch noch boshafter rüber.

Der Film offenbart uns also die blanke Realität und ein Problem, vor dem nicht nur die Amerikaner jetzt noch stehen. Wie kann man militärisch Macht ausüben und souverän nach außen auftreten, wenn man seine eigenen Leute nicht im Griff hat? Wie kann eine Armee sich verteidigen, wenn sie sich vor sich selbst schützen muss, und wenn man nicht einmal weiß oder versteht, für was, warum oder gegen wen man kämpft? Man denkt zusehends "friedlicher", aber Krieg bleibt halt Krieg und Armee bleibt Armee. Diese Diskrepanz wird uns noch lange zu schaffen machen.

Frei nach dem Motto: Wenn man keinen Gegner mehr hat, dann fängt man an, in den eigenen Reihen zu suchen... 9/10.

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