Review

"Dementia 13" (USA-Irland 1963, Note 2+). Der erste Film, den Francis Ford Coppola als hauptverantwortlicher Regisseur inszenieren durfte - in diesem Falle noch unter der Obhut von Produzent Roger Corman.
Man stelle es sich als eine Mischung aus "Psycho 1" und "Blood Simple" mit einer Prise jener Edgar-Wallace- und Agatha-Christie-Klassiker, bei denen eine Familie mit Anhang sich auf einem altehrwürdigen Landsitz trifft, um Erbangelegenheiten zu klären und einer nach dem anderen ermordet wird. Aber ganz so primitiv geht es hier dann doch nicht zu, denn "Dementia 13" ist weder ein trockener 10-kleine-Mörder-Krimi, noch ist er ein stupider Slasher um den großen Maskenmörder, der alle abschlachtet.
Dennoch gibt es einen unheimlichen Axtmörder, der mehrere Menschen nach einander tötet. Seine Identität zu ergründen und gleichzeitig die an Irrsinn grenzenden Neurosen/Traumata der reichen Familie zu klären, sind die Spannungsträger des nie langweiligen Films.
Aber zentral ist dabei, daß es eben kein Film ist, der so einen Axtmörder ins Zentrum stellt, sondern diese Slasher-Passagen sind nur eines von mindestens drei Standbeinen. Der Landhauskrimi ist ein Anderes und die Neurosen (eher psychologisch) sind ein Weiteres.
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Seinen Reiz holt er aus einem außerordentlich gelungenen Licht-und-Schatten-Spiel, welches im schwarz-weiß eine enorme künstlerische Wirkung hat.
Dazu eine hervorragende Musik, die streckenweise dichteste Gruselatmosphäre aufkommen lässt, obwohl der Film nichts Übernatürliches enthält.
Ein tolles Stilmittel ist auch den Zuschauer über eine längere Zeit die Gedanken einer der Frauen hören zu lassen. Sehr selten wird dies in der Filmwelt benutzt, nämlich nur bei 0,02% aller Filme.
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Es ist erstaunlich, was der 24-Jahre-junge Francis Ford Coppola (später Ruhm durch "Der Pate 1-3") aus einem kleinen 40.000-$-Budget an Atmosphäre und Wirkung herausholt. Meisterlich, wie eine eigentlich klein dimensionierte Familien-Krimi-Geschichte durch Geräusche, Musik, Licht, Kameraführung und sehr gut spielende Schauspieler zu einen Genuß (und es ist wirklich selten, daß ich bei Thrillern oder Krimis das Wort Genuß verwende) wird. Man schwelgt geradezu in jeder Szene, die ausnahmslos gelungen und atmosphärisch sind.
Vergessen wir nicht den Härtefaktor. Jetzt aber bitte nicht ein Gemetzel á la Jason Vorhees erwarten, denn der Film ist von 1963 und durch das Schwarz/Weiß eh in seiner Härte gemildert. Trotzdem ist z.B. die Szene, in der eine junge Frau aus einem See klettern will und von dem Mörder mit der Axt auf brutale Art in Gesicht und Kopf und Körper gehakt wird, bis sie langsam tot ist, schon sehr starker Tobak für 1963. Nach heutigen Maßstäben werden Gore-Hounds nur müde gähnen, aber mich hat als Kind diese Szene sehr schockiert. Ich sah sie, aber Coppola in seinem nächsten Film "Big Boy - Jetzt wirst du ein Mann" sie an die Wand einer Disco projizieren ließ. Für uns damals ein Kulturschock, daß Leute zur heftiger Musik wild herumtanzen (sogar ein GoGo-Girl dabei) und eine so brutale Szene dazu als Deko ausgestrahlt wird.
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Der Vergleich mit "Psycho 1" (USA 1960) ist erlaubt, weil so viele Stilmittel wie Kamerapositionen, schwarz/weiß, Licht/Schatten, Frau mit finanzieller Unredlichkeit, psychopathische Züge, usw. gleich oder ähnlich sind. Ganz klar wurde "Dementia 13" durch Psycho beeinflußt. Aber ist er schlechter, nur weil er als eine Art Trittbrettfahrer auf diesen Stil aufspringt? Nein. Denn erstens sind die Stilmittel grandios eingesetzt bei "Dementia 13" und zweitens hat er eine völlig eigene, neue Story, die nie versucht das Vorbild zu imitieren, sondern mit einer eigenen Geschichte und anderer Handlung lediglich den Stil einzufangen.
Die Leistung ist sogar größer, denn "Dementia 13" hatte weniger als ein Zwanzigstel des Budgets von "Psycho" (806.947 $) und Hitchcock war bereits in der letzten Phase seiner Karriere, war zu dem Zeitpunkt seit fast 40 Jahren Regisseur und hatte rund 40 Filme vor Pyscho gedreht.
Für Coppola war es der erste Langfilm im Regiestuhl. Qualitativ und vom Filmgenuß her sehe ich die beiden Filme fast auf einer Stufe.
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Die Typen sind als markante Gesichter und als sehr gute Schauspieler absolut perfekt ausgesucht. Einziger Schwachpunkt: Die beiden jungen Frauen sehen mit blonden Haaren und ähnlicher Frisur (das Bild unten täuscht) sehr ähnlich aus und man kann sie streckenweise nur durch den anderen Gesichtsausdruck unterscheiden. Aber sie sind verdammt hübsch und es gibt auch sehr reizvolle Unterwäsche-Szenen, wobei die eine mit einen durchsichtigen Nachthemd schon als Herzklopfer für jene Zeit verstanden sein darf, denn das war viel für die frühen 60er.
Mein Respekt vor Altmeister Francis Ford Coppola ist nach der kürzlichen Erstsichtung des Films (übrigens toll synchronisiert) enorm gewachsen, denn mit so wenig Geld so viel Film zu machen, ist ne andere Liga als mit seinen späteren zweistelligen Millionenbeträgen große Film zu zaubern. Er kann beides. Und der gute Corman sein gelobt, daß er Coppola und vielen anderen späteren Meister die ersten Chancen gab.
Hätte mir der junge Francis diesen Film als Examensarbeit abgeliefert, hätte ich eine Schulote 1 drunter geschrieben. Im Vergleich mit den vielen größeren Film, die größere Themen und mehr Schauwerte haben, muss ich nun eine Schulote 2+ (bzw 8 ofdb-Punkte) geben.

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