Review

Der stille Amerikaner ist nach dem 1957 erschienenen Vier Pfeifen Opium bereits die zweite Verfilmung des Romans von Graham Greene. Ist die erste Fassung nicht nur mit einem unsagbar dämlichen deutschen Titel geschlagen, sondern verlegt auch den Schwerpunkt der Story zu einer Pro-amerikanischen Auslegung, so gelingt dem australischen Regisseur Phillip Noyce hier eine Umsetzung, die wohl auch im Sinne von Autor Greene gewesen wäre, der sich von Vier Pfeifen Opium, dem man CIA-Propaganda vorwarf, deutlich distanzierte.
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Saigon, 1952: der britische Journalist Thomas Fowler berichtet für die London Times über die politischen Unruhen im Land. Die französischen Besatzer befinden sich im Kolonialkrieg gegen die Vi?t Minh, ein Bündnis nationaler und kommunistischer Mächte, die für ein unabhängiges und vereintes Vietnam kämpfen. In den Wirren des Konfliktes ist Fowler stets darauf bedacht, Neutralität zu wahren und emotional unbeteiligt zu bleiben. Doch das Auftauchen des Amerikaners Alden Pyle, im Auftrag wohltätiger medizinischer Zwecke unterwegs, soll Fowlers Leben und das seiner jungen Geliebten, der Vietnamesin Phuong, entscheidend verändern...
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Graham Greene verbrachte selbst lange Zeit in Saigon und erahnte früh den von ihm beschriebenen Umbruch, den die Einflussnahme der USA in Vietnam mit sich brachte und der die skrupellos handelnde Großmacht im Kampf gegen den Kommunismus schließlich in eines ihrer dunkelsten Kapitel führte. Geschickt und weitsichtig mischte Greene Fakten und Fiktion und verließ sich erzählerisch nicht nur auf die politische Brisanz, sondern fügte mit der Liebesgeschichte zwischen Fowler, Phuong und Pyle, der sich in die Vietnamesin verliebt, ein hochspannendes moralisches Element ein, das jede plumpe Schwarz/Weiß-Zeichnung der konkurrierenden politischen Interessen unterbindet.
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Noyce‘ filmisches Pendent hält sich eng an die Vorlage und beginnt mit Pyles Tod. Der Amerikaner wird erstochen aufgefunden, Fowler dazu befragt. Bis kurz vor Schluss ist der Film dann eine lange Rückblende, in der sich der zunächst etwas tapsig wirkende Pyle und der partizipations-verweigernde Journalist kennen und mögen lernen. Fowler, den nichts mehr abzuschrecken scheint als der Gedanke, in seine Heimat nach London zurückzukehren, wird eben dazu aufgefordert und kann sich durch einen Bericht einen Monat Aufschub verschaffen. In London würde auch Fowlers Frau warten, die einer Scheidung nicht zustimmt, wodurch es für den Briten und seine Geliebte Phuong, an die Fowler tatsächlich sein Herz verloren zu haben scheint, keine Zukunft gibt. Hierin sieht Pyle, unterstützt von Phuongs Schwester, die längst auf der Suche nach einem besseren Mann ist, seine Chance. Offen gesteht er Fowler und Phuong, sich in sie verliebt zu haben.
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So weit ist Der stille Amerikaner nur auf zweiter Ebene ein Polit- und an vorderster Front eher ein Liebes-Drama. Fowler sieht sein Glück mit Phuong durch das offensive Eingreifen des Amerikaners bedroht, doch liefern sich die beiden nicht etwa ein post-pubertäres Gebalge, sondern einen fairen Wettbewerb unter völlig unterschiedlichen Vorzeichen. Unaufgeregt, mit einer so pragmatischen wie effektvollen Kameraarbeit, die zwischen stillstehenden Halb-Totalen und perspektivischen Schwenks eine ausgewogenen und sanfte, nicht künstlich-reißerische Dynamik erzeugt, bildet Noyce das Dreiecksverhältnis ab, in dem Phuongs Rolle eine stets etwas wankelmütige und unklare scheint. Dem entgegen steigert sich Michael Caines Spiel zu einer schwellenden Angst, während aus Brandon Frasers anfangs unbedarft-sympatischer Art langsam das wahre Gesicht des angeblichen Arztes mit humanitären Absichten vorsickert.
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Doch spätestens nach dem Auftauchen einer dritten Partei, neben den Franzosen und den Kommunisten, wandelt sich der Film zum bedeutungsvollen politischen Thriller, dessen Aufbau bis dahin jedoch unablässig wertvoll für die moralischen Gesinnungen und Bereitschaften seiner Protagonisten ist. Unter der Führung des Generals Thé sind die USA Drahtzieher im Aufbau und der Versorgung dieser dritten, westlich orientierten Macht, mit der der Kommunismus, dessen wirksame Bekämpfung den französischen Besatzern nicht mehr zugetraut wird, weiter zurückgedrängt werden soll. In diesen Machenschaften kommt Pyle eine entscheidene Rolle zu und als ein Bombenanschlag Saigon erschüttert, sieht Fowler sich gezwungen, seine Neutralität aufzugeben.
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Der stille Amerikaner ist kein Film, der seinen Spannungsaufbau unbedingt aus den direkten Ereignissen bezieht, da Pyles Beteiligung an dubiosen Machenschaften und Fowlers Mitwirken am Tod des Amerikaners recht früh ersichtlich sind. Atmosphärische Dichte und kribbelnde Intensität gewinnt der Film aus der von Regisseur Noyce (bzw. Autor Greene) grandios aufgebauten Situation, in die Fowler gesteuert wird. Ob er sich am Ende tatsächlich für eine (die richtige?) Seite entscheidet oder ob er nur für sich selbst handelt, ist nicht klar zu beantworten, aber in hochspannenden Grautönen portraitiert, die die kritische Grundhaltung der Story trotzdem nicht verbergen, sondern facettenreich erweitern. Unterbrochen von nur wenigen wirklich gezeigten kriegerischen Handlungen und vollkommen bereinigt von selbstgefälligen visuellen Schnörkeln nimmt die Gestaltung der Geschichte nie das Gewicht von ihren Protagonisten und lädt ihnen den vollen Umfang ihrer Taten, ihrer Gefühle und ihres Verhängnisses auf. Oft werden sie von Noyce frontal der Kamera zugewandt eingefangen und in einer Direkheit gezeigt, der sie sich selbst nicht stellen wollen. Fowler, der sich keiner Position zuordnen will, Pyle, der seine wahre Identität nicht preisgeben will und kann und nicht zuletzt Phuong, die vielleicht aus guten Gründen zu einem der beiden, jedoch nicht zu sich selbst stehen kann.
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Neben der gelungenen und durchaus mit aktuellen Bezügen gespickten Rekonstruktion seines geschichtlichen Hintergrundes ist Der stille Amerikaner ein exzellent gespieltes und eindringliches menschliches Drama, angeführt von einem superben Michael Caine, der Fowler, ohne allzuviel Exposition seines Charakters, eine akzentuierte Tiefe verleiht. Ohnehin entschädigt Caine mit seiner Rollenauswahl und Leistungen im letzten Jahrzehnt für eine Unmenge an Schrott, die er, vorrangig zwecks Sicherung der Miete, zuvor oftmals drehte, Der stille Amerikaner ist aber sicher einer der Höhepunkte seiner Darstellungskraft und wurde mit einer Oscar-Nominierung belohnt. Brendan Fraser nutzt hier eine der sehr wenigen Gelegenheiten, die ihm außerhalb von Action-Clown-Rollen gegeben werden, zu einer ebenfalls sehr guten Leistung. Do Thi Hai Yen ist als Phuong in jedem Fall reizend genug, um Pyles schnelles Verliebtsein und Fowlers Hingabe zu erklären, schauspielerisch ist sie insgesamt aber eher unauffällig. Eine tolle musikalische Untermalung rundet den stillen Amerikaner ab und macht ihn endgültig zum absolut sehenswerten, niveauvollen Unterhaltungsfilm.

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