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Todd McFarlane schuf 1992 eine Comicfigur, dessen düstere Aura sich wohltuend vom kunterbunten Marvel-Einheitsbrei abhob: Al Simmons alias Spawn. Hier wurde dem Leser kein Held geboten; stattdessen hatte man es mit einer traurigen Figur zu tun, die durch Angst, Wut und Rachegelüste geplagt wurde und durch das Tauziehen zwischen Himmel und Hölle um seine Person immer mehr an Macht und Selbstfindung gewann. Spawn zeigte, wie menschliche Gefühle wie Liebe und Hass sich zu einem grotesken Abstraktum verformen konnten, wenn sie ins Unermessliche stiegen.

Man hatte es also mit einem sehr vielschichtigen Comic zu tun. Action, Horror, Ästhetik, aber auch emotionale Tiefe, Kritik am Glauben, zwischenmenschliche Konstrukte wurden miteinander vereint.

Mit dem Einstieg von Greg Capullo als Zeichner wurde die inhaltliche Tiefe endlich auch visuell optimal dargestellt (auch wenn einige Fans der ersten Stunde immer noch McFarlanes Arbeit bevorzugen). Spawn wurde populär. So wagte man sich zur Jahrtausendwende an eine Verfilmung, kurz vor der aktuell noch anhaltenden Comicwelle, die durch die X-Men und anschließend Spider-Man eingeleitet wurde.

"Spawn" konnte noch keinen Erfolg verbuchen wie die oben genannten Major-Produktionen. Das hat durchaus seine Berechtigung, denn Regisseur Mark Dippé konnte die brillante Comicvorlage nicht nutzen, um einen ebenso brillanten Film zu erstellen. Stattdessen kam ein stellenweise unterhaltsames, insgesamt aber absolut unwürdiges B-Movie dabei heraus.

Zur Begründung. Die atmosphärischen Sets des Comics, allen voran die Slums von Rat City, werden zwar im Film aufgegriffen, verströmen dabei aber keinerlei Atmosphäre. Schuld sind die Kameraeinstellungen, fehlende bzw. unpassende Farbverfremdungen, detaillose Drehorte ohne markante Wiedererkennungswerte etc. Ein ähnlicher Look wie der in der gelungeneren Comicverfilmung "From Hell" wäre wünschenswert gewesen (nur mit weniger Rot- und mehr Blau-Grüntönen). Das gigantische Büro von Jason Wynn wird gar nicht erst gezeigt, ganz zu schweigen von Sam und Twitchs Büro - die beiden sympathischen Detectives kommen ja nicht einmal vor.

Hier wären wir dann beim Cast. Hauptdarsteller Michael Jai White ist dabei noch die gelungenste Wahl. Wer ihn nicht mag, der sei damit beruhigt, dass er den Großteil des Films sowieso unter der "Bratwurst"-Maske verbringt. Wanda wurde auch noch akzeptabel gecastet, obwohl man hier schon etwas Besseres hätte finden können. John Leguizamo kann als Clown optisch überzeugen, nervt aber mit dem ununterbrochenen Geschwätz.
Der eigentlich namhafte Martin Sheen kann als Jason Wynn dagegen überhaupt nicht glänzen. Was ist aus dem mächtigen, skrupellosen Geschäftsmann geworden? Im Film ist Wynn nur noch eine jämmerliche, naive Marionette des Clowns. Man fragt sich, ob Sheen jemals ein Spawn-Comic in der Hand gehalten hat.
Dass bei der Daredevil-Verfilmung Michael Clarke Duncan den Kingpin spielte, störte weniger, weil er die Figur abgesehen von seiner Hautfarbe perfekt verkörperte. Die Besetzung der im Comic dunkelhäutigen Figur Terry mit einem weißen Schauspieler stört dagegen ungemein, weil es einfach die Umstände verfälscht.
Die Krönung ist allerdings die Besetzung des Cogliostro. Das soll der geheimnisvolle, weise Leidensgenosse Spawns sein? Ein bisschen mehr erhabene Ausstrahlung wie bei Gandalf aus "Der Herr der Ringe" hätte nicht geschadet.

Die Special Effects und Masken decken ein breites Spektrum ab: von gut bis grauenvoll. Zur letzten Kategorie gehört eindeutig Malebolgia mitsamt der ganzen Hölle, die einem Computerspiel aus den 90ern entsprungen zu sein scheint. Die Szenenübergänge durch Blitze und ähnliche Spielereien erzeugen verstärkt das Gefühl, dass man ein B-Movie sieht. Spawns Umhang ist ein einziges CGI-Gewurschtel; für eine eventuelle Fortsetzung würde ich mir hier eine ordentliche Überarbeitung wünschen mit mehr Orientierung an richtigem Stoff. Das Kostüm ist ganz okay, wenn es sich im Comic auch weniger um einen Panzer handelt als um einen flüssigen Organismus, der sich selbstständig um Spawns verbrannten Körper schmiegt. Spawns Maske wiederum ist voll daneben; eine "Bratwurst", wie der Clown so passend bemerkt, anstatt der furchteinflößenden, verfaulten, von Maden zersetzten Fratze mit giftgrünen Nekroplasma-Augen.
Einzig der Kampf zwischen dem Clown/Violator und Spawn in der Seitengasse ist auf höchstem Effekteniveau. Die Verwandlung sieht toll aus, und der fertige Violator lässt keine Wünsche offen.

Das mit der Story ist so eine Sache. Sicherlich hatte der erste Spawn-Film sich mit der Einführung der vielen Charaktere zu plagen; da hätte es ein zweiter Teil doch einfacher. Trotzdem kann man erwarten, dass Dippé imstande ist, die wichtigsten Handlungstränge zu selektieren und konsequent zu verfolgen, anstatt mehrere Wege halbherzig zu verarbeiten.

Der Soundtrack ist allerdings gelungen. Die zusammen spielenden Hip Hop- und Metalkombos erzeugen einen Sound, der zum Geschehen passt. An dieser Stelle sei auch das Album zum Film empfohlen, das sich von anderen Soundtracks qualitativ abhebt.

Fazit: Hier wurde die Chance verpasst, den Comic von Meister McFarlane weiter ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, was er mehr als verdient hätte. Stattdessen machten die ohnehin erfolgreicheren Marvel-Comics durch gelungene Verfilmungen weiter von sich reden.
Ein zweiter Spawn-Film war trotz des gefloppten ersten Teils schon für den Sommer 2000 geplant. Sollte es tatsächlich noch einmal zur Produktion kommen, heuert man im Zuge des Comic-Booms hoffentlich kompetentes Personal an, das die Vorlage würdig umzusetzen weiß.
Dann wird der Name McFarlane hoffentlich für mehr stehen als bloß eine boomende Spielzeugmarke.

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