Während der Titel und die Wesensart der Hauptfigur den sagenhaften, in der deutschen Romantik beliebten Seejungfrau-Stoff aufgreifen, den beispielsweise Friedrich de la Motte Fouqué in einer Erzählung und E. T. A. Hoffmann in einer Oper bearbeiteten, trägt die Geschichte von Eckhart Schmidts Film Züge des traditionellen Heimatfilms mit ökologischen und mythologischen Elementen. Die Hauptfigur, der naive Raoul (Christopher Buchholz), begegnet einem Naturwesen, der Seejungfrau Undine (Isabelle Pasco), die tagsüber wie ein Mensch an Land in der Nähe ihres Sees herumläuft und versucht, diesen vor den Eingriffen des gierigen Frank (Ludwig Dornauer) zu schützen, der Raouls Bruder ist. Dadurch wird ein Denkprozess in Raoul initiiert, der zuvor Franks quasi gewalttätigen Umgang mit der idyllischen Landschaft um einen Bergsee offenbar bereitwillig unterstützte, indem er durch die Vermessung der Landschaft die Grundlage für deren touristische Erschließung lieferte.
Das hat man schon sehr oft gesehen: Verruchter Stadtmensch will wunderschöne Natur in eine lukrative Tourismus-Hölle verwandeln. Die Rolle des unschuldigen Landmädchens, das eine hierbei wichtige Figur zum Umdenken bringt, ist hier allerdings aufgeteilt auf Undine sowie die nette Andrea (Constanze Lindner), die Raoul bei seinen Vermessungen hilft. Die entgegengesetzte Figur, nämlich die urbane Verführerin ohne Bezug zur landschaftlichen Schönheit, darf natürlich auch nicht fehlen und wird von Anouschka Renzi gegeben.
Man vergleiche zum Beispiel "Das Schweigen im Walde", eine mehrfach verfilmte Geschichte von Ludwig Ganghofer, in der ein junger Adliger vom desaströsen Abholzen eines Bergwaldes durch ein anmutiges junges Mädchen bekehrt wird, wobei ihm seine gierige dekadente Verlobte ständig nachstellt und ihn in sein luxuriöses Lotterleben zurückholen will.
Wie dem auch sei, der Bergsee ist so schön in Szene gesetzt, wie es die Erzählung erfordert. Hier kann man dem Film keinen Vorwurf machen. Nachtszenen wurden durch Filterung realisiert, kurioserweise kann man mindestens eine davon in der Kinovorschau als Tagszene sehen. Die größte Schwäche des Films sind die Darsteller bzw. ihre Führung. Denn die Dialoge klingen aufgesagt und die Gesten wirken einstudiert. Es fehlen Flüssigkeit und Glaubwürdigkeit. Das fällt in erster Linie bei Christopher Buchholz auf - der als Darsteller ähnlich naiv herüberkommt wie seine Figur konzipiert ist, aber besonders eine naive Figur darf nicht naiv gespielt werden -, lässt sich aber auch über die anderen Darsteller sagen. Ludwig Dornauer beispielsweise versucht zu sehr, wie ein Bösewicht zu sprechen, was nicht gerade natürlich wirkt. Isabelle Pasco fällt alles in allem noch am positivsten auf und agiert auch mit wenig Bekleidung, was die Rolle sozusagen naturgemäß mit sich bringt, souverän den Situationen angemessen.
Abgesehen davon kann die Inszenierung im Rahmen des sicher nicht üppigen Budgets überzeugen, abgesehen von einem abstrusen Kunstgriff gegen Ende des Films, als Frank versucht den ganzen Berg in die Luft zu sprengen (auch klassisch: Der Bösewicht ist so böse, dass er das Ziel vor Augen verliert ...). Der resultierende Steinschlag wird durch einen Schnitt zu einem von Felsbrocken übersäten Abhang simuliert, dem man aber ansieht, dass die Felsbrocken da schon etwas länger liegen. Das Fazit ist: Man kann einiges aussetzen an diesem Werk von Eckhart Schmidt, aber er hat bis zu einem gewissen Punkt das Potenzial gezeigt, das nach wie vor in Sagenstoffen sowie alpiner Landschaft liegt. Der Film hätte abgründiger und weniger generische Romanze sein und weniger steif gespielt werden können. Trotzdem ist "Undine" nicht uncharmant und durchaus einen Blick wert.