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Syracuse (Colin Farrell) ist Fischer und lebt irgendwo in Irland ein ganz normales Leben. Seinen Spitznamen „Circus“ hat er noch aus der Zeit als er aktiver Trinker war und jede Menge Unsinn machte. Doch damit ist es schon seit längerer Zeit vorbei. Sein ganzer Lebensinhalt ist nun seine kleine Tochter Annie (Alison Barry), die durch eine Krankheit teilweise auf den Rollstuhl angewiesen ist. 

Eines Tages findet Syracuse in seinem Fischernetz eine junge Frau namens Ondine (Alicja Bachleda), die anfangs keinerlei sonstiges Erinnerungsvermögen besitzt. Ohne zu wissen wen er da vor sich hat, nimmt er die Frau bei sich auf und im Laufe der Zeit entwickelt sich zwischen beiden eine Beziehung. 

Wer oder was aber ist Ondine wirklich? Annie, Syracuses Tochter, hat da eine ganz eigene Theorie. Sie ist sich sicher, dass Ondine eine Meerjungfrau auf Landurlaub ist…

Obwohl Regisseur Neil Jordan im Verlauf der Handlung dem Meerjungfrauen-Thema einiges an Zeit widmet ist „Ondine“ trotzdem kein Märchen-Film geworden, zumindest nicht im althergebrachten Sinne. 
Um dem hiesigen Ansatz etwas abgewinnen zu können muss man sich schon etwas vom klassischen Märchen entfernen und überraschendes, ja sogar märchenhaftes im alltäglichen sehen können und zu schätzen wissen. 

Die besten Momente des Films basieren auf der Frage, ob Ondine nun wirklich eine Meerjungfrau ist, oder nicht. Dieses Spiel, dass Regie und Drehbuch mit dem Zuschauer spielen erhält zwar immer wieder Nahrung durch kuriose Kleinigkeiten, doch insgeheim wissen wir alle natürlich, dass es keine Meerjungfrauen gibt.
Und doch gelingt es dem Film den Zuschauer mit Annie immer wieder auf die Reise zu nehmen und die Realität in Frage zu stellen. Unterstützt wird dies vortrefflich durch die Locations. Die teilweise traumhaft schöne, herbe irische Landschaft trägt hier ihren Teil dazu bei, was vor allem auch an der Kameraarbeit von Christopher Doyle liegt, der ja für seine Arbeit im Hongkong-Kino (u.a. Hero, Chungking Express) bekannt sein dürfte. 

Wer oder was Ondine wirklich ist, wird hier selbstverständlich nicht verraten. Routiniertere Zuschauer der engl. Originalfassung dürften der Auflösung aber recht schnell ziemlich nahe kommen. 

Hier liegt dann auch der größte Kritikpunkt verborgen, denn die Auflösung wirkt in meinen Augen ziemlich aufgesetzt, konstruiert und so als hätte man einfach mal mit der Meerjungfrauen-Story im Kopf drauflos gedreht und irgendwann bemerkt, dass man die Story ja auch zu einem vernünftigen Ende bringen sollte, für das allerdings keiner der Beteiligten eine vernünftige Idee hatte… 

Die restlichen Handlungselemente, wie z. B. die Liebe zwischen Circus und Ondine, werden größtenteils nur sehr oberflächlich behandelt, was dem ganzen Streifen paradoxerweise sogar ganz gut tut. Gerade die Tatsache, dass Probleme, Charaktere usw. eben nicht bis an die Schmerzgrenze vertieft werden führt in Verbindung mit dem in einigen Szenen auftauchenden etwas schrulligen Humor zu einem ganz ordentlichen Ergebnis. 

„Ondine“ ist damit ein ganz netter Unterhaltungsfilm geworden, der ohne Getöse, Effekte, unter die Gürtellinie zielendem Humor, 3D und sonstiger Augenwischerei seine Handlung abspult.

In einem solchen, eher ruhigen Film ausgerechnet Colin Farrell anzutreffen überrascht etwas. Nach diversen mehr oder minder guten Hollywood-Streifen und vor allem seinem desaströsen Auftritt als Bullseye im Superhelden-Flop „DareDevil“ war es einige Zeit etwas ruhiger um den irischen Mimen geworden. Nach Rollen in kleineren Filmen, ist Farrell nun wieder in seiner Heimat angekommen und versucht mit dieser Rolle gegen sein Image als gelackter Schnösel anzuspielen.
Um es kurz zu machen, das Unterfangen gelingt nur teilweise. Zwar spielt er die nicht gerade sehr anspruchsvolle Rolle ganz passabel, in seinem etwas heruntergekommenen Fischer-Outfit sieht der Mann aber trotzdem etwas unglaubwürdig aus. 

Die zweite Hauptrolle ging hier an die in Mexiko geborene Polin Alicja Bachleda. Das Anforderungsprofil dürfte für die Rolle noch etwas dünner gewesen sein als im Falle von Farrell. Wahrscheinlich stand da was von wegen „attraktiv, passabel schauspielernd...“. Bachleda erfüllt diese Anforderungen locker und hat damit die Chance in einem weiteren Streifen zu beweisen, ob sie eine gute oder nur eine durchschnittliche Schauspielerin ist. 

Da beide Hauptdarsteller nicht restlos überzeugen, geht hier der Preis für die beste Darstellung eindeutig an die kleine Alison Barry. Sie bringt durch ihre altkluge Art, gepaart mit dem kindlichen Glauben an die Meerjungfrau ordentlich Leben in das insgesamt etwas gemächliche Tempo des Films. 

Nebenbei sei noch bemerkt, dass Stephen Rea hier noch eine kleine Nebenrolle als Priester und Beichtvater von Syracuse spielt. Rea, ein alter Weggefährte von Regisseur Jordan, meistert auch diese Rolle gut wie immer und bringt in seinen Szenen etwas Humor in den Streifen ein. 

Fazit: „Ondine“ ist kein perfekter Film geworden, denn in nahezu allen Bereichen hat er seine Defizite. Dennoch punktet der Streifen dadurch, dass ohne großes Brimborium eine simple Geschichte erzählt, die trotz aller Mankos gut zu unterhalten weiß.

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