Review

Eine junge Frau bricht alle Kontakte zu ihrem zivilen Leben ab und macht sich auf einen Roadtrip mit unbekanntem Ziel. Nach längerem Trampen landet sie in einem einsamen Haus auf einer verlassenen Insel mitten im Nirgendwo. Mit dem älteren Mann, der hier lebt, schließt sie einen Pakt: Essen gegen Mithilfe in Garten und Haus. Keine persönlichen Fragen. Die Vereinbarung läuft gut, doch natürlich kommen sich die beiden zurückgezogenen Seelen in der tiefen Einsamkeit der irischen Natur zögerlich näher...

Das Regiedebüt der polnischen Regisseurin Urszula Antoniak besticht durch ein feinfühliges Porträt zweier verlorener Charaktere, die sich von der menschlichen Gemeinschaft überfordert fühlen und in der gemeinsamen Einsamkeit Stück für Stück zueinander und zu einem zerbrechlichen inneren Gleichgewicht finden. Mit unglaublich viel Fingerspitzengefühl und einem tiefen Gespür für die kleinen Details des täglichen Miteinanders, die viel bedeuten können, tastet sich „Nothing Personal“ vorsichtig und zärtlich an die inneren Zustände seiner beiden Agierenden heran.

Dieses Charakterporträt wird vor allem durch zwei Aspekte zur ebenso stillen wie fesselnden Psycho-Studie: Einerseits überzeugen die beiden Hauptdarstellenden durch ihr fantastisches, tief naturalistisches Spiel. Lotte Verbeek und Stephen Rea leben ihre Charaktere mit enormer Präsenz, ohne dabei jemals in offensichtliche schauspielerische Tricks zu verfallen. Die Hintergründe ihrer Figuren, die höchstens angerissen, weitestgehend aber völlig ausgespart werden, lauern permanent im Hintergrund, hinter jeder Geste, jedem Satz, jeder aggressiven Abwehr scheinbarer (oder tatsächlicher) Aufdringlichkeit. Die Vehemenz, mit der die Frau die menschliche Gemeinschaft mit all ihrer Doppelmoral und Heuchelei hinter sich lassen will, wird bereits anfangs grandios inszeniert, wenn sie bei einem Mann im Auto mitfährt, der sie während der Fahrt zu bedrängen beginnt, woraufhin sie kurzerhand die Tür öffnet und ihren Rucksack und sich selbst bei voller Fahrt in den Straßengraben wirft. Was genau ihr widerfahren ist, dass sie sich so konsequent von der menschlichen Gemeinschaft zurückziehen will, wird niemals erläutert; dass sie auch nicht vollständig verzichten will oder kann, wird wiederum in einer schönen Pubszene deutlich, in der sie zu Musik immer intensiver zu tanzen beginnt. Auch von dem Mann erfährt man kaum mehr, als dass seine Frau gestorben ist und er Medikamente braucht, und trotzdem gelingt dem Film durch seine stille, zurückhaltende Beobachtung der beiden in ihrem sich annähernden Alltag ein dichtes Charakterporträt, das die Zuschauenden sich den beiden ungeheuer nah fühlen lässt.

Zum anderen begeistert die formale Inszenierung des Films. Vor allem die Kamera leistet eine ruhige, aber enorm intensive Arbeit, breitet wiederholt die so wunderschöne wie raue Natur der irischen Küste aus, in der sich die Figuren verlieren können, schafft es aber auch wiederholt, die menschlichen Körper selbst zu so etwas wie Naturbildern werden zu lassen: Wenn zwei Hände in Nahaufnahme zueinander finden oder die Kamera aus der Vogelperspektive beobachtet, wie sich die nackte Frau ganz dicht an den Mann ankuschelt (eine Szene, die weder so erotisch noch romantisch ist, wie man meinen könnte, sondern ganz im Gegenteil von tiefer Traurigkeit durchzogen ist), scheinen die Körper der beiden beinahe ein Eigenleben zu entwickeln, entblößen Details – Muskelbewegungen, Falten, Adern unter der Haut – die einem meist entgehen. Das alles fügt sich in einem wunderbar flüssigen Stil ein, der zu keinem Zeitpunkt so etwas wie Voyeurismus aufkommen lässt. Der fast nicht existente Score, die ruhige Schnittfrequenz mit langen Einstellungen und langsamen Kamerafahrten lassen den Agierenden viel Raum zum Entfalten und schaffen es eben doch, eine herrlich verträumte Atmosphäre zu kreieren, hinter der doch permanent die tiefe Melancholie der beiden von den Menschen enttäuschten Personen zu spüren ist.

Dass der Film in seinem Bemühen, vieles offen zu lassen, besonders anfangs manche Details zu irritierend werden lässt, dass so einiges in der Beziehung oder im Verhalten der beiden Agierenden mit ihren Ecken und Kanten schwierig erscheint, kann man mögen oder ablehnen. „Nothing Personal“ ist einer jener leisen Arthouse-Filme, die sich nicht anbiedern wollen, sondern die das, was sie zu sagen haben, auf ihre ganz eigene Weise ausbreiten. Selbst das Ende, das im ersten Moment etwas plump und klischeehaft wirkt, bekommt durch das unvorhersehbare Verhalten der Frau noch einige interessante Aspekte verliehen. So erweist sich der Film als faszinierende, tief bewegende und in einigen Szenen beinahe meditative Reise ins menschliche Innere und in den Kampf der Seele mit ihrer Umwelt.

Details
Ähnliche Filme