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Eine Frau kommt von ihrem Arbeitstag nach Hause, bereitet ein wenig die Wohnung vor, zieht sich um – denn sie erwartet einen Gast. Sie und ein Kollege haben sich auf ein Date verabredet. Er kommt dann auch (ein wenig zu früh), und sie reden und nähern sich vorsichtig einander an, verbringen den Abend miteinander, haben mal mehr, mal weniger miteinander zu reden, verstehen sich mal besser und mal schlechter.

Klingt unspektakulär? Ist es aber nicht! Denn Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Tom Noonan (einem größeren Publikum vielleicht als menschliche Monstren in „Blutmond“ und „Last Action Hero“ bekannt) entwickelt das minimalistische Zwei-Personen-Kammerspiel „What happened was...“ zu einem fesselnden, ergreifenden und emotional tiefgründigen Panorama urbaner menschlicher Ängste und Hoffnungen, dem man sich nach einer Weile kaum noch entziehen kann.

Das liegt allem voran selbstverständlich an den beiden Agierenden, die als einzige Darstellende den gesamten Film tragen. Sowohl Noonan als auch Karen Sillas verleihen ihren Charakteren derart viel Natürlichkeit sowie Ecken und Kanten, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit in echte Menschen, nicht nur Theaterfiguren, zu verwandeln scheinen. Das beginnt schon mit Sillas, die in der wortlosen Eingangssequenz durch ihre Wohnung eilt, Musik hört, Dinge hin und her räumt, die Qual der Kleiderwahl durchmacht, das Essen vorbereitet. Schon in der fließenden, absolut glaubwürdig dargestellten Alltäglichkeit erschließt sich das Konzept des Films, zwei Durchschnittsmenschen bei ihren Durchschnittstätigkeiten zu begleiten und doch dadurch eine allgemeingültige Studie über modernes Leben – und Dating – in der Großstadt zu entwickeln.

So zeigen sich hier viele kleine Handlungen, die nach und nach ein Charakterbild der beiden Agierenden aufschlüsseln, mal witzig, mal ernst – so lässt die Frau, als es an der Tür klingelt, eine Keramikfigur fallen und entsorgt die Trümmer kurzerhand im Aquarium. Durch lange, natürlich vorgetragene Dialoge (samt Pausen, Stockungen, Missverständnissen und mal mehr, mal weniger gelungenen Witzen) entwickeln beide Protagonisten das Bild zweier einsamer, verunsicherter Menschen, die im Trubel des modernen Großstadtlebens eine Orientierung suchen. Die Verletzlichkeit beider sich souverän gebender Personen schimmert immer durch, hinter kurzen Pausen oder zweifelnden Blicken, unangenehmem Schweigen und zu lautem Lachen. Dem absolut natürlichen und durchgehend fesselnden Spiel der beiden Darstellenden kann man hier gar nicht genug Lob zukommen lassen.

Aber auch die Dialoge, die einen Großteil des Films bestimmen, glänzen gerade durch ihre Nichtperfektion, die Verkürzungen und mitunter schwer verständlichen Zusammenhänge, die sie zu vollkommen überzeugenden Beispielen dafür machen, wie man alltäglich-natürliche Dialoge in ein kaum als künstlich zu erkennendes Sujet übertragen und dadurch ein wahrlich beeindruckendes Abbild der Lebensrealität gewöhnlicher Menschen erzeugen kann. Dabei zeigen beide Agierenden doch genug Kanten, um auch den Zuschauenden immer wieder stutzen zu lassen – oft reagieren beide irritierend zweifelnd oder scheinbar ablehnend auf das, was das Gegenüber von sich gibt. Immer wieder gibt es kurze Reaktionen, in denen irgendwer irgendetwas gesagt zu haben scheint, was dem anderen missfällt. Diese sich nach und nach aufbauenden Momente des Unwohlseins finden ihren Höhepunkt in eine Sequenz, die urplötzlich eine zutiefst beklemmende und beunruhigende Atmosphäre aufbaut: Die Frau liest auf drängenden Wunsch ihres Gastes eine selbst geschriebene Kindergeschichte vor, die sich als grausig-verstörendes Horror-Märchen entpuppt, während der Mann beim Zuhören plötzlich Geräusche, flüsternde Stimmen und raschelnde Bewegungen um sich herum zu hören meint. Diese atemlos fesselnde Sequenz, die einen sehr überraschenden Ausflug in subtilen Psycho-Horror darstellt, passt erstaunlicherweise perfekt ins Gesamtgefüge der Story, die ihre Agierenden zwar mit beiden Beinen tief in der Wirklichkeit verwurzelt, in der doch aufkeimenden Düsternis des Appartements aber auch immer wieder visuelle Metaphern für die seelischen Verwerfungen der beiden findet.

In diesem Sinne arbeitet auch die Kamera hervorragend, vor allem, wenn man ihre begrenzten Möglichkeiten bedenkt: Ein- und Ausleitung bestehen lediglich aus einem Blick aus dem Fenster. Anfangs sieht man die Hochhäuser des Molochs und dazwischen ein Stück Himmel, das sich im Zeitraffer in Nachtschwärze verwandelt; am Ende wird der Zuschauende zu melancholischer Musik mit einem Blick auf die alt und dreckig und unpersönlich wirkenden nächtlichen Gebäude entlassen. Dass die beiden Agierenden am Ende mit ihrem Bemühen scheitern, jemanden zu finden, der sie auf ihrem Weg begleitet, ist eine traurige, aber insgesamt glaubwürdige Entwicklung, die zwar gegen Ende mit einem Hauch zu viel Dramatik (Streitereien, Lebensbeichten und Verletzungen) erkauft wird, aber doch gut ins Bild passt.

„What happened was...“ ist ein erstaunliches Stück Ensemble-Kammerspiel, das anhand zweier grandios gezeichneter und gespielter Charaktere und mit einem einzigen Handlungsort doch ein Panorama des modernen Großstadtlebens, samt aller Fröhlichkeit, Freiheit, Einsamkeit, Hoffnung und Ängste zu entwickeln versteht. Ein echter Geheimtipp für alle Arthouse-Gourmets.

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