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„David Lynch presents…“

Dieser Satz allein reicht schon aus, um sich gleich von Beginn an ein Bild über den betreffenden Film machen zu können – man darf also keine massentaugliche Mainstream-Ware erwarten, sondern eher eine künstlerisch ambitionierte Produktion für Cineasten. Dieses „Gütesiegel“ gilt jedoch nicht nur für Werke, welche Lynch persönlich inszeniert hat, sondern auch für jene, an denen er als Produzent beteiligt war – schließlich gibt der Mann seinen Namen nicht für x-beliebige Projekte her (wie etwa Wes Craven), sondern bemüht sich, seinem Image und Qualitätsbewusstsein treu zu bleiben (weshalb er „Cabin Fever“ trotz Unterstützung nicht öffentlich präsentierte, Eli Roth sich aber im Abspann bei ihm „ganz besonders“ bedankt).
Im Jahre 1994 entschied sich Lynch, den bis dato unbekannten Regisseur Michael Almereyda bei dessen Projekt „Nadja“ zur Hand zu gehen – seine Handschrift ist dem fertigen Film derart anzusehen, dass gar Gerüchte aufkamen, Lynch hätte Almereyda am Set quasi „entmachtet“ und letztendlich selbst Regie geführt, was jedoch keinesfalls der Wahrheit entspricht…

Nach dem Tod ihres dominanten Vaters will Vampirstochter Nadja (Elina Löwensohn – „Wisdom of Crocodiles“) zusammen mit ihrem „Sklaven“ Renfield (Karl Geary – „Mimic 3“) fernab des „alten Europas“ im heutigen New York ein neues Leben beginnen sowie sich endlich mit ihrem Bruder Edgar (Jared Harris – „Resident Evil 2“) versöhnen. Eines Abends trifft sie in einer Bar auf die junge Lucy (Galaxy Craze – „a Kiss before dying“), die nach einem Streit mit ihrem Freund Jim (Martin Donovan – „Heaven“) dort etwas Ruhe und Abstand sucht. Beide Frauen kommen ins Gespräch und erkennen gemeinsame Ansichten und Sehnsüchte, worauf sie im Anschluss in Lucys Wohnung gehen, wo Nadja sie verführt sowie in ihren Bann zieht…
Währenddessen muss Jim gerade seinen Onkel Van Helsing (Peter Fonda – „Easy Rider“) aus dem Gefängnis holen, da dieser verhaftet wurde, nachdem er einem Mann einen Pflock ins Herz gerammt hat. Als beide Lucy am nächsten Tag in einem Trance-ähnlichen Zustand vorfinden, schließt Van Helsing umgehend auf die Beteiligung eines Vampirs. Ihm ist klar, dass man sie nur retten kann, indem man genau jenes Wesen tötet, welches ihr das angetan hat…
Derweil hat Nadja ihren Bruder ausfindig machen können, der (wegen der Weigerung, sich von Blut zu ernähren) inzwischen stark geschwächt ans Bett gefesselt ist, wobei sich die Krankenschwester Cassandra (Suzi Amis – „Titanic“) rührend um ihn kümmert, da beide (über das Pflegeverhältnis hinaus) intensive Gefühle füreinander hegen. Gegen seinen Willen spendet Nadja Edgar mit Hilfe ihres Blutes sowie eines Plasmas neue Kraft und verlegt ihn anschließend in das abgedunkelte Luxusapartment ihres Vaters – und genau dort findet dann die erste Konfrontation aller Parteien statt, denn mit Hilfe von Lucys geistiger Verbindung zu Nadja, war es Jim und van Helsing möglich, jenen Aufenthaltsort ausfindig zu machen…

Auf den ersten Blick erinnert „Nadja“ an Abel Ferraras „the Addiction“ – schließlich handelt es sich in beiden Fällen um ruhige, ungewöhnliche Vampirfilme in Schwarzweiß – doch während Ferrara einen philosophischen Ansatz voller Metapher wählte, bietet Almereyda mit seinem Werk leichtere Kost mit ironischen Wendungen und offenkundlichen Tributen an die Klassiker des Genres: Die Beleuchtung sowie daraus resultierende Schattenspiele erinnern an die großen Stummfilme oder etwa Ingmar Bergmann Filme, Elina Löwensohns Auftreten gegen Ende ist nicht nur von der äußeren Erscheinung her eine klare Anspielung an Murnaus „Nosferatu“.
Während „the Addiction“ sich auf die Thematik im Hintergrund ausrichtete, konzentriert sich „Nadja“ auf die Charaktere, was teilweise recht deutlich an Filme von Hal Hartley („Trust“) erinnert, da in ihnen die Personen ebenfalls im Vordergrund stehen sowie alles mit trockenem Humor aufgelockert wird. Dieser Eindruck wird zudem verstärkt, da mit Martin Donovan („Simple Men“) und Elina Löwensohn („Amateur“) zwei Hartley-„Veteranen“ die Hauptrollen bekleiden. Darüber hinaus ragt vor allem noch Peter Fonda aus der Besetzung hervor, da er seine Figur des Van Helsings als impulsiven, langhaarigen („Ex-Hippie“-artigen) Vampirjäger spielt, der von seiner Berufung vollkommen überzeugt ist und sich nachts mit Fahrrad und Sonnebrille auf die Jagd begibt – seine Szenen sind einfach köstlich und erzeugen einen interessanten Kontrast zu seiner „Gegenspielerin“ Nadja, welche ruhig, berechnend und geheimnisvoll agiert. Darüber hinaus gibt sich Produzent David Lynch, wie schon im „Twin Peaks“-Film, mit einem Kurzauftritt die Ehre.

Die Geister scheiden sich sicherlich vor allem an der Idee des Regisseurs, besonders emotionale Szenen in einer extrem grobkörnigen Optik zu filmen. Jedes Mal, wenn ein Vampir ins Geschehen eingreift oder Einfluss auf Personen geltend macht, verändert sich das Bild hin zu einer pixeligen Ansicht der Geschehnisse, die auf Dauer etwas überzogen und anstrengend wirkt. Almereyda ist aber nun einmal ein Filmemacher mit künstlerischem Anspruch (ähnlich E.Elias Merhige – „Shadow of the Vampire“), was auch in seinen späteren (glatteren) Werken wie „Trance“ oder „Hamlet“ (2000) erkennbar blieb.
Der Soundtrack (u.a.„Portishead“) ist hingegen absolut stimmig geraten und unterstreicht gekonnt die surrealen Elemente mancher Sequenzen. Die Schlusswendung stellt sich ebenfalls als recht ungewöhnlich heraus – vor allem, wenn man bedenkt, um welche beiden Personen es sich genau dabei handelt…

Obwohl das Interesse am Geschehen durchweg gehalten werden kann, ist die Story an sich leider nicht ganz so überzeugend geraten, wie ich sie mir erhofft hatte, denn zugunsten der Figuren bleiben doch einige Ansätze ungenutzt. Insgesamt gefiel mir der Film trotzdem recht gut – auch wenn ich „the Addiction“ als überzeugender empfand.

Fazit: „Nadja“ ist ein ungewöhnlicher und stimmungsvoller Arthouse-Vampirfilm mit einigen kleinen Schönheitsfehlern, den man in etwa mit „Bram Stoker trifft Hal Hartley trifft David Lynch“ umschreiben könnte … 7 von 10.

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