Nachdem die Serie Twin Peaks durch die DVD-Veröffentlichung und Wiederholung im Fernsehen einen neuen Popularitätsschub erfahren hat, fragen sich viele, wann sie sich den Spielfilm am ehesten anschauen sollten, vorher oder nachher.
Die eigentliche Frage sollte jedoch lauten, OB man sich auf diesen Spielfilm einlässt, der mit einer der besten, innovativsten und schönsten Fernsehserien überhaupt nur auf dem Papier (Ort und Figuren) vieles gemein hat, und auf praktisch alle ihre Vorzüge wie Spannung, Witz, sinnliche, brillante, wandlungsfähige Darstellungen weitgehend verzichtet.
Der Film wurde mit dem Label 'Prequel' versehen, weil er zeitlich vor der Handlung der Serie einsetzt und die letzten sieben leidensreichen Tage im Leben der homecoming queen Laura Palmer schildert.
Davor geht es jedoch erneut einen Schritt zurück: Die erste halbe Stunde mit zahllosen neuen Figuren ist filmisch weder ge- noch misslungen sondern schlicht ein Kandidat für "deleted scenes", weil sie die Geschichte in keiner Weise voranbringt und an Informationen lediglich liefert, dass hinter Laura Palmers Tod übersinnliche Kräfte stehen: also das einzige, was jemand ohnehin über Twin Peaks weiß, auch wenn er die Serie nur vom Hörensagen kennt.
Viele Serienfiguren haben lediglich einen einzigen Auftritt, wobei allein die Rolle von Lauras bester Freundin Donna neu- und leider fehlbesetzt wurde. Die neue Donna wirkt bedauerlicherweise nicht annähernd so erotisch ist wie Lary Flynn Boyle, damit ist nicht der Pinup-Faktor gemeint, sondern einfach etwas, was den gesamten Film charakterisiert: alles, was in der Serie erst dadurch reizvoll wurde, dass es nur angedeutet wurde, wird hier durch explizite Gewalt- und Sexdarstellungen komplett verheizt. Die großen Stärken der TV-Produktion wirken hier geradezu gewalttätig verändert: Der Soundtrack hat sich von den wundervollen Melodien sehr stark in Richtung reines Geräusch bewegt, die Kamerawinkel und Licht zaubern keine bestechend schönen Figuren und Bilder mehr, sondern (immer noch stark stilisierte) raue Eindrücke einer kranken Welt, der ein echtes Gegengewicht fehlt, Schnitt und Timing scheinen komplett aus der Kontrolle geraten, wie in der schmerzlich langen Discoszene.
Der große Fehler beim Casting liegt hier - wie bei "Dune" - darin, dass jede noch so beiläufige Rolle mit großen Namen besetzt ist (Chris Isaak, Bowie, Lynch selbst hat einen Gastauftritt), weswegen der Film gerade dadurch so zerrissen wirkt, weil hinter jedem dieser Auftritte für den Zuschauer nur große Fragezeichen stehen.
Der eigentliche Schwerpunkt des Films konzentriert sich auf den Leidensweg von Sheryl Lee als Laura Palmer und Ray Wise als ihren Vater, welche in ihren Verkörperungen von Zerrissenheit und Leid das (einzige) Highlight des Filmes sind. Nach Produktionsberichten, waren viele Schauspieler nur widerwillig bereit, noch einmal nach "Twin Peaks" zurückzukehren, Sheryl Lee, Ray Wise und Grace Zabriskie merkt man dies zum Glück zu keiner Sekunde an.
Die Grenze zwischen magischen Kinobildern und pseudosurrealistischer Murks wie in der Szene "above the convenience store" ist im Twin Peaks - Spielfilm sehr durchlässig. Ob man dem Film überhaupt eine Chance gibt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob man der Meinung ist, dass sich Lynch schon etwas dabei gedacht hat, wenn er Jürgen Prochnow für ein paar Sekunden aus dem Hut zaubert, nur um ihn auf die Schenkel klopfen zu lassen.
Im Nachhinein mutet es merkwürdig an, dass man sich noch einen weiteren Twin Peaks - Spielfilm versprochen hatte, Pläne die nach dem gnadenlosen Flop in den USA und Deutschland sowie nach den schallenden Kritikerohrfeigen ("Schlussverkauf", "noch nicht mal ein Film", "dies ist nicht der schlechteste Film aller Zeiten, er sieht nur so aus") jedoch sehr schnell in der Versenkung verschwanden.
Lynch selbst hat anscheinend nie verstanden, warum so viele Menschen mit seinem Film nichts anfangen konnten, (eine Naivität, die mich insgeheim schmunzeln läßt). Alle, denen ein Film vollkommen ohne Balance und Struktur, der rein auf seine Hauptdarsteller zugeschnitten ist, nicht zu wenig ist, sollten aber gerne einen Blick riskieren. Ob man Twin Peaks-Liebhaber ist oder nicht, spielt, denke ich, keine Rolle. Es ist nicht der Film zur Serie, sondern eine vollkommen eigenständige Produktion, die bewusst und unbewusst mit vielen Aspekten der Serie bricht und dennoch (vielleicht) einiges an Vorwissen fordert.