Live aus der Hölle
Ein garstig-grobkörniger Experimentalfilm mit fast sagenhaftem Status innerhalb der Branche ist "Begotten", eher horrende Kunstinstallation als Kinofilm mit so etwas wie Handlung... Aber wenn ich seinem Inhalt bzw. seinen bizarren, brodelnden Bildern einen Zusammenhang und bemüht eine Bedeutung verleihen müsste, dann geht's um Selbstverstümmelung, (Wieder-)Geburt und die spirituelle Reise eines göttlichen Wesens... Oder so ähnlich.
Avantgarthousehorrorkino für's Unterbewusstsein
Richtig beschreiben, greifen oder unter normalen filmischen Kriterien beurteilen kann man "Begotten" eigentlich kaum noch. Das ist kein Erzählkino, kein Vorgangskino, sondern purstes und radikalstes Kino des Unterschwelligen, des Abseitigen, des Ausgestoßenen, des Fühlens, der dunkelsten Alpträume. Eher Kunst als Kino (wobei beides natürlich immer eins sein kann). Für viele sicher auch Kunst, die wegkann. In dem Fall will und kann ich das niemandem vorhalten oder ausreden. Und trotzdem war "Begotten" eines der intensiveren Erlebnisse, das ich je alleine mit einem "Film" in einem dunklen Raum hatte. Eher für Filmmuseum als den Sonntagnachmittag mit Filmfreunden. Aber so, so, so speziell und gut! Das geht unter die Haut, das kribbelt, das brummt, das macht nervös. Und das schrammt mit seinen 72 Minuten auch gerade so an meiner Gedulds- und Konzentrationsgrenze für sowas lang. Auf der positivsten und tief beeindruckten Seite, versteht sich. Ein Monolith der Verstörung. "Angel's Egg" meets "The Holy Mountain" in schwarzweißem D-Moll. Natürlich erkennt man etwas Dreyer, Bergmann und Jodorowsky. Aber "Begotten" treibt diesen Stil dermaßen in ungeahnte Extreme und Abgründe, dass es unbedingt sehenswert, wertvoll und krass ist. Vom Mainstream oder normalen Sehgewohnheiten - selbst im Hardcore-Horror-Bereich - könnte das aber natürlich kaum weiter entfernt sein. Aber es ist ein Erlebnis, wenn man sich darauf einlässt. Absolut. Erweitert den Horizont hypnotisch und hart an jeder erträglichen Grenze. Ist näher an echten Alpträumen oder Drogen-/Höllentrips als an filmischen Fixpunkten. Meine Wertung bezieht sich auf "Begotten" als beängstigendes Kunstwerk - nicht als logische Abfolge von Handlungen. Manchmal erinnert das an biblische Inhalte, manchmal noch eher an ewig traurige Bilder der sterbenden Juden im KZ, manchmal an das Video aus "The Ring", manchmal dann wiederum an blutigste Kaiserschnitte und manchmal an vagste Traumfetzen aus den düstersten Ecken unseres Unterbewusstseins. Vollkommen einnehmend. Der Lieblingshorrorfilm, des krassesten Horrorfilms, den du kennst.
Symbolismus zwischen Satan und Superlativen
Fazit: dagegen wirkt selbst "Eraserhead" noch wie die "Tagesschau"... Ursuppe auf der Leinwand. Ich bin kein Fan der Extreme, aber "Begotten" ist ein Trip, den man nur hassen oder feiern kann!