Review

Erstmal: Eva Green spielt mit. Also ist der Film sehenswert. Zweitens: Eva Green spielt eine Hauptrolle. Also ist der Film gut. Drittens: Eva Green spielt eine exaltiert und lebensfroh agierende, sehr beliebte Internats-Lehrerin, die im Verborgenen aber psychisch krank ist und nur im abgeschotteten Kosmos des Internats bei den jungen Mädchen als Vorbild gilt, während sie draußen in der “echten Welt” des Vorkriegs-England gar nicht bestehen könnte, gar nicht überlebensfähig wäre. Dies will sie sich aber nicht eingestehen und belügt sich und ihr Umfeld zwanghaft mit Geschichten ihrer angeblichen Globetrotter-Vergangenheit. Ihre unerfüllbaren Sehnsüchte projiziert sie alsbald auf eine neue Internats-Schülerin, was absolut wahnsinnige und verheerende Züge annimmt. Eva Green als psychisch instabiles Energiebündel mit homoerotischen Neigungen? Also ist der Film phänomenal! Mit Eva Green würde ich gerne harte Drogen nehmen und um die Häuser ziehen. Denn die Frau ist der absolute Hammer. Gibt es irgendwo eine Schauspielerin mit krasserer Ausstrahlung? Sie müsste vermutlich nur einen ihrer alles durchdringenden Blicke aufsetzen, um ganze Taliban-Horden zu paralysieren. 


Eine kleine Überraschung hingegen ist die junge Spanierin María Valderde.  Sie hat so eine anmutige und ruhige, sehr mysteriöse und reife Aura, dass es absolut glaubhaft erscheint wie die von ihr gespielte neue Internats-Schülerin die bestehende Hierarchy und Gruppendynamik des Internats ins Wanken und nolens volens desaströse Ereignisse ins Rollen bringt.

Regisseurin Jordan Scott (tatsächlich: aus dem Klan von Tony und Ridley Scott) hat hier einen überaus beachtlichen Film gemacht, der zwar nichts Neues oder Wichtiges erzählt, aber gut ausbalanciert ist zwischen Thriller und Drama. Es geht um Sehnsüchte, Eifersucht, Profilneurosen, Obsession und Freiheitsdrang. Die Psychologie der Figuren wird nur insoweit behandelt wie nötig; ausbremsende Elemente in Form von bildungsbürgerlichem Schwurbel wurden glücklicherweise vermieden. Mag mancher Dialog auch zu offensichtlich sein. Mag die Struktur des Ganzen auch nicht ganz rund sein (z. B. die billige und vorhersehbare Instrumentalisierung der Atemwegs-Erkrankung von Valderdes Figur für eine dramatische Zuspitzung). Im Großen und Ganzen aber ein thematisch interessanter, durchaus spannender und manchmal überraschender Psycho-Thriller, bei dem zu keiner Zeit Langeweile aufkommt.

Dafür sorgt neben Eva Green vor allem Jordan Scotts gekonnte Inszenierung. Erstmal geht sie sehr effektiv mit dem Setting der Erzählung um. Es ist schon Shutter Island’esque, wie sie das Internat anlegt: Ein düsterer Ort, der mit einer Schiffsfähre erreichbar ist. Wer einmal ankommt, wird dort bleiben, auch wenn er anderes glaubt. Endstation für die Ausgestoßenen und Zuhauselosen. Ein in sich fast abgeschlossener sozialer Raum, in dem es zwangsläufig anfängt zu brodeln.

Vor allem schaffen Jordan Scott und Kameramann John Mathieson (“Kingdom of Heaven”) phantastische Bilder. Ein fast durchgängig schön anzuschauender Film, dessen Ästhetik aber niemals Selbstzweck ist, sondern die Geschichte und die Stimmungen der Figuren bereichert. Beispielsweise werden geradezu magische(!) Bilder eines ausgelassenes nächtlichen Badens im See kontrastiert mit einem im Filmverlauf aus der Perspektive verschiedener Figuren wiederkehrenden Bild des düsteren, beklemmenden Schulkorridors. Immer wieder pendelt “Cracks” in seiner Bildersprache und Atmosphäre zwischen poetischer Ausgelassenheit und gefängnisartiger Beklemmung. Je nachdem, ob die (de facto eingesperrten) Internats-Bewohner gerade Heimweh und Freiheitsdrang verspüren, oder ob sie ihre Sorgen für einen Moment vergessen wollen.

Ein fast durchgängig hübsch  photographierter und inszenierter Film. Man merkt, dass Jordan Scott einiges Gespür hat dafür, Geschichten wirklich filmisch umzusetzen. Da ist noch Potential vorhanden. Man wird von dieser Regisseurin in Zukunft sicherlich noch einiges zu sehen bekommen. Gerne wieder mit Eva Green in der Hauptrolle. Und gerne mit etwas relevanteren Geschichten als die von “Cracks”.

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