Bullen im Tierpark
„Ich kann diese ganzen akademischen Klugscheißer nicht ab!“
Der sechste Einsatz des Hamburger Ermittlerduos Stoever (Manfred Krug) / Brockmöller (Charles Brauer) ist einer der seltenen Fälle von Romanverfilmungen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe: Drehbuchautor Sven Freiheit adaptierte für „Tod im Elefantenhaus“ Peter Weissflogs gleichnamigen Roman aus dem Jahre 1982. Regisseur Peter Schadewald („Verlierer“) inszenierte den Fall von August bis Oktober 1986, die Erstausstrahlung erfolgte am 20. April 1987. Schadewald debütierte damit beim „Tatort“, führte auch bei der nächsten Hamburger Episode „Voll auf Haß“ Regie, verabschiedete sich im Anschluss aber wieder aus der Serie.
„In Indien hat man Verräter so hingerichtet.“
Rolf Bergmann (Raimund Harmstorf) ist der Inspektor des berühmten Hamburger Tierparks Hagenbeck und wird eines Tages in der Box der Elefantenkuh Mogli aufgefunden – totgetrampelt unter dem Gewicht des Tiers. Offenbar ein Mord, wie die Kommissare Stoever und Brockmöller schnell herausfinden. Dass Bergmann ein Choleriker war, den kaum jemand leiden konnte, macht es der Kripo alles andere als leicht, steigt dadurch doch die Zahl möglicher Motive und somit potentieller Täterinnen oder Täter. Zum einen wäre da David Weber (Ben Becker, „Whopper-Punch 777“), Sohn des Tierarztes Dr. Heinz Weber (Peter Bongartz, „Ein Stück Himmel“), der eine Liaison mit Bergmanns Tochter Inga (Kerstin Draeger, „Sturmflut“) hat, die Bergmann nicht guthieß – weshalb es kurz vor dessen Tod zu einer harten körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihm und David kam. Davids Vater wiederum hatte Bergmann dessen Verlobte Dr. Christine Lohnert (Hannelore Elsner, „Die Teufelsschlucht der wilden Wölfe“) ausgespannt. Und Buchhalter Albert Liehr (Franz Rudnick, „Libero“) wurde von Bergmann wegen Unregelmäßigkeiten in den Büchern unter Druck gesetzt. Tatsächlich hat Liehr eine höhere Summe veruntreut. Stoever und Brockmöller sehen sich genau im Tierpark um und versuchen, im Dialog zu so viel wie möglich über Bergmann und sein ehemaliges soziales Umfeld herauszufinden, um so vielleicht den Fall zu lösen…
„Das ist Mord!“
Welch ein Ensemble! Zu den oben Genannten gesellt sich noch Evelyn Hamann („Loriot“) als Sekretärin des Buchhalters dazu. Bei der Besetzung dieses „Tatorts“ wurde geklotzt, nicht gekleckert. Raimund Harmstorf als Rolf Bergmann erscheint zunächst gar nicht unsympathisch, als er einen Abend mit seiner Tochter verbringen möchte, was sich jedoch schnell ändert: Er hat Ärger mit dem Tierarzt und mit so ziemlich allen anderen auch. Die zarte Romanze, die sich zwischen seiner Tochter und David entwickelt, wird jäh zerstört, als er sie beim Vorspiel im Stroh erwischt, sogar Ingas Brust blitzt kurz auf. Er sieht rot und prügelt auf David ein, der sich zur Wehr sitzen muss. Schnitt. Rolf Bergmann liegt tot im Elefantenhaus, gefunden von den Tierpfleger Walter Pohle (Bruno Dallansky, parallel Oberinspektor des Wiener „Tatorts“-Zweigs!) und Max Steiner (Manfred Günther, „Bolwieser“), Stoever und Brockmöller ermitteln. Das Whodunit? wird früh scheinbar aufgelöst, doch diese Finte riecht man zehn Meter gegen den Wind. Dafür erfährt man, dass Ekel Bergmann sogar den Elefenten misshandelt hatte, der ihn letztlich totgetrampelt hat – ein nettes Spielchen mit dem Konzept des Karmas.
Während Buchhalter Liehr verzweifelt das Geld aufzutreiben versucht, wird der Verdacht immer stärker auf ihn gelenkt, zumal seine amourös an ihm Interessierte Sekretärin ihm mehr oder weniger signalisiert, Bescheid zu wissen, ihn aber schützen zu wollen (wunderbar gespielt von Hamann). Wir bekommen viele Tiere zu Gesicht und nach einer Verfolgungsjagd per pedes landet Brockmöller im Löwengehege. Angeschossen wird er auch, wenn auch lediglich mit Narkosemunition. Wie derartige Besonderheiten eines Tierparkbetriebs mit der Krimihandlung verwoben werden, ist ziemlich unterhaltsam. Die Kamera agiert recht konventionell, wartet aber mit einer schönen Kamerafahrt am Krankenhaus entlang auf. Gegen Ende erhält „Tod im Elefantenhaus“ wie aus dem Nichts eine melodramatische Komponente und damit verbunden einen weiteren Tatverdächtigen und ein neues Motiv, was in dieser Unmotiviertheit dann leider ein wenig an Schundromane erinnert (ohne Weissflogs Vorlage zu unterstellen, einer zu sein – ich habe sie nicht gelesen).
Seine Besetzung wertet diesen kurzweiligen Fall auf, der weniger ernstzunehmender Krimi denn vielmehr reißerisches Hagenbecks-Tierpark-Feature ist.