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„Verschwinde und lass dich nie wieder blicken!“

Nachdem Götz George als „Tatort“-Kommissar Schimanski die Segel gestrichen hatte, ging es für den WDR-Zweig der öffentlichen-rechtlichen Krimireihe mit einem neuen Team in Düsseldorf weiter: Hauptkommissar Bernd Flemming (Martin Lüttge, „Die Wannseekonferenz“) ermittelte zusammen mit Hauptmeister Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, „Kollege Otto – Die Coop-Affäre“) und Kommissarin Miriam Koch (Roswitha Schreiner, „Liebling Kreuzberg“). Dieser erste von 15 Fällen wurde von Kaspar Heidelbach („Ein Fall für zwei“) inszeniert, der damit seinen „Tatort“-Einstand feierte. Er verfilmte ein Drehbuch, das von Nikolaus Stein v. Kamienski, Jacki Engelken und Wolfgang Hesse in Koproduktion verfasst wurde. Die Erstausstrahlung erfolgte am 17. Mai 1992.

„Sie hatte nicht das Anzügliche im Auftreten.“

In Düsseldorf tobt der Karneval, doch die Stimmung bei der Polizei könnte besser sein, bekommt sie es doch innerhalb kürzester mit gleich zwei Tötungsdelikten zu tun: Das belgische Fotomodell Jacqueline Bordenave (Claudine Wilde, „Schloß Pompon Rouge“) wird von Gotcha-Spielern in einem verschneiten Waldstück tot aufgefunden, erschlagen mit einem stumpfen Gegenstand. Besonders bitter: Sie war im dritten Monat schwanger. Zuvor hatte Dagmar Schuba (Nicole Heesters, „Kamikaze 1989“), die Ehefrau Geros (Jürgen Schmidt, „Der Fall Liebknecht-Luxemburg“), mit dem sie eine Affäre hatte, sie drohend aufgefordert, von ihrem Mann abzulassen. Hat sie etwas mit der Tat zu tun? Der zweite Tote ist der Taxifahrer Horst Poensken (Charlie Hendricks, „Tatort: Rechnung ohne Wirt“), der im Kofferraum seines Taxis erwürgt gefunden wird – vermutlich ein Raubmord. Kriminalhauptkommissar Bernd Flemming, Kommissarin Miriam Koch und Hauptmeister Max Ballauf nehmen die Ermittlungen auf, als auf Gero Schuba geschossen wird, während er als Karnevalsprinz einen Auftritt hat. Gero überlebt leichtverletzt und denkt gar nicht daran, auf weitere öffentliche Auftritte zu verzichten. Doch der Täter plant längst einen zweiten Anschlag auf Gero…

Der gut gelungene und neugierig machende Auftakt gewährt der Zuschauerschaft einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei, indem er das bedrohliche Gespräch zwischen Dagmar Schuba und ihrer Nebenbuhlerin zeigt. Nach dem Leichenfund, in den recht geschickt der damalige Trendsport Gotcha eingeflochten wurde, heißt es dennoch Whodunit? Und es gilt, sich mit dem neuen Team vertraut zu machen: Der etwas mürrische, vor allem aber eigenbrötlerische Flemming hat eine Sauna in einem Kuhstall und bekommt mit der 28 Jahre jungen Miriam Koch, Tochter des Staatssekretärs, eine neue Kollegin zugeteilt. Ballauf hat sich erst einmal krankgemeldet, doch Flemming spürt ihn in einer Kneipe auf nimmt ihn stante pede mit. Zudem war Ballauf mit dem Dienstwagen nach Paris gefahren, weshalb ihm ein Disziplinarverfahren droht – und der Running Gag der Episode ist, dass er nie ein eigenes Auto hat. Ein echter Hallodri also. Es ist Karneval und auch auf der Wache sind die Jecken los, doch der tote Taxifahrer stört die Stimmung ebenso wie das Attentat auf Gero – ordentlich was los in Düsseldorf, in jederlei Hinsicht.

Regisseur Heidelbach widmet sich fortan verstärkt den nichtpolizeilichen Figuren, also der Toten, über die wir erfahren, dass sie ein erfolgloses Mannequin gewesen sei, sowie ihrem Umfeld. Zu diesem gehörten Agenturchef Stern (Leonard Lansink, „Eis am Stiel VII – Verliebte Jungs“), der Kommissarin Koch mit wehender Banane empfängt, sowie René Wolff (Uwe Ochsenknecht, „Schtonk!“), Chef einer Werbeagentur, die mit der Toten zusammenarbeitete, und zugleich Geros Stellvertreter in Sachen Karnevalsregentschaft. Auch Jacquelines Vater (Daniele Legler, „Lockvögel“) lernen wir kennen. Ein weiterer Überfall auf einen Taxifahrer entpuppt sich als geschmackloser Karnevalsstreich, die Befindlichkeiten unter den Karnevalshoschis sind aber ebenso real wie die auch der Polizei nützliche Solidarität unter den Taxifahrern und die Verkommenheit einer der Figuren, die am Ende als Täter enttarnt werden wird.

Eben dieser Täter, dessen Identität ich hier natürlich nicht verrate, wird durchaus beeindruckend geschauspielert, während vom Ermittlertrio die Verschrobenheit Flemmings, der sogar mit Ninjasternen wirft, sowie die Jugendlichkeit Kochs und Ballaufs (der nebenbei in einem Restaurant aushilft) auffallen. Gerade in Szenen mit vielen Personen und stärkerer Geräuschkulisse ist der Ton nicht ganz das Gelbe vom Ei und so recht sozialrealistisch will dieser mäßig spannende Fall dann auch nicht anmuten, die Verquickung mit dem Düsseldorfer Karneval wirkt etwas erzwungen und dramaturgisch holpert man sich beim Versuch, sowohl einen dreifachen Kriminalfall zu erzählen als auch gleich drei neue Kripofiguren einzuführen, eher passabel denn überwältigend durch die Düsseldorfer Straßen und die Studiokulissen.

Fernsehhistorisch interessant ist „Der Mörder und der Prinz“ aber allemal, nicht zuletzt, weil es sich um Behrendts ersten Auftritt als Max Ballauf handelt, der später zusammen mit Freddy Schenk (Dietmar Bär) das bis heute aktive Kölner „Tatort“-Duo bilden sollte.

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