"Tetsuo" wird neu aufgelegt.
Diesmal verwestlicht, erwacht die deformiert-transformierte Betonwüste langsam zum Leben.
Wie üblich jeder Konvention strotzend, strömen auf den Zuschauer schon zu Beginn geradezu surreale Bilderfluten ein, nicht ohne dabei auf stroboskopartige Effekte und Industrial Musik zu verzichten (man merke auch das Remake von "House On Haunted Hill"). Das reinste Blitzlichtgewitter ...
Da wo Gilliams "Brazil" gnadenlos mit dem bürokratischen System abrechnete, widmete sich der japanische Filmemacher Shin'ya Tsukamoto der immer weiter voranschreitenden Industrialisierung und damit einhergehenden Automatismen, im übergeordneten Sinn auch der Eugenik. Die Hoffnung auf Fortschritt geht mit der Instrumentalisierung und dem Autonomieverlust des Menschen einher.
"Tetsuo 3" entpuppt sich wie seine Vorgänger als düster-hypnotischer, futuristisch-angehauchter Cybergoth-Experimental-Horror in postapokalytischem Gewand, nicht ohne psychotische Wirkung, als avantgardistischer Alptraum aus Schrott und Metall. Der reinste Brutalismus.
Gewaltdarstellung meets Dissoziation.
Was der Mecha für den Anime, transformiert sich in "Tetsuo" zu einem Cyberpunk-Mutanten der Extraklasse und liegt auch hier dessen Passion zugrunde. Der "Bullet Man" fungiert als japanisches Gegenstück zu "Predator" mit "Rainbow Six"-Anleihen und richtet das Augenmerk diesmal vermehrt auch auf die Anatomie. "Tetsuo" geht wie üblich unter die Haut und als solcher durchaus schmerzhaft. Das Prädikat "Brechstangen-Horror" trifft es schon ganz gut. An Kalzium oder Magnesium dürfte es dem "Bullet Man" nicht mangeln.
"Tetsuo" war damals schon im wahrsten Sinne des Wortes "Schrott". Nicht Schund, sondern abstrakter Symbolismus, der bis heute die Spitzen des extravaganten, auch verstörenden Kinos anführen dürfte.
Stilistisch gehalten wie eine Fortsetzung von "Cube", entführt uns "Bullet Man" wie "Subsconsious Cruelty" in die Abgründe der menschlichen Seele. Der metallene Alptraum erwacht dabei erst später zum Leben.
Da wo Cameron mit seinem "Terminator" bereits ein sehr düsteres, industrialisiertes Zukunftsszenario zeichnete, in dem die Maschinen allmählich die Kontrolle übernehmen, spinnt der Japaner Tsukamoto die Dystopie noch einen Schritt weiter und lässt die Welt mit eben jenen verschmelzen.
Tatsächlich weniger dystopisch, dafür sehr viel cyberlastiger als seine Vorgänger. Industriesoziologisch ein Meisterwerk. Und jeder Avantgarde-Fan dürfte ohnehin nicht abgeneigt sein. Wir bewegen uns stilistisch irgendwo zwischen "Ring", "Grudge", "Rubbers Lover" und "Open Your Eyes".
Das Tempo ist wieder einmal überraschend hoch, die Effekte für eine derartige Produktion gut. Das Gesamtbild passt. Ich würde es als durchaus gelungene Neuauflage eines japanischen Arthaus-Schockers bezeichnen.
PS: Schaut sich wie "Alien" am besten in einem völlig abgedunkelten Raum, idealerweise in Verbindung mit verstörender Musik.