Russland, 1900: Einen jungen Mann verschlägt es in einer stürmischen Nacht in ein Schloss, wo er schon bald die Bekanntschaft der Schlossherrin macht, einem jungen Mädchen, das sich offenbar am Rande des Wahnsinns aufhält. Sein Name ist Andrej Bielarecki und seine Reise in das russische Hinterland hat zum Ziel, örtliche Legenden und Mythen zu erforschen. Die Folklore, die ihm allerdings im Schloss und im nahen Dorf angeboten wird, übersteigt schon bald seine kühnsten Erwartungen. Es ist die Rede von einem ominösen König Stach, der einst auf unrechtmäßige Weise ums Leben kam, und nun mitsamt seiner Raubritterhorden in Geistergestalt die Gegend unsicher macht. Zunächst ist Bielarecki vorrangig an jenen Sagen interessiert und an dem, was ihm die Schlossherrin von kleinen Männern, die nur erscheinen, um den Tod anzukündigen, und einer angeblich im Schloss spukenden blauen Frau zu erzählen weiß. Es dauert jedoch nicht lange und Bielarecki hat noch zwei andere Gründe, seinen Aufenthalt in der zivilisationsfernen, rund um die Uhr von Nebelschwaden umschlungenen Gegend zu verlängern. Zum einen hat er sich in das Mädchen verliebt, will sich um sie kümmern, sie von ihren Wahnvorstellungen befreien. Zum andern scheinen die Mythen tatsächlich zum Leben zu erwachen, denn alsbald beginnt eine Mordserie, der auch ein ehemaliger Student der Kiewer Universität zum Opfer fällt, mit dem er sich anfreundete. Obwohl ihm die ermittelnden Beamten, die Familie der Schlossherrin und wildfremde Personen raten, so schnell wie möglich abzureisen, will Bielarecki nun auf eigene Faust herausfinden, was es mit dem mysteriösen Treiben auf sich hat, vor allem da er selbst immer unsicherer wird, ob König Stachs Wilde Jagd wirklich nur einen Ausbund der örtlichen Phantasie darstellt…
Im Grunde besitzt DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAKHA alles, was man von einem Film erwartet, der sich inhaltlich und stilistisch an Schauerliteratur voriger Jahrhunderte anlehnt. Einen Held, mit dem der Zuschauer sich identifizieren kann. Ein Geheimnis, das gelüftet werden muss. Ein unheimliches Schloss mit unzähligen Zimmern und Korridoren. Wunderhübsche Mädchen, die dem Wahnsinn verfallen sind. Eine grausame Mordserie. Legenden, die sich um eine Adelsfamilie ranken wie Efeu um ein Gemäuer. Eine klassische Liebesgeschichte. Und natürlich eine Atmosphäre, die den Film von der ersten bis zur letzten Minute beherrscht. Nebel, der sich wie Spinnweben zwischen den Baumstämmen einsamer Wälder spannt. Fernes Wolfsgeheul. Moore und karge Äcker. Donnergrollen und Vollmondschimmer. Ständig scheint eine unsichtbare Bedrohung über dem Geschehen zu schweben, die niemals wirklich fassbar wird. Rein von seiner Stimmung und seinen Handlungsingredienzien steht DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAKHA ganz in der Tradition von Autoren wie Matthew Gregory Lewis, Edgar Allan Poe oder Ann Radcliffe. Selten habe ich einen Film gesehen, der mittels seiner Bilder einen ähnlichen Effekt hervorzurufen imstande ist wie es die genannten Schriftsteller mit ihren Worten schafften.
Dass ich rein inhaltlich eher wenig über DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAHKA geschrieben habe, liegt allerdings schlicht daran, dass sich mir die Story des Films so gut wie überhaupt nicht erschlossen hat. Schon in den ersten Minuten wird der Zuschauer förmlich von Informationen erschlagen, was sich im weiteren Verlauf nicht bessert, da die Geschichte in einer außerordentlich unkonventionellen, fragmentarischen Art und Weise erzählt wird, die es oftmals bei Andeutungen belässt und zumeist nie wirklich klarmacht, was genau denn nun passiert ist, weshalb die Personen handeln wie sie handeln oder wer diese Personen denn nun eigentlich überhaupt sind, in welcher Beziehung sie zu den restlichen Protagonisten stehen. Dass ein Film sein Publikum fordert und ihm einiges abverlangt, ist freilich alles andere als ein Merkmal, an dem man irgendwas über seine Qualität ablesen kann. Wo es jedoch beispielsweise mein liebster Regisseur Andrzej Zulawski, dessen Filme ausnahmslos auch nicht beim ersten Schauen in ihrer Komplexität zu erfassen sind, schafft, einen emotional in sein Werk zu involvieren und einen gerne Zeit und Geduld investieren zu lassen, um tiefer in es einzudringen, hat DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAHKA mich zumeist vollkommen kalt gelassen und nicht erreicht, dass ich mich irgendwie für die Belange seiner Figuren oder die vielen Mysterien, die seine Handlung aufwirft, interessieren konnte. Tatsächlich hat es sich für mich zu einem wirklich anstrengenden Unterfangen entwickelt, ihn mir in einem Stück von Anfang bis Ende anzuschauen, vor allem, da seine Laufzeit nahezu zwei Stunden beträgt. Bielarecki, unser Held, stolpert von einer rätselhaften Szene in die nächste ohne dass sich irgendeine Faszination für diese Rätsel einstellt oder gar der Wunsch, sie zu lüften zu versuchen. Über weite Strecke wirkt das Werk schlicht ermüdend und die Nebelschwaden flößen einem kein angenehmes Gruseln mehr ein, sondern belästigen einen mit ihrer nicht enden wollenden Monotonie.
Zu seiner Ehrenrettung muss ich aber sagen, dass DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAHKA vor allem gegen Ende hin immer besser wird und dann in Form von vier, fünf Szenen einige Höhepunkte bietet, die es dann doch wert sind, gesehen zu werden und mich außerordentlich begeistert haben, trotz oder gerade weil sie eher deplaziert in dem sonst ziemlich trägen, unspektakulären Film wirken. Wenn Bielarecki zum ersten Mal im Moor auf König Stach und seine wilde Horde trifft, wenn ihm eine entfesselte Kamera bei einem Sprint quer durch eine Hütte folgt, die angefüllt ist mit hysterischen, kreischenden Personen, wenn der Mythos um König Stach in Form eines Puppentheaters dargestellt wird, das mich spontan an die Marionetten Jan Svankmajers denken ließ, und wenn im Finale einige Szenen aufgeboten werden, die ich nicht anders als genial nennen kann, dann versöhnt es zumindest mit dem Werk und lässt einen nicht komplett unbefriedigt und enttäuscht aus ihm hervorgehen. Nichtsdestotrotz ist DIKAYA OKHOTA KOROLYA STAHKA kein Film, den ich mir so schnell noch einmal ansehen werde.