LA CROCE DALLE SETTE PIETRE muss man wohl als Autorenfilm bezeichnen. Nach dem Genuss dieses Werks wundert es mich allerdings nicht im Geringsten, dass die Filmwelt von Marco Antonio Andolfi, der hier Regie führte, die Hauptrolle verkörperte, den Schnitt besorgte, die Spezialeffekte kreierte und das Drehbuch verfasste, später nie wieder etwas hörte, denn selbst für die Verhältnisse des italienischen B-Movie-Kinos der ausklingenden 80er ist LA CROCE DALLE SETTE PIETRE ein Desaster sondergleichen, ein Film, der weit über herkömmlichen Trash hinausreicht, der sich in diesem Zwischenreich des Deliriums aufhält, wo man auch DÜNYAYI KURTARAN ADAM oder GIOCHI EROTICI NELLA 3A GALASSIA begegnen kann. Dass mich niemand falsch verstehe: LA CROCE DALLE SETTE PIETRE ist auf seine Weise ein Meisterwerk, ein ernst gemeinter Versuch, einen unterhaltsamen Spielfilm zu drehen, bei dem das Unvermögen sämtlicher Beteiligter jedes winzige Detail in das Gegenteil dessen verkehrte, was es eigentlich sein sollte. Der Dilettantismus, mit dem dieser Film in Szene gesetzt wurde, lässt es einem schwerfallen, nicht zu glauben, dass hinter dem Projekt die Absicht steckte, jeden Fehler zu begehen, der sich einem anbot. Und dennoch redet einem die Vernunft ein, dass niemand, selbst mit noch so ausgeklügelter Planung, einen Film derart hätte in den Sand fahren können wie es hier geschehen ist.
Das Drehbuch ist ein einziger zusammen gewürfelter Haufen aus Versatzstücken des Genrekinos. Andolfi versucht, seinen Film alles zur gleichen Zeit sein zu lassen. Werwolfhorror. Okkultthriller. Poliziotti. Actionfilm. Liebesschnulze. Immerhin besitzt das Werk einen zumindest sanft geröteten Faden, der es durchzieht, in Form der Suche nach dem titelgebenden Kreuz mit den sieben Juwelen. Das nämlich wird unserem Held Marco zu Beginn von einer Diebesbande gestohlen, die auf Motorrädern Rom unsicher macht. Marco hat gerade seine Cousin, die er seit Jahren aus den Augen verlor, wieder getroffen und zu einem Bummel in die Stadt eingeladen, als man ihm das Amulett, ein Erbstück seiner Mutter, vom Hals reißt und damit den Startschuss für eine Odyssee gibt, die erst mit dem Film enden wird. Marco lässt seine Cousine erstmal stehen und verfolgt mit der eintreffenden Polizei die Diebe. Von der Cousine stellt sich später heraus, dass es sich gar nicht um seine Cousine handelte, sondern um eine Freundin seiner Cousine, die sich für sie ausgab, da sie Marco auf Photos, die sie von ihm zu sehen kriegte, äußerst attraktiv fand und ihn daher unbedingt treffen wollte – nicht dass das plotrelevant wäre, aber es zeigt zumindest zweierlei: der Film fängt so unlogisch an wie er aufhört, und Andolfi gefällt sich darin, sämtliche Darstellerinnen, mit denen er im Folgenden gemeinsam auftritt, mittels des selbst verfassten Skripts scharf auf ihn sein zu lassen. Die Diebe stellt man schließlich in einer Tankstelle, die offenbar als Umschlagplatz für ihr Diebesgut fungiert, doch Marcos Kreuz hat bereits den Besitzer gewechselt. Ein Hinweis, den er von einem der Diebe erhält, führt ihn in das schummrige Nachtleben Roms, in Nachtclubs und Rotlichtbars, wo er die Bekanntschaft mit Maria macht, einer Dame der Halbwelt, deren Eltern vor Jahren ermordet wurden und die in Marco, in den sie sich sofort verliebt, eine Möglichkeit zu erkennen glaubt, aus ihrem bisherigen Leben auszubrechen und ein neues zu beginnen. Sie schließt sich ihm an bei seiner Suche nach dem Kreuz an, von dem er behauptet, dass es lebenswichtig für ihn sei, und gemeinsam stolpern sie von einem spannenden Abenteuer ins nächste.
Tatsächlich ist die Struktur des Films relativ einfach. Auf dem roten Faden, den die Suche nach dem Kreuz bildet, sind die einzelnen Stationen wie Perlen aufgereiht, und Marco gerät von einer absurden Situation, die man kaum glauben mag, in eine, die noch wesentlich unwahrscheinlich erscheint. Beispiele gefällig? Als Marco sich im römischen Nachtleben umschaut, gerät er alsbald an einen Paten, der ihn in dessen Büro empfängt und, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, sofort von ihm verlangt, dass er ihm Unterlagen der Bank, in der er arbeitet, zukommen lässt, nämlich die der Kunden mit den ansehnlichsten Konten. Marco weigert sich und wird prompt zusammengeschlagen. Später trifft er auf einen Camorra-Boss, von dem er erfahren hat, dass sein Kreuz von einem Hehler an ihn verkauft wurde. Der wittert allerdings, dass es sich bei Marco um einen Spion handelt, der die Sache mit dem Kreuz nur als Vorwand benutzt, um in sein Privatanwesen einzudringen, lässt ihn einfangen und foltern, auf dass er ihm die Wahrheit sage. Schon wieder weigert Marco sich und wird zusammengeschlagen.
Andolfi hat jedoch noch mehr im Repertoire. Den Grund beispielsweise, weswegen Marco so fieberhaft nach dem Kreuz sucht. Etwa in der Mitte wird seine grausige Vergangenheit in einer Rückblende enthüllt. Marcos Mutter hatte anscheinend eine Liaison mit einem affenartigen Ungetüm namens Aborin, das, so reime ich es mir zumindest zusammen, besonders viele Erklärungen liefert der Film für sein kunterbuntes Treiben nicht, der Vater von Marco ist und seine monströse Gene an ihn weitervererbte. Das Amulett bewahrt ihn davor, sie auszuleben, doch wenn er es nicht um den Hals trägt, verwandelt er sich stets um Mitternacht in ein wolfsähnliches Ungeheuer, das nichts weiter als Sex und Gewalt im Sinn hat. Guten Gewissens könnte man LA CROCE DALLE SETTE PIETRE daher als den schlechtesten Werwolfsfilm aller Zeiten bezeichnen. Eine Verwandlungsszene, die Marco vom Menschen zum Wolf bringt, spottet ebenso jeder Beschreibung wie sein Make-Up, wenn die Transformation abgeschlossen ist. Nur soviel: ich habe selten Lächerlicheres gesehen. Die Maske, die er trägt, würde manches Kind aus Scham nicht mal zum Kinderfasching anziehen. Der Höhepunkt des Films ist für mich die erste Werwolfattacke, in der Marco sich den Hehler zur Brust nimmt, der sein Kreuz in Camorra-Kreise verscherbelte. Der Hehler wird in seiner Privatwohnung überfallen und von Marco gegen eine Wand gestoßen. Plötzlich blutet er aus der Nase und sein Kopf schmilzt förmlich, ohne dass der Film dafür irgendeine Erklärung abliefern würde. Es ist einfach so. Jemand wird von einem Werwolf geschubst und sein Kopf löst sich prompt bis zum nackten Knochen auf. Zur weiteren Belustigung werden während sämtlicher Angriffe immer wieder Aufnahmen eines Hundekopfes in den Film hineingeschnitten. Und wem das nicht reicht, für den ist LA CROCE DALLE SETTE PIETRE ein Film für das Gehör. Ich habe selten derart unfassbare Geräusche gehört wie die, mit denen Marcos Angriffe unterlegt werden, selbst wenn sie bei weitem nicht das Brummen übertreffen, mit dem sich der Affendämon Aborin artikuliert.
Jeder Satz, jede Geste, jede Kameraeinstellung, jeder Soundeffekt dient offenbar nur dem finalen Zweck, eins der misslungensten Werke der Filmgeschichte zu kreieren. Marco und Maria schwören sich schon nach ihrer ersten Nacht ewige Liebe und dennoch nutzt er die erstbeste Gelegenheit, in dem Falle eine lüsterne Wahrsagerin, die er bei seinen Recherchen trifft, um Maria zu betrügen. Da gibt es unästhetische Sexszenen, die Erinnerungen an schmierige Softpornos wachrufen. Da ist diese unnötige Geschichte um das Mädchen, das sich als Marcos Cousine ausgibt und irgendwann einfach aus dem Film verschwindet. Da sind endlose Szenen, die mit dem Restfilm nicht das Geringste zu tun haben und wirken, als habe Andolfi sie später wahllos eingefügt, um die Laufzeit ein bisschen zu strecken. Zum einen sieht man unzählige Male Polizisten, die in den Mordfällen ermittelt, die auf Marcos Werwolfskonto gehen, und zugleich Terroristen, der Camorra und korrupten Politikern auf der Spur sind, ohne dass sich die beiden Handlungsstränge irgendwann vereinen. Noch frappierender ist das bei Szenen, in die Gordon Mitchell involviert ist, der immer mal wieder als finsterer Schatten durchs Bild schleicht, was den Eindruck erweckt, er habe irgendwas mit dem Fluch zu tun, der auf Marco lastet. Auch diese Vermutung wird nicht bestätigt. Zwar repetiert der Film andauernd rot eingefärbte Szenen aus einem Keller, in der eine okkulte Messe stattfindet, inklusive Peitschen, wild kopulierenden Paaren und einem Gordon Mitchell im Priestergewand, der lauthals Aborin anruft, dass man meint, sich plötzlich in ein Werk von Renato Polselli verirrt zu haben, doch mit der Handlung um Marco und sein siebenjuweliges Kreuz hat auch das keine Berührungspunkte. Und da ist natürlich Aborin selbst, der Mitchells Plärren erhört, sich der Schwarzen Messe hinzugesellt – und brummt.
Es wäre sinnlos, noch weitere Beispiele anzuführen, da ja quasi jede Minute dieser Bild gewordenen Konfusion nur so vor neuen Schwachsinnigkeiten und Ungereimtheiten strotzt. LA CROCE DALLE SETTE PIETRE sieht nicht mal aus wie ein professioneller Spielfilm. Hätte ein paar Schüler oder Studenten den Film in ihren Ferien heruntergekurbelt, würde ich die Optik, die wirre Schnitttechnik, die katastrophale Kameraarbeit, die schlechten Schauspieler, auch das Drehbuch, das mehr aus logischen Löchern als einer Handlung besteht, verstehen können. Für LA CROCE DALLE SETTE PIETRE ist das der Punkt, der ihm endgültig das Genick bricht. Rein optisch erinnert der Film wesentlich mehr an deutsche Amateur-Splatterfilme der 90er (und selbst da gibt es Vertreter, die diesen hier bezüglich Substanz und Form locker überbieten) als an einen typischen italienischen Horrorfilm der späten 80er.
Andolfis Autorenkino ist freilich schwerlich zu bewerten. Allein von seinem Unterhaltungswert hätte er sicher zehn Punkte verdient, vom seriösen Standpunkt aus wäre schon ein einziges armseliges Pünktchen zuviel des Guten. Deshalb kriegt auch er von mir die neutrale Bewertung von fünf Punkten, mit der Anmerkung allerdings, dass das hier kein leicht goutierbarer Trash mehr ist, sondern tatsächlich eine Eintrittskarte in hirnerweichende Zustände, die man nur einlösen sollte, wenn man schon durch einschlägigere Werke des schlechten Geschmacks gestählt worden ist. Ein Film aus dem Giftschrank. Oder, wie es jemand in der imdb schrieb: The Rape of Cinema.