Brasilien im Jahre 1910. 2 Familien, zwischen denen seit Jahren eine Blutfehde herrscht, die einem Teufelskreis gleichkommt und aus dem es offenbar kein Entrinnen gibt.
Erzählt wird der Film von dem kleinen Pacu, der Benjamin der Breves. Er ist es, der als Einziger, trotz seines Alters, die Hirnrissigkeit dieser brutalen Tradition der beiden Familien, sich gegenseitig nach und nach zu dezimieren, erkennt und offen anspricht. Sein ältester Bruder Ignacio war das letzte Opfer. Nun ist Pacus anderer Bruder, Tonho, an der Reihe, der wiederum ein Mitglied der Ferreiras auslöschen muss. Von Pacu noch ins Gewissen geredet, vollbringt Tonho der Familienehre wegen dennoch die Tat. Doch nun ist Tonho derjenige, der als Nächstes fallen wird...
Schon mal eins vorweg. "Hinter der Sonne" ist kein Film für Fans moderner MTV-Ästhetik und hektischer Erzählweise. Ästhetisch hat er zwar Einiges zu bieten, doch Walter Salles erzählt sein Werk mit stillen und poetischen Bildern, die intensiver und schöner kaum sein könnten. Ich denke da vor allem an die Sequenzen, in denen Tonho oder Pacu auf der Schaukel sitzen und die Kamera ihnen immer ganz dicht folgt. Das sind wunderschöne Bilder, die unter die Haut gehen und die einem eine längere Zeit im Gedächtnis bleiben werden. Alles in allem sind es auch hauptsächlich die Bilder, die den Film so "aufdringlich" und melancholisch machen.
Doch hat der Film nicht nur seine schönen Momente. Geht es ja immerhim um die brasilianische Tradition der Blutfehde. Mit welcher Sinnlosigkeit die Breves und die Ferreira sich gegenseitig ausmerzen, merkt man vor allem am Dialog von Vater und Mutter Ferreira, als Tonho sich in der Stadt befindet. Die Mutter hofft, dass ihr Sohn einfach nicht mehr zurückkommt, damit dieses Morden ein Ende hat, doch der Vater entgegnet ihr damit, dass sie eh nichts mehr hätten und somit wenigstens noch ihre Familienehre retten müssten. Da sieht man, wie wichtig dem Patriarchen diese Tradition ist. Noch wichtiger als das Leben einer seiner Kinder. Tonho ist zwar nicht dessen Meinung, doch irgendwie bringt er es dann doch nicht übers Herz, seinem Vater zu widersprechen und tötet ein Mitglied der anderen Familie. Und besiegelt somit sein eigenes Schicksal.
Doch zuvor lernt er noch die schöne Clara kennen, in die er sich auch verliebt und gleichzeitig zum ersten Mal in seinem Leben spürt, was wahre Liebe ist. Clara, sich dessen bewusst, dass Tonho bald sterben wird, da er als Merkmal, als Nächster in so einer Blutfehde sterben zu müssen, ein schwarzes Armband trägt. Dennoch lassen sie sich aufeinander ein, auch am Tag der "Abrechnung". Bei schwerstem Regen, eine absolute Seltenheit in dieser Gegend der Welt, schickt der blinde Patriarch der Ferreiras verfrüht einen seiner Söhne los, um Tonho zu töten. Laut "Regeln" darf nämlich erst dann mit der Blutfehde fortgefahren werden, wenn das blutgetränkte Hemd des zuvor Getöteten sich gelb gefärbt hat. Was aber noch nicht der Fall ist. Bei strömenden Regen macht sich also ein Ferreira auf, doch diesmal läuft das Prozedere nicht wie geplant ab.
Das Ende nun ist gleichsam tragisch wie erlösend, traurig wie befreiend. "Hinter der Sonne" ist sicher kein Muntermacher und kein Gute-Laune-Film, wie die düster-melancholische Stimmung bestens unter Beweis stellt. Auch das Ende ist nicht das fröhliche, wie man es aus zahlreichen Hollywoodstreifen kennt. Zunächst läuft bei dem Fortsetzen der Blutfehde etwas schief, um dann in einem offenen Ende seinen Abschluss zu finden. Nun bleibt man mit der Frage zurück, ob Pacu das Alles so geplant hat oder ob er in der Annahme war, Tonho ist schon tot.
"Hinter der Sonne" ist poetisches, mit aller Zeit der Welt erzähltes Independent-Kino, das zunächst nicht wirklich überzeugen will, gegen Ende jedoch sehr an der Qualitätsschraube nach oben dreht, um doch noch als recht gelungenes Filmchen bezeichnet werden zu können.
7/10 Punkte