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Der brasilianische Regisseur Walter Salles (Dark Water, Mitternacht) machte sich besonders mit seinem Ausnahmedrama "Central Station" einen Namen. Das Buch "Der zerissene April" vom albanischen Schriftsteller Ismail Kadaré hatte es Salles besonders angetan. Mit Hilfe von Karim Ainouz und Sérgio Machado verfasste er daraus ein Screenplay, verlegte jedoch den Ort des Geschehens in sein Heimatland. Eigentlich spielt sich "Behind the Sun" nämlich in Albanien ab. Viel mehr als eine Golden Globe Nominierung brachte Salles dieses überaus poetische Drama aber nicht ein.

Schon seit Jahren liegen zwei brasilanische Bauernfamilien im Clinch miteinander und die Sache spitzt sich zu, als Inácio Breve (Caio Junqueira) erschossen wird. Sein jüngerer Bruder Tonho (Rodrigo Santoro) wird von Vater Breve (José Dumont) aufgefordert die Tat zu rächen. Die Warnungen seines kleinen Bruders Pacu (Ravi Ramos Lacerda) in den Wind schlagend, rettet er die Ehre seiner Familie. Doch nun ist er selbst zum Abschuss freigegeben, denn auch die andere Familie wird den Tod ihres Kindes nicht ungesühnt lassen. Doch als Salustiano (Luiz Carlos Vasconcelos) und Clara (Flavia Marco Antonio) mit ihrem Wanderzirkus auftauchen, verändert sich Tonhos Leben. Er verliebt sich Clara, verlässt wegen ihr fast die eigene Familie. Doch er hat nur noch Zeit bis zum nächsten Vollmond, dann könnte sein Leben ein Ende haben. Doch stattdessen passiert etwas viel Schlimmeres.

Der Auslöser für die Fehde der beiden Familien hätte interessiert, leider verzichtet Salles auf jegliche Hintergrundinfos und wirft uns stattdessen direkt ins Geschehen. Zwei Familien beanspruchen das selbe Land, die Familie Breve verarbeitet ihr Zuckerrohr, während ihre Widersacher eine Viehzucht haben. Als Inácio Breve erschossen wird, beginnt die Situation nicht direkt zu eskalieren, sondern es gibt Regeln bei dieser Fehde. Zum Beispiel hängt man das blutgetränkte Hemd des Toden auf und erst wenn sich das getrocknete Blut gelb färbt, darf die Rache vollzogen werden. Und man darf sich auch nur am Mörder rächen und nicht an anderen Familienmitgliedern. Dieser Bestimmung folgt auch Tonhu, doch Pacu scheint der Einzige in der Familie zu sein, der diese Tradition kritisiert. Besonders intensiv sind die Szenen auf der Beerdigung, wo Tonho dem Vater des Ermordeten seine Aufwartung machen muss. Desweiteren bekommt Tonho ein schwarzes Band an den Oberarm, quasi als Zeichen, dass er ab dem nächsten Vollmond zum Abschuss freigegeben ist. Das Ganze ist genauso traurig wie sinnlos, so inszeniert Salles die erste Filmhälfte ziemlich depressiv mit beinahe melancholischem Anstrich. Dabei verschleppt Salles gerne mal das Tempo und genau hier liegt auch ein Problem begraben.

Dieser sehr gemächliche Erzählstil vermag zum Geschehen zu passen und oft trägt dies zur ausdrucksstarken Inszenierung bei, aber in einigen Fällen verhilft es "Behind the Sun" zu Durchhängern. Davon ist besonders die sich anbahnende Romanze zwischen Tonho und Clara betroffen, inklusive einem eifersüchtigen Salustiano. Wirklich intensiv zeigt Salles das harte Leben der Breves im Jahr 1910. Der Alltag besteht nur aus Knochenarbeit, Tonho und Pacu ist es kaum gestattet mal Spass zu haben. Ihr strenger Vater hängt sehr an alten Traditionen und würde dafür ohne zu zögern seine Söhne opfern. Deswegen schweift Pacu immer mehr in eine Traumwelt ab, die er durch ein Buch erschafft, welches im Clara geschenkt hat. Auch wenn das Ganze in vielen Sequenzen schneller von Statten gehen könnte, so zieht einem "Behind the Sun" doch in seinen Bann, nur mit dem Ende darf man zu Recht unzufrieden sein. Gerade Pacus Handlungsweise lässt Fragen offen und das Ende lässt den Zuschauer einfach stehen. Es müsste irgendein Abschluss gefunden, so wirkt es zwar dramatisch, aber auch ein wenig ärgerlich. Auf die größtenteils unbekannten Darsteller kann man sich allerdings voll verlassen, so wirkt das Geschehen nie aufgesetzt.

Salles erzählt seine überaus traurige Geschichte sehr gediegen, manchmal ein zweischneidiges Schwert, auch das Ende stellt in keinster Weise zufrieden. Dennoch überzeugt "Behind the Sun" mit seiner poetischen, depressiven Art und den guten Darstellern. Kein großer Wurf, aber durchaus mitreißend.

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