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Nachdem in den letzten Jahren regelmässig die Pixar - Studios für die Disney-Animationsfilme verantwortlich waren (2008 der Raummüllschlucker "Wall-E" und zuletzt "Oben"), durfte diesmal wieder ein alter Haudegen ran. Ron Clements, schon verantwortlich für "Basil, der Mäusedetektiv" 1986, entwarf mit "Küss den Frosch" einen Disney - Film der alten Schule mit viel Musik, Gesang und der traditionellen Zeichentrickfilmtechnik, in der die zweidimensionalen Figuren noch von einem schwarzen Strich gerahmt sind. Doch genügen diese Ingridenzien, damit dabei auch ein guter Film herauskommt ?

Wirklich vergleichen lässt sich "Küss den Frosch" mit den Pixar - Filmen natürlich nicht, da diese ihre Technik ganz in den Dienst einer Grafik stellten, die auch inhaltlich andere Wege ging. Doch während ein Film wie "Wall-E" seinen eigenständigen Ansatz letztlich doch aus Gründen der Anpassung an ein möglichst großes Publikum in der zweiten Hälfte wieder aufgab, ist hier von Beginn an klar, wohin die Reise geht. Schon wenn die beiden kleinen Mädchen die Geschichte vom Froschkönig und dem verzauberten Prinzen im Prolog hören, weiß man genug über ihre Sehnsucht, auch wenn die verwöhnte weiße Tochter aus reichem Hause, Charlotte, das offener auslebt als deren Spielkameradin Tiana, die Tochter des schwarzen Kindermädchens. Es ist der Weg zum Happy-End, der die eigentliche Qualität des Films ausmacht, und die stimmt hier von Beginn an.

Überraschend dabei ist die Tatsache, dass "Küss den Frosch" schnell alles kindliche sein lässt und nur mit erwachsenen Protagonisten agiert. New Orleans, Ende der 20er Jahre - Tiana schuftet in einer kleinen Gaststätte und legt jeden Penny zur Seite, um sich ihren und schon von ihrem, im 1.Weltkrieg gefallenen, Vater gehegten Traum zu verwirklichen - ein eigenes Restaurant. Während sie dafür auf jede Freizeitvergnügung verzichtet, lebt ihre Freundin Charlotte das sorglose Leben einer verhätschelten Tochter, deren Traum sich zu erfüllen scheint, als der junge, sehr gut aussehende Prinz Naveen am Mississippi - Ufer landet und die Einladung ihres Vaters annimmt. Als die Blondine kurz darauf im Ballkleid mit dem Prinzen über das Parkett des Maskenballs fegt, ironisiert der Film mit diesem Zitat den historischen Disneyfilm, denn hinter dem äußerlichen Schein stimmt nichts.

Weder handelt es sich bei dem Prinzen um den echten Prinz Naveen, der zudem von seinen Eltern enterbt worden war, weil er nur sein Playboyleben pflegte, noch ist die tanzende Blondine die Prinzessin, um die es hier geht. Stattdessen begegnet Tiana, die ihre Prinzessinnen - Verkleidung nur einem Missgeschick zu verdanken hat, dem sprechenden Frosch, womit quasi zwei Märchen auf eigenwillige Weise zusammengefügt wurden - der Froschkönig und Aschenputtel. Mit dem entsprechend konträren Ergebnis - Tiana wird zur Fröschin, was letztlich wieder logisch ist, da sie ja keine echte Prinzessin ist.

"Küss den Frosch" ist nicht nur in diesem Spiel mit der eigenen Disney-Vergangenheit originell, sondern verzichtet auch auf die übliche lineare Erzählweise, indem es sich erst langsam herausstellt, warum es zu dieser Konstellation überhaupt kam. Man sah zwar, dass der Prinz nach seiner Ankunft in New Orleans gemeinsam mit seinem Kammerdiener Lawrence in die Fänge des Voodoo - Zauberers Dr.Facilier geriet, aber das Ergebnis und die Intention hielt der Film dem Publikum einige Zeit vor. Diese an einem erwachsenen Publikum orientierte Erzählweise ändert sich, als die beiden Protagonisten beginnen müssen, sich als Frösche durchzuschlagen. Mit Louis, dem Krokodil, vor allem Ray, dem Glühwürmchen, und nicht zuletzt der Zauberin Eudora, gesellen sich drei weitere Charaktere hinzu, die wieder einmal begründen, warum vor allem in den Nebenfiguren das wahre Potential für originelle, vielschichtige Figuren liegt, während Tiana und Prinz Naveen sich durchaus Mühe geben, aber ihre Annäherung natürlich Programm ist.

Nur Dr. Facilier und der unterdrückte Kammerdiener des Prinzen vertreten hier die Bösewichter, während allen anderen Figuren die Chance auf Entwicklung oder eine andere Seite ihres Charakters gegeben wird. Damit vermeidet "Küss den Frosch" angenehmerweise irgendein Sendungsbewusstsein, verschwendet an das klassische Happy-End nur die minimal notwendige Zeit, während es dem persönlichen Erleben der eigentlichen Nebenfiguren einen erstaunlich emotionalen Moment zugesteht. Zudem unterstreicht Randy Newmans in seiner am Jazz New Orleans orientierten Musik, die auf die üblichen Hitparaden-geeigneten Schmusesongs verzichtet (und gut und damit nachvollziehbar auf deutsch interpretiert ist), die weniger am kindlichen Geschmack orientierte Handlung, die aber dank der Nebenfiguren und mancher Slapstick - Einlagen auch bei jüngeren Zuschauern punkten kann.

Die Aussage, dass ein Film für die gesamte Familie ist, soll nicht selten darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem so beworbenen Film um ein eher nichtssagendes, oberflächliches Werk handelt. Hier stimmt es dagegen in seinem ursprünglichen Sinn, denn "Küss den Frosch" vereint in idealer Weise die traditionellen Disney-Qualitäten mit einer modernen Umsetzung (8,5/10).

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