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Der Buenos Airesische Schriftsteller Leonardo, ein Mann in seinen Fünfzigern, fühlt sich leer und ziellos. Zum Schreiben fehlen ihm Kraft und Ideen; zu seinen erwachsenen Kindern, die das elterliche Haus so früh es nur ging verlassen haben, hat er keine gute Beziehung; seine Ehefrau Martha ist auf ihre alten Tage an die Uni zurückgekehrt und fühlt sich inmitten der jungen Leute wohler als bei ihrem Mann, den sie immer mehr ignoriert. Leonardo ist also quasi allein und versucht seine innere Leere durch Flucht in Tagträume zu überwinden (zumindest ist zu vermuten dass es sich dabei um Phantasien handelt, nicht um reale Ereignisse).

Die lange Eröffnungssequenz des Films ist anstrengend: Eine Abendgesellschaft mit redundantem und banalen Gefasel. Ich hatte schon die Befürchtung, bei EL NIDO VACIO handele es sich um ein rein dialogbasiertes, unfilmisches Werk auf TV-Niveau.
Diese Befürchtung hat sich gottseidank nicht bestätigt. Je weiter der Film voranschritt, desto mehr mochte ich ihn.

EL NIDO VACIO ist ein nachdenklicher und melancholischer Film über männliche Befindlichkeiten, über den Wandel (familiärer) Beziehungen im Laufe der Zeit sowie über Sinnsuche.
Neben den teils Intelligenten Dialogen (von denen sich manche allerdings etwas "erzwungen" anfühlen), trägt vor allem Daniel Burmans Inszenierung zur Wirkung des Films bei. Nicht nur setzt sie die Melancholie und Antriiebslosigkeit des Protagonisten so geschickt in filmische Atmosphäre um dass diese Gemütszustände für den Zuschauer greifbar werden. Vor allem jedoch sind es die Szenen, in denen die Grenzen von Realität und Phantasie unklar sind, die faszinierend sind. Der Film hat stellenweise einen surrealen Touch, der viel zur Wirkung des ganzen Werks beiträgt, wie auch Hugo Colaces im Laufe des Films immer stärker wirkende Bildgestaltung.

Ein großes Kompliment gebührt dem großartigen Oscar Martinez, der den Schriftsteller Leonardo sehr einfühlsam und empathisch verkörpert, dabei völlig unaufdringlich und mimisch wie gestisch subtil agiert. Ohne diese schauspielerische Leistung würde dieser Film (der im Prinzip nur das psychologische Portrait eines Mannes ist) überhaupt nicht funktionieren.

Summa summarum also ein sehenswerter, Lebens-reflektierender und atmosphärisch starker Film über einen Mann in der Sinnkrise, der (das sollte man zum Schluss zumindest erwähnen) neben Traurig- und Nachdenklichkeit auch eine Portion Humor besitzt.

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