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Mit "Tokyo Fist" ist es Regisseur Shinya Tsukamoto gelungen, die Stilmittel aus seinem Erstlingswerk und gefeiertem Kultfilm "Tetsuo" in einem konventionelleren Film unterzubringen und sogar noch zu verbessern. Allerdings ist bei dem Begriff "konventioneller" Vorsicht geboten, ist dieser Film fuer den westlichen bzw. filmisch wenig versierten Menschen schwere Kost. Angefangen bei der exzessiven, graphischen Gewaltdarstellung, ueber stakkatohaft-anmutende Schnitte, sowie eine endlos herumwirbelnde Handkamera, eingebettet in einem droehnend, haemmernden Industrial-Soundtrack wird dieser Film in bestimmten Kreisen sicher auf Ablehnung und Unverstaendnis sorgen.

Shinya Tsukamoto entwickelt seine Idee eines veraenderten Koerpers, der sich in einer kuenstlichen, industrialisierten und ueber-technischen Welt nicht mehr anders zu helfen weiss, als selbst ein Teil eben jener zu werden, konsequent weiter. Hierbei verlaesst er das von ihm im ersten "Tetsuo"-Film grandios umgesetzte Terrain einer kaum fassbaren Techno-Welt, in der die Protagonisten bar jeder Nachvollziehbarkeit agieren und platziert seine Geschichte im Tokio der 90er Jahre und laesst seine Hauptpersonen eine albtraumhaft anmutende Dreiecksbeziehung eingehen: Versicherungsvertreter Tsuda (Shinya Tsukamoto selbst) lebt ein langweiliges und pruedes Leben, mitten im Großstadtdschungel von Tokio. Ihm zur Seite steht seine Frau Hizuru (Kahori Fujii). Mit dem Eintritt des Boxers Kojima (Koji Tsukamoto, des Regisseurs Bruder), ein alter Schulfreund Tsudas, aendert sich das Leben des Ehepaares schlagartig. Schliesslich finden sich die drei in einem Strudel aus Eifersucht, Gewalt und Selbstverstuemmelung wieder, der sich ueber alle Bereche ihres Lebens unausweichlich ausbreitet.

Dass man diesem Film direkt die Handschrift Tsukamotos anmerkt liegt nicht nur an der Einzigartigkeit der Inszenierung, sondern auch an der Tatsache, dass Tsukamoto selbst fuer beinahe alle Foermlichkeiten zustaendig war. So uebernahm er neben der Regie und der Hauptrolle des Tsuda noch die Produktion sowie die Kamerafuehrung bei "Tokyo Fist". Direkt zu Beginn wird also schon deutlich, worum es Tsukamoto in diesem Film geht: der Koerperkult, die Veraenderung des Menschen in der modernen Gesellschaft - kein neus Thema fuer Tsukamoto-kundige. Doch findet sich bei "Tokyo Fist" eine Neuerung, eine Weiterentwicklung der bereits in "Tetsuo" zelebrierten Koerperlichkeit. Ist "Tetsuo" auch fuer filmkundige und dahingehend Interessierte Filmliebhaber schwer zu dechiffrieren, mit seinen surreal anmutenden Szenen, der kaum fassbaren Handlung und nicht zuletzt dem Setting - wirkte der Standort des Iron Man irgendwie nicht real und wie von einem anderen Planeten - so wird die Weltstadt Tokio diesmal zu dem Schauplatz der Veraenderung. Allerdings fuehlt sich auch Tsuda in diesem von Betonriesen dominierten kalten Fleck Erde nicht wohl, wie fehl am Platze. Tsukamoto zeigt dies immer wieder durch Aufnahmen, die ihn selbst inmitten von sich bewegenden Menschenmassen zeigen, ohne dass er sich selbst bewegt oder auch nur eine Miene verzieht. Doch nicht nur im unpersoenlichen Stadtzentrum erfuellt ihn diese Leere, auch Zuhause, einem sterilen Hochhaus, auf der Couch zusammen mit seiner Frau verharrt er unbeweglich, apathisch an ihrer Seite. Der Betrug seiner Frau fungiert als eine Art Initialzuendung fuer ihn, der nun aus dem engen Gesellschafts-Korsett ausbricht, um zu kaempfen, seinen Koerper zu spueren. Die graphische Gestaltung dessen, haette drastischer nicht sein koennen: surreal große Hematome verzieren hier diverse Gesichter zuhauf und auch das Blut spritzt literweise und doch ist dies nicht die einzige Art, in der sich der Tsukamoto'sche Koerperkult bzw. dessen Veraenderung visualisiert. Von ihrem Mann getrennt und eine Affaere mit dessen ehemaligem Schulfreund eingehend, beginnt fuer Hizuru Odyssee des lustvollen Schmerzes, in dem sie ihren Koerper mit zahlreichen Taetowierungen und Piercings verziert.

Alles in allem ist Shinya Tsukamoto zwar eine konsequente Weiterentwicklung gelungen, doch ich muss sagen, dass zumindest fuer mich, das gewisse Etwas fehlt. Das schwarz/weisse Techno-Ambiente "Tetsuos" sagte mir bei weitem eher zu als die, zugegebenermaßen akzeptable in Szene gesetzen Schauplaetze Tokios. Tsukamotos filmisches Genie wirkt in der surreal wirkenden Maschinenwelt einfach eindrucksvoller, szenischer und vor allem packender. Zudem kommt der ungewollte Trashfaktor von Blutfontaenen und Tennisballgroßen blauen Flecken und Prellungen dazu. Dies ist dann allerdings auch schon alles, was ich zu beanstanden habe.

7/10

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