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Marcello Clerici (Jean-Louis Trintignant) arbeitet für ein Ministerium in der Mussolini-Regierung im Italien der 30er. Er steht kurz vor der Hochzeit mit der naiven Giulia (Stefania Sandrelli). Er ist ein Mitläufer, ein Konformist – nicht aus Überzeugung, aus Geld- oder Machtgier – er will so sein wie alle anderen, „normal“, wie er oft sagt. Da Marcello so formbar ist, lässt er sich auf seiner Hochzeitsreise nach Paris auf einen finsteren Deal ein: er soll dort seinen ehemaligen Professor, einen überzeugten Antifaschisten im Exil, ermorden. Erschwert wird dieser Auftrag durch einen aufdringlichen Aufpasser (Gastone Moschin), der ihm zur Seite gestellt wird (denn so ganz versteht man Marcellos Motive nicht bei den Faschisten) und die wunderschöne Frau des Professors, Anna (Dominique Sanda).

Bernardo Bertoluccis 1970 gedrehter Film „Il Conformista“ nach dem Roman von Alberto Moravia schildert z. T. in verschachtelten Rückblenden den Werdegang eines glatten, vermeintlich normalen und leidenschaftslosen Menschen, der auf Grund eines Kindheitstraumas (welches sich am Ende sogar in Luft auflöst) zu einem bedingungslosen Mitläufer wird, der Freunde und Bekannte verrät, ohne wirklich zu hinterfragen, welcher Ideologie er eigentlich anhängt. Marcello würde in jeder totalitären Gesellschaft, ob kommunistisch, faschistisch oder sozialistisch, Karriere machen. Und das macht diesen Film so wichtig, aber auch so deprimierend.
Bertolucci benutzt immer wieder (zusammen mit seinem exzellenten Kameramann Vittorio Storaro) Bilder von riesigen, scheinbar menschenleeren Gebäuden, in denen ein winziger Marcello zielstrebig seinen Weg sucht und findet. So äußerlich elegant er und diese Gebäude sind, so bleiben er und diese Gebäude doch nur leere Gefäße, die man mit jedweder Ideologie füllen kann. Zu seiner Leere passt seine apolitische, naive und süße Frau Giulia, von Stefania Sandrelli perfekt verkörpert. Das Gegenstück ist Anna, die überzeugte Antifaschistin, die ihn verabscheut, aber gleichzeitig ahnt, dass er manipulierbar ist. Und in sie verliebt sich Marcello – weil sie eben so eine Überzeugung hat, etwas, was ihm völlig fehlt.
Bertoluccis Film ist meiner Meinung nach einer seiner besten – er ist zeitlos und das Ende ist in seiner Beiläufigkeit bitterer als z. B. ein Gewaltakt. Er ist unfassbar schön und elegant inszeniert, mit großartigen Darstellern (allen voran Jean-Louis Trintignant, dem es gelingt, einen identitätslosen Mitläufer zu kreieren, den man nicht völlig verabscheut), hervorragender Musik und atemberaubenden Szenenbild.
Hierzulande gibt es ihn nicht auf DVD – kein guter Zustand.
Denn „Il Conformista“ hat nichts von seiner Aussage verloren, leider.
Sehr sehenswert.

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