Das Attribut erfolgreichster Film aller Zeiten verwechseln viele Menschen gerne mit dem Attribut Qualität. Sehr oft zu Unrecht.
Titanic ist bei weitem nicht der beste Film aller Zeiten. Der Schuh des Manitu ist nicht der beste deutsche Film aller Zeiten. Für beide Filme gilt sogar: Weit gefehlt.
Das bringt uns zu Sholay, dem (bis vor einiger Zeit) erfolgreichsten indischen Film aller Zeiten (Diesen Status hat er seit letztem Jahr nun nicht mehr intus, da Dhoom 2 endlich mehr eingespielt hat, aber irgendwie gilt das dann doch nicht, da man Inflation, Spieldauer in Lichtspielhäusern und so weiter eigentlcih berücksichtigen müßte, und da würde Sholay nach wie vor das Rennen vor Dhoom 2 machen (Hehehe, was für ein kleines nettes Wortspielchen, manchmal wundere ich mich selbst über meine Spitzfindigkeit)).
Es heißt, ähnlich wie bei Mother India - dem anderen Schlüsselfilm der Bollywood-Industrie - dass jeder ausgewachsene Inder diesen Film mindestens schon zehnmal gesehen haben dürfte. Sholay lief Gerüchten zufolge sogar noch zwanzig Jahre nach seiner Uraufführung in vereinzelten Kinos und das Kino wäre stets mindestens halbvoll.
Doch wie gut ist Sholay wirklich?
Um es vorweg zu nehmen: Sholay ist ein netter kleiner Film mit einer mickrigen Laufzeit von etwas mehr als drei Stunden, der eine Geschichte erzählt, die mehr Neowestern oder sollte man sagen Currywestern als Bollywoodschmalz ist.
Nicht mehr und nicht weniger.
An die Klasse von Mother India kann er gar nicht rankommen, weil es zwei verschiedene Genres sind. Ist Mother India ein Epos über ein Land, was man am Schicksal einer Mutter aufzeichnet, so ist Sholay ein kunterbuntes Abenteuerfilmchen, das genau weiß, welche Knöpfe er drücken muß.
Die Handlung ist relativ hanebüchen und die erste Stunde des Films zeigt diese Hanebüchenheit mit allerlei debilen Zoten, unter anderem wird einfach so mal ein kleiner Hitlerklon aus Chaplins großem Diktator, samt Globus-Szene, sinnloserweise in den Film integriert.
Derlei Querverweise auf die internationale Filmgeschichte finden sich in Sholay zuhauf. Anfangs wirkt dies befremdlich, nach einer Weile ist man nur fasziniert am Schauen.
Nun aber doch zur Story: Ein Bandit tötet die Familie eines Polizisten und hackt diesem beide Arme ab, der Polizist heuert seinerseits zwei Gauner mit dem Herz am rechten Fleck an, um diesem Bandieten das Handwerk zu legen.
Erinnert an die Glorreichen Sieben im Billigformat? Das soll nicht die einzige Reminiszenz sein.
So gibt es stilistische Anspielungen auf die guten Filme von Sam Peckinpah, das Sterbeballet, es gibt Szenen, die direkt aus Leones Spaghetti-Western entnommen sein könnten. Es gibt Elemente, die aus David Leans Meisterwerken stammen könnten.
Alles wirkt irgendwie von den großen Regisseuren zusammengeschustert zu sein.
Dennoch so richtig gut wird Sholay irgendwie nie, denn immer dann wenn er eigenständig sein will, fehlt es ihm an nötiger Klasse.
Beispielsweise muß er sich den Vorwurf gefallen lassen, warum die ganze Zeit nichts passiert bis zum plötzlich so abrupten Ende.
Das macht Sholay nicht schlecht, es macht Sholay halt nicht sonderlich gut.
Auszeichnen tut Sholay aber vor allem die unglaubliche Präsenz von Amitabh Bachkan (oder so ähnlich). Dieser Typ, der hier noch nicht einmal die Hauptrolle spielt, spielt alle an die Wand. Er wirkt verdammt cool, ist immer lässig und sieht im Gegensatz zu diversen Filmcovern oder Videohüllen, wo man ihn immer total unästethisch findet, auf Zeluloid gebannt einfach nur eine extrem coole Figur.
Kein Wunder, dass er der größte Star Indiens ist, noch vor dem guten alten Shah Rukh Khan.
Was uns zu seiner Filmfigur bringt. Am positivsten ist nämlich die zartbittere Romanze seiner Filmfigur hervorzuheben, die niemals platt oder überzogen rüberkommt, sondern in diesem völlig überzeichneten Crowdpleaser so ziemlich das einzig wahrhaft ehrliche zu sein scheint.
Wie gut ist Sholay also?
Sholay ist für den internationalen Markt gesehen höchstens Durchschnitt, wenn auch mit einigen sehr sehenswerten Passagen. Er ist nicht sonderlich intelligent oder qualitativ das Maß aller Dinge.
Dennoch Sholay ist ein Film, der auf jeden Fall gut genug ist, dass man ihn öfter schauen könnte, ein bißchen so wie Indiana Jones oder Zwei Glorreiche Halunken - wenn man unbdeingt den internationalen Vergleich sucht. Er hat einen Star, der vor Coolness nur so strotzt. Er hat einen erbärmlich bösartigen Schurken. Er hat alles was ein Publikumshit werden kann.
Und er hat das gewisse Etwas, was einen Hit von einem Megahit unterscheidet: Er ist genau zur richtigen Zeit erschienen und er hat dadurch mindestens zwei Dutzend weiterer Bollywoodfilme direkt oder indirekt beeinflußt.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass ihn jeder Inder kennt und liebt, denn neben den Crowdpleaservorteilen hat jeder für sich genommen noch den gewissen Nostalgiefaktor, der ihn besser macht als er eigentlich ist, so ähnlich wie hier heutzutage diese erbärmlichen Winnetou-Filme, die immer besser beweertet werden als sie es tatsächlich jemals waren.
Aus indischer Sicht von daher: 10 Punkte
Objektiv betrachtet: 6 Punkte